Wochenplannewsletter #27

Meine Lieben,
am Wochenende habe ich einen wunderbaren Samstag damit verbracht, meine Terrasse zu kärchern. Wunderbar deshalb, weil ich bei dieser Gelegenheit wieder einmal feststellte, wie befriedigend das Freilegen von Dingen für mich ist*. Zwar handelte es sich nur um einigermaßen bunte Steinchen im moos-losen Zustand, aber der sichtbare, fließende Übergang vom dreckigen Dingens zur sauberen, funkelnden Platte erfreute mich auf einer Länge von mehr als 15 Metern einen ganzen Nachmittag lang.
Dass ich mit meinem inneren Rain Man nicht alleine bin, zeigen Spiele wie der Power Wash Simulator. Gut möglich, dass es manchen Spielern dabei um einen der ältesten Kriege der Menschheit geht, nämlich sauber vs. schmutzig, ein Konflikt übrigens, bei dem ich wegen Hund und Frühjahr unlängst mit Waffen der Firma Vorwerk aufrüstete, was ich trotz der horrenden Rüstungskosten keine Sekunde lang bereue, auch wenn man ein Sondervermögen benötigt, will man nicht nur an der Saug- sondern auch an der Wischfront standhaft sein.
Mir hingegen geht es, denke ich, eher um jene fließende Zustandsänderung, das Aufdecken, Freilegen an sich. Ich liebe es, in Spielen die Karte aufzudecken. Ich kann sogar mit großer Berechtigung behaupten, dass es sich dabei um eine Freude handelt, die häufig wichtiger ist als jene Freuden, über die Testberichte gemeinhin sprechen. Gutes Kartenaufdecken lässt mich ein Spiel oft positiver Erleben als gutes Balancing. Schlechtes Kartenaufdecken ärgert mich oft mehr als schlechtes Leveldesign.
Ich hege den Verdacht, dass das Freilegen von Dingen in ihren Urzustand - seien es Karten, dreckige Autos, Fossile, ägyptische Grabmäler - einen rohen, ursprünglichen Sinn für Entdeckungen in uns auslöst, der womöglich evolutionäre Ursachen hat. Spiele machen sich diesen Sinn gefügsam, zunächst um Gegnerbewegungen zu verhüllen, denken wir an den Fog of War aus Echtzeitstrategiegespielen, später um allerlei Interessantes und Uninteressantes in großen Welten zu verstecken, aber ich frage mich, ob ihre Entwickler begriffen haben, wie mächtig dieses Werkzeug tatsächlich ist.
Ich denke nicht.
Anders jedenfalls ist es kaum erklärbar, wie viele Spiele ohne Not das Aufdecken der Karte gründlicher in den Sand setzen als Olaf Scholz eine Amtszeit als Bundeskanzler. Zuletzt Avowed, wo es schlechterdings unmöglich ist, die Karte einer Region vollständig aufzudecken, weil lästige Berge, Buchten, Burgen immer hässliche Flecken zurücklassen und das Ergebnis schließlich aussieht wie eine Windschutzscheibe nach der Begegnung mit mehreren Mückenschwärmen bei 180 Sachen.
Ich bin gewiss nicht der einzige, den sowas ärgert. Meine Vermutung wäre, dass ich und die meinen nicht einmal in der Minderheit sind.
Drum sage ich laut und mit fester Stimme: Steckt euch eure schlechten Karten an Orte, wo die Sonne niemals scheint! Kein Fußbreit den faulen, unvollständigen, fleckigen Pseudo-Karten, den Ecken und Fitzeln, wo man nie richtig hinkommt, den Gewässern, durch die man stundenlang schwimmen muss, bloß damit auch die Karte weiß, dass Wasser im Wasser ist.
Genug, sage ich.
Genug.
