Brodnigs Newsletter: US-Wahl-Special
3 interessanten Beobachtungen zur US-Wahl - zu Medien, Social Media, Elon Musk und Desinformation:
1.) Warum sind einige Linksliberale verärgert über Medien?
Es gibt viel Kritik von Journalist:innen, Medienkritiker:innen und Intellektuellen, die meinen, es würde zu verzerrt über die US-Wahl berichtet. Etwa hat Jeff Jarvis in einem Beitrag viele Kritikpunkte zusammengetragen (Opens in a new window), darunter:
Bothsidesing: Also dass so getan wird, als wären beide Seiten (die demokratische und die republikanische Partei) gleichzusetzen, als gäbe es zb ein symmetrisches Verhalten, obwohl zB gerade von republikanischer Seite fair abgelaufene Wahlen angezweifelt wird und Donald Trump mit Falschmeldungen über die ihm "gestohlene Wahl" arbeitet
Sanewashing: Hier ist der Vorwurf, dass Medien oft nur kleine Teile der Reden oder Postings von Donald Trump zitieren – und zwar nicht jenen Teil, wo er groteske Anspielen oder wüste Beschimpfungen verbreitet, sondern nur Passagen, die noch vergleichsweise normal für die politische Debatte klingen. Sehr anschaulich hat diese Praktik Parker Molloy beschrieben (Opens in a new window), hier auch ein kurzes Video von mir (Opens in a new window) dazu
Horce-race coverage: Damit ist eine Berichterstattung gemeint, die geradezu besessen ist von Umfragedaten oder davon, wie eng das Rennen zu sein scheint. Also die den Wahlkampf wie einen Wettlauf inszeniert, aber weniger intensiv die inhaltliche Ebene betrachtet, welche Auswirkungen inhaltliche Positionen der Kandidat:innen haben
Selektive Faktenchecks: Hier geht es um Faktenchecks, die womöglich darauf abzielen, überparteilich zu wirken, die aber eher pedantisch agieren. Meines Erachtens ist hier das Kernproblem: Manche Faktenchecks stiften eher Verwirrung. Zum Beispiel hat in einem Fall Joe Biden sprachlich etwas ungeschickt und somit überzogen formuliert – nur blendet der Faktencheck dann die größere Problematik aus (dass viele politische Beobachter:innen tatsächlich befürchten, dass Donald Trump bei einer erneuten Wahlniederlage das Ergebnis nicht akzeptieren wird). Hier kann man dieses Beispiel und die Kritik nachlesen (Opens in a new window)
Diese Begriffe sind, glaube ich, auch für uns im deutschsprachigen Raum hilfreich: Weil man sich die Frage stellen kann, ob wir manche Facetten auch in Wahlkämpfen hierzulande erleben.
2.) Stimmungsmache mit Desinformation und mit KI
Zuerst: Die große Lawine an KI-Deepfakes blieb aus (Opens in a new window), es kam nicht zur großen Täuschung mittels KI-Videos. Tatsächlich gab es Falschmeldungen im Wahlkampf, die waren aber eher low tech. Zum Beispiel wurde ein Fake-Video verbreitet, in dem sich jemand als Ex-Schüler von Tim Walz ausgab und einen sexuellen Angriff erfand - das Ganze entpuppte sich rasch als bösartige und leicht entlarvbare Falschmeldung (Opens in a new window). Ich glaube, wir müssen aber über eine andere Schattenseite der KI sprechen: Sie kann auch einfach zur plumpen Stimmungsmache genutzt werden. Speziell Trump (und seine Verbündeten) posten spektakulär aussehende KI-Bilder, zum Beispiel reitet Trump auf einem Löwen. Oder ein anderes KI-Bild, das Trump selbst verbreitet, zeigt Kamala Harris als Kommunistin. Es geht bei diesen Bildern nicht darum, dass Leute sie wirklich für echt halten, sondern dass Gefühle und Feindbilder genährt werden. Für einen Täuscher und Trickser wie Trump bietet KI einmal mehr die Chance, eine Fake-Realität darzustellen – in der er selbst als muskulös und heldenhaft inszeniert und die Gegenseite dämonisiert wird. Auch im deutschsprachigen Raum gibt es Stimmungsmache mittels KI. Hier habe ich das im Standard zusammengefasst (Opens in a new window), mit vielen anschaulichen Beispielen.
3.) Was zur Hölle führt Elon Musk auf?
Es ist schon erstaunlich, wie Elon Musk sich entwickelt hat – und wie ungebremst er derzeit für Donald Trump in die Bresche springt. Dazu eine interessante Beobachtung des Technikjournalisten Casey Newton, er schreibt über Elon Musk (Opens in a new window):
“Er hat sich vollständig einem Rechtsaußen-Glaubenssystem verschrieben, das untrennbar mit seinen geschäftlichen Interessen verbunden ist. Und er hat sich entschlossen, sich intensiv für die Wahl von Donald Trump einzusetzen, wobei er zwei Dinge weiß:
Wenn Trump gewinnt, wird Musk einen mächtigen Verbündeten im Weißen Haus haben, möglicherweise eine Rolle in der Regierung übernehmen, weniger Aufsicht über seine Geschäfte erleben und profitablere Verträge mit der Regierung erhalten.
Wenn Harris gewinnt, wird sie keine Vergeltung gegen Musk üben, und er wird immer noch 270 Milliarden Dollar besitzen.
In der Praxis könnte es für Musk natürlich nicht so laufen, wie er es sich erhofft.”
Und dazu passend: X hat sich unter Elon Musk massiv verändert. So gibt es riesige Unterschiede, wie erfolgreich demokratische und republikanische Abgeordnete auf dieser Plattformen ansprechen können. Die Washington Post hat eine große Datenauswertung (Opens in a new window) gemacht. Die Grafik zeigt zB, wie sich das Verhältnis der viralen Tweets von republikanischen & demokratischen Abgeordneten veränderte:
Wichtig, diese Auswertung gibt keine inhaltlichen Erklärungen ab, warum sich diese Tendenz so veränderte - das muss nicht einfach am Algorithmus liegen, es kann auch daran liegen, dass sich die User:innen-Struktur auf X drastisch verändert hat. Man erahnt hier jedenfalls: Ein Milliardär wie Elon Musk kann maßgeblich formen, wie seine Plattform letztlich aussieht.
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👉 Falls Ihr Euch wundert, dass Ihr nun wieder diesen Newsletter erhält: Vielen Dank an jene Abonnent:innen, die schon vor einiger Zeit meiner Newsletter-Liste beitraten! Der Newsletter ist eingeschlafen, aber jetzt habe ich ihn wieder aufgeweckt und werde ab nun zwei-wöchentlich immer zu 3 Themen interessante Informationen und Lese-Empfehlungen senden. Ich freu mich über alle, die dabei sind
Das war’s für heute - ich wünsche allen eine gute Woche! Wer will, kann mir gerne auch auf Instagram (Opens in a new window), X (Opens in a new window) oder Bluesky (Opens in a new window) folgen,
schönen Gruß
Ingrid Brodnig