50! Über Neuanfänge und das Älterwerden
Ein Mensch jenseits der 25 ist alt.
Und mit 50 ist er uralt.
Ein Greis sozusagen.
Nur einen Schritt von Schnabeltasse und Seniorenheim und beigen Bügelfaltenhosen entfernt.
So dachte ich als Kind. Ich machte mir kaum Gedanken übers Altern, weil es mich sowieso NIE treffen würde. Die Zeit schlich langsam dahin, so langsam, dass die Gegenwart niemals der Zukunft weichen würde.
Ach, wie gerne hätte ich noch einmal das Zeitempfinden eines Kindes.
Ihr wisst, wohin ich mit meinen Worten will, nicht wahr?
Nun bin ich nämlich doch 50 geworden. Am Wochenende. In aller Stille. Mit einer Freundin und einer Tochter bin ich weggefahren (ins schöne Eselsburger Tal – sehr empfehlenswert!)
Eigentlich hatte ich schon seit Jahren von einer großen Feier mit allerlei Brimborium und tanzenden Freunden unter lampiongeschmückten Bäumen geträumt. Aber mir war dieses Jahr nicht nach einer lauten Feier zumute. Zuviel ist im letzten Jahr passiert, außerdem hat sich der erste Todestag meines Vaters gejährt. Und das hat nochmal eine Trauerwelle in mir losgetreten, der ich nicht ausweichen wollte. Trauer will gefühlt werden, auch und vor allem ein Jahr später, wenn man innerlich noch einmal am Zeitstrahl der Sterbegeschehnissen vorüberläuft.
Vor einem Monat, in Kanada, telefonierte ich mit einem Mitarbeiter von AirBnB. Wir waren sofort auf einer Wellenlänge und aus einem Beschwerdeanruf wurde ein lustiges Gespräch. Schritt für Schritt führte er mich durch einen digitalen Stornierungsprozess (mit fast 50 blickt man es halt nicht mehr…) und bat mich, mein Alter einzugeben. In der Jahresspalte scrollte und scrollte und scrollte ich. Die 10er Jahre flogen an mir vorbei, die Nuller, die 90er, die 80er, die halben 70er. „Ich bin ja so frustriert!“ rief ich aus. „Ich muss mittlerweile ewig scrollen!“ Der Mitarbeiter brauchte eine Minute, um sich wieder zu fangen. Und ich auch. Wir lachten Tränen.
Ich glaube, das ist mein einziger Wermutstropfen: Die Jahre sind an mir vorübergeflogen und damit hielt die Erkenntnis Einzug, dass dieses Leben verdammt kurz ist. Auch wenn man 90 wird. Das Gestern wird zu einem Sehnsuchtsort, den man nie mehr aufsuchen kann.
Wisst ihr, was mich im letzten Jahr mal abgesehen von Trennung, Tod und depressiven Tälern echt genervt hat?
Die stichelnden, als Scherz verpackten Kommentare über meinen anstehenden 50. Geburtstag. Als wäre er ein grausames Schicksal der Natur, das Überschreiten eines Zenits, der endgültige Niedergang von Jugend, Schönheit und biegsamen Gelenken.
Ich habe den Kommentaren nicht zugehört, ließ sie durchrauschen. Das Altern von Frauen wird nach wie vor problematisiert, pathologisiert, tabuisiert. Auch in Form von Witzen. Wir sind in einem Klima aufgewachsen, das einer Frau nicht zusteht, ihre Körperform zu verändern und sichtbar zu altern. Das spüre ich mit jeder Faser. Und jede Faser wehrt sich dagegen, auch wenn ich an manchen Tagen beim Blick in den Spiegel erschrecke und die fremde Frau grüßen möchte, die mir entgegenblickt. Ich will in Ruhe altern und mir nicht einflüstern lassen, dass meine Haut, Körperform und Haare auf ewig jung bleiben müssen. Es ist anstrengend, sich gegen das Anti-Aging-Diktat stemmen zu müssen, aber ich will doch meinen Töchtern ein anderes Vorbild mitgeben als das von Frauen, die über die Ankunft in der Lebensmitte jammern.
Aber abgesehen davon:
50 werden zu dürfen ist ein Privileg.
Wie vielen Menschen ist dieses Glück nicht beschert, weil sie verfrüht die Lebensbühne verlassen mussten?
Ich spüre einen so tiefen Frieden mit meinem Leben, mit dem was war und ist, eine Versöhnung mit meinem rastlosen, idealistischen jüngeren Ich, mit meinen Verfehlungen und unerfüllten Träumen. Eingebettet bin ich doch in eine Liebe, die mit mir auf die Welt kam, mich durch jedes Lebensjahr begleitete und mich auch im Sterben nicht verlassen wird.
Diese Liebe verhindert nicht, dass ich mich zuweilen einsam fühle, über den Zustand der Menschheit und unseres Planeten verzweifle und Existenzängste verspüre. Aber die Liebe ist wie eine Brandmauer, an der sich die Überwältigung wieder beruhigen darf.
Mit 50 fange ich nochmal neu an. Es hat mich viel gekostet, dieser Neuanfang. Das wuppt man nicht mehr so leicht wie mit Mitte 20. Denn ich bin verantwortlich für andere. Aber wenn dir viel genommen ist, dann hast du auch nicht viel zu verlieren. Also überlege und bete ich momentan, wie denn dieses neue Leben aussehen soll