*Mein Weltkrieg gegen mutmaßlich 15 Jahre undiszipliniert dahingewucherten Efeu tritt gerade in seine entscheidende Phase. Wenn meine morgige Offensive mit Leiter, elektrischer Heckenschere und Kärcher nicht von Erfolg gekrönt wird, muss ich Napalm anfordern
1 Meldung, 5 Gedanken
Doom: The Dark Ages hat angeblich keinen Multiplayer, weil der zu Lasten der Singleplayer-Kampagne gegangen wäre
Quelle:
https://www.gamesradar.com/games/fps/doom-the-dark-ages-doesnt-have-multiplayer-because-it-would-definitely-come-at-the-expense-of-the-campaign/ (Opens in a new window)Erster Gedanke: Als ob! Garantiert hat bei Bethesda oder Microsoft überhaupt niemand, nicht eine einzige in Verantwortung stehende Person gesagt: Wir machen keinen Multiplayer, weil dann der Singleplayer weniger Ressourcen hätte. So tickt kein AAA-Publisher, und wenn einer so ticken würde, wäre er nicht mehr lange AAA-Publisher
Zweiter Gedanke: Natürlich ist es für die Entwickler (und womöglich auch die Kampagne) ein Segen, dass man nicht wie in den Vorgängern noch einen mehr oder weniger nötigen Multiplayer dranflanschen musste. Aber deshalb wurde das nicht entschieden
Dritter Gedanke: Doom erscheint übrigens am 15. Mai. Ich denke das deshalb, weil es für ein Spiel mit großem Namen und einem Erscheinen um die Ecke sehr, sehr wenig Buzz zu haben scheint
Vierter Gedanke: Wegen mir darf sich ab jetzt jeder auf Singleplayer konzentrieren, den Live-Schmodder den nativen Live-Games überlassen und nach 15-20 Kampagnenstunden vorbei sein. Aber ich habe weiterhin Zweifel, dass sich das verkauft, leider. Indes: Indiana Jones und der Große Kreis hat sich offenbar auch jämmerlich verkauft (wie erwartet, möchte ich hinzufügen), war aber im Gamepass erfolgreich genug
Fünfter Gedanke: Erst wenn der letzte blödsinnige Kausalzusammenhang erfunden, die letzte Bullshit-Aussage für bare Münze genommen und der letzte SEO-Artikel mit Erscheinen wertlos geworden ist, wird der Online-Journalismus erkennen, dass man sich von Substanzlosem nicht ernähren kann
Was wir spielen und sonst noch machen
JR ist ganz wuschig auf Commandos Origins, das am 09.04. erscheint und von dem ihn schon die Demo ziemlich wuschig gemacht hat.
Sebastian ist wenigstens einigermaßen wuschig auf South of Midnight, ein Southern-Gothic-Action-Adventure, das morgen im Gamepass erscheint.
Dom hat sich wuschig bereit erklärt, das bestimmt grandiose Spiel für den kommenden Sonntagspodcast vorzubereiten.
Und ich? Ich bin versammt wuschig auf Sultan’s Game, das wie eine unheilige Mischung aus Sunless Sea, 1001 Nacht und dem Trolleyproblem* klingt, also etwas, was mir unverschämt viel Spaß machen sollte. Aber ich habe noch keine Ahnung, wann ich dazu komme. Denn ich habe mir einen neuen Arbeitslaptop gekauft, der mit allen Zugängen, Einstellungen, Programmen und Passwörtern ausgestattet werden will, und das sind irritierend viele, von denen ich garantiert die Hälfte vergesse und das erst merke, wenn ich sie dringend brauche, aber nicht habe, woraufhin ich irgendwen bis ins siebste Glied seiner Nachkommenschaft verfluche, was zwar praktisch nichts hilft, wohl aber seelisch, es herrscht ohnehin ein trübseliger Mangel an wirksamen Flüchen in dieser Welt, die Realität sollte sich mal ein Beispiel an Witcher nehmen.
*Das Trolleyproblem ist das Ding, wo irgendwas Ungesundes auf Menschen zurast, die an Schienen gekettet wurden, und dann kommt einer und sagt, hey, du kannst das Ungesunde umlenken, damit es auf andere Menschen zurast, aber auf weniger (oder ältere oder jüngere oder …), und dann denkt dieser Schlaubi Schlumpf, dass die Entscheidung, ob du das Ungesunde umlenkst, moralisch betrachtet ein interessantes Dilemma wäre, das Aufschluss über deine Moralphilosophie gäbe, was meiner bescheidenen Meinung nach ziemlicher Gulasch ist, weil weniger Menschen, die vom Ungesunden totgefahren werden, immer besser sind als mehr.
Das Rätsel zum Sonntag
Der lustige Glückshase geht schon seit 10 Jahren in den Blauen Bock.
Kein Glückshase, aber gleich ein glücklicher Hund, wenn ich das Rinderohr-Massaker freigebe
Ungefragter Hundeerziehungstipp am Rande: Es ist eine gute Idee, tolle Dinge (Fressen, Leckerli, wildes Rumpesen auf der Wiese usw.) regelmäßig freizugeben, also den Hund erst nach ausdrücklicher Erlaubnis zur wilden Wulli mutieren zu lassen, weil Impulskontrolle zu jenen Dingen gehört, mit denen Hunde (oder Autoren von Wochenplannewslettern, was das betrifft) nicht von Geburt an gesegnet sind, aber die Lebensqualität deutlich erhöht.
Fühlt euch übrigens hiermit frei, die wilde Wulli rauszulassen. Ohne macht ja auch keinen Spaß.
Jochen