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Raketenangst

Die Erinnerung überfiel mich morgens um fünf. Besser gesagt die Angst, die Angst vor der Bombe. Wie ein Geist aus einer fernen Epoche schob sie sich vor meinen Schlaf.

Die Angst vor der Bombe war zurück — und mit ihr die Erinnerung an Torsten, einen Mitschüler aus den frühen 80er Jahren.

Torstens Eltern hatten einen Atombunker, und deswegen war er für mein 14-jähriges Ich ein Experte für die nukleare Bedrohung, mit der wir heranwuchsen, wie Kinder heute mit Instagram.

1982 war ein langer, klammer Winter, der auch unsere Klassenreise beeinflusste. Wir waren geradezu sträflich unvorbereitet vom Hamburger Vorfrühling in die Harzer Berge versetzt worden. Vier Stunden im Bus, sitzen, dösen und albern. Beim Herumstapfen auf sonst urigen Waldwegen versank mein Freund Axel bis zum Bauch im Schnee.

Die Nässe war kalt, unfair klamm geradezu. Die alten Rippenheizungen des Schullandheims gaben ihr Bestes. Trotzdem wurde es nicht warm.

Zum Graubrot mit Käse und Teewurst gab es Hibiskustee aus einer grossen Stahlkanne. Viel wärmer wurde uns davon auch nicht.

Abends kuschelten wir uns unter die Decken. Ich war einer der stärkeren Jungs, ich lag oben. Axel, der sehr blonde Haare hatte, fragte irgendwann, als die meisten von uns schon beinahe schliefen: “Kann denn dein Bunker auch einer Neutronenbombe wiederstehen, Torsten?”

Bumms, wir waren jetzt alle wieder wach. Ich hatte ja keine Ahnung, in welcher Gefahr ich mich befand, bis Torsten im Detail erklärte, was Neutronen, von der Bombe beschleunigt, mit dir anstellen.

Torsten erläuterte in aller Ruhe, was er von seinem Vater gelernt hatte. Er hatte einen Bunker, das machte uns andere echt neidisch. Immerhin, hier im Stockbettzimmer im Harz nutzte ihm das auch nix.

Wir alle haben die ganze Nacht nicht geschlafen. Ich erinnere mich noch, dass sich Mitschüler umarmten, die sich bei Tag nicht ausstehen konnten.

Ich hatte so eine Angst, dass ich beim Blick aus dem Fenster der Jugendherberge den Himmel über den Kiefern absuchte, nach Anzeichen von russischen SS-20 Raketen, die unserer Klasse die Bombe auf den Kopf werfen würden.

Ich hatte diese Erinnerung beinahe vergessen, bis zu dieser Woche.

Grüße an die Geister des Pershing.

Du magst meine autofiktionalen Texte? Dann leite diesen gerne weiter… und oder gib mir was für meinen Atombunker dazu:

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