Thema der Woche: Goldene Zeiten in Dresden
von Bernd Schwickerath
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https://www.youtube.com/watch?v=APZbsK7_rMw&t=4s (Opens in a new window)Wahrscheinlich wird Maik Walsdorf die Geschichte noch in 30 Jahren erzählen müssen. Wie er gemeinsam mit dem Fahrer im Dresdner Mannschaftsbus saß, weil er es in der Halle nicht mehr ausgehalten hatte. Aber wie er gleichzeitig doch mit einem Auge aufs Eis schauen konnte. Und wie er dann dieses Stochertor von Tomas Sykora in der siebten Minute der Verlängerung sah und gleich losrannte, um alles und jeden zu umarmen, der ein Eislöwen-Logo trug.
Sykoras Tor am Dienstagabend um 22.51 Uhr war nämlich nicht irgendeins, sondern das wichtigste Tor in der Geschichte des Dresdner Eishockeys. Das in der Verlängerung des siebten Finalspiels der DEL2 bei den Ravensburg Towerstars. Der Schuss zur Meisterschaft, und vor allem: zum Aufstieg in die DEL.
Ab September spielen die Eislöwen dann zum ersten Mal in der ersten Liga. Was nicht wirklich überraschend kommt, wenn man sah, wie sehr die Dresdner die DEL2-Hauptrunde dominierten. Wochen und Monate standen sie ganz oben, erst gegen Ende ließen sie es etwas schleifen, rutschen gar bis auf Rang vier ab. Aber in den Play-offs waren sie wieder voll da: 4:1 gegen Rosenheim, 4:2 gegen Kassel, 4:3 gegen Ravensburg.
Schauen wir allerdings ein Jahr zurück, ist der Aufstieg fast eine Sensation. 2023/24 ging nahezu alles schief, im Januar musste gar Trainer Petteri Kilpivaara gehen. Es kam dann Niklas Sundblad, zudem erfahrene Spieler wie Danny aus den Birken und Travis Turnbull. So wollten die Eislöwen noch auf Rang zehn klettern, aber das wurde nichts mehr, am Ende wurden sie 13., mussten über die Play-downs den Abstieg in die Oberliga verhindern. Aber als das geschafft war, gab es gleich große Töne aus Sachsen. Nächste Saison greife man oben an.
Das hat manch einen Konkurrenten die Nase rümpfen lassen, aber die Ansage kam nicht von ungefähr. Die Gesellschafter erhöhten den Etat um 20 Prozent, 15 Spieler mussten gehen, rund ebenso viele kamen. Und das waren ganz andere. Manager Matthias Roos verabschiedete sich vom Konzept mit jüngeren Talenten, setzte fortan auf Erfahrung mit weiteren ehemaligen DEL-Spielern wie Dane Fox oder Drew LeBlanc. Außerdem bekamen die drei Schweden Simon Karlsson, David Suvanto und David Rundqvist deutsche Pässe, das schaffte Platz für weitere Topausländer wie Andrew Yogan, der gerade erst Regensburg zum DEL2-Titel geschossen hatte.
Jetzt hat er den wieder gewonnen. Also geht es hoch in die DEL. Was im Ligabüro zwiespältig aufgenommen wurde, weil ja dadurch die Düsseldorfer runter müssen: „Natürlich tut der Abstieg eines Traditionsklubs wie der DEG weh“, sagt DEL-Geschäftsführer Gernot Tripcke auf Nachfrage. Aber nach mehreren Jahren ohne Auf- und Absteiger sei es „für das deutsche Eishockey wichtig“, dass es einen Austausch zwischen den Ligen gibt. Sonst könnte man es ja gleich lassen und die DEL wieder abschließen.
Was Tripcke ebenfalls freut: Dass der Aufsteiger aus einer Region kommt, „die seit fast 30 Jahren keinen Erstligisten mehr hatte“, das tue der Liga „sicherlich gut“. Zuletzt gab es 1996 ein DEL-Team aus Sachsen. Damals war es eins, das auf den griffigen Namen ESG Füchse Sachsen Weißwasser/Chemnitz hörte, sich aber nach zwei Jahren aus finanziellen Gründen aus der DEL zurückzog. Eislöwen-Geschäftsführer Walsdorf sprach deswegen nun von einem „unfassbaren Meilenstein“ und zwar „für den gesamten Eishockey-Standort, für Sachsen, für ganz Ostdeutschland“.
Wie lange dort Erstliga-Eishockey genossen werden darf, kann natürlich niemand sagen. Aber die Voraussetzungen scheinen zu stimmen. Die Eislöwen haben es nämlich im Schatten der Dynamo-Fußballer geschafft, sich eine eigene Basis bei Fans und Wirtschaft zu erarbeiten. Den einen großen Mäzen sucht man vergebens, aber dafür steht das Konstrukt auf mehreren Säulen. Was natürlich den Vorteil hat, dass man nicht abhängig ist von den Launen eines Gönners. Allerdings: Sollte dann doch mal etwas fehlen, ist da auch niemand, der schnell mal ein paar Hunderttausend oder gar eine Million locker macht.
Vielleicht braucht es die aber auch gar nicht. Was es dagegen in jedem Fall braucht: diverse neue Spieler. Das fängt schon im Tor an, Danny aus den Birken sagte noch am Dienstagabend, dass der nicht mit in die DEL gehen werde. Auch in Abwehr und Angriff benötigt der Kader ein ordentliches Update, in der DEL herrscht nun mal ein ganz anderes Niveau.
Spannend wird zu sehen sein, inwiefern die Eislöwen auf den eigenen Nachwuchs setzen werden. Der ist ja erfolgreich wie kaum ein anderer in Deutschland. Nicht nur, dass die Dresdner einer von nur sieben Klubs sind, die die Höchstwertung „5 Sterne plus“ von DEB, DEL und DEL2 für ihre Jugendarbeit erhielten. Auch ihre Teams überzeugten, die U17 kam gar ins Finale.
Der Grundstein ist also gelegt für eine erfolgreiche Zukunft des Dresdener Eishockeys. Zunächst wird natürlich alles neu sein für sie und ihre Gegner. Aber das konnte vor Jahren auch über die Klubs aus Bremerhaven und Straubing gesagt werden, die vor ihren Aufstiegen ebenfalls keine (lange) Erstliga-Geschichte hatten und zuletzt in der Champions League spielten.
Ganz so hoch muss es für die Eislöwen natürlich nicht gleich gehen. Aber wie die dpa schreibt, „soll das Budget auf sieben bis acht Millionen Euro steigen“. Der Klassenverbleib erscheint zumindest aus heutiger Sicht möglich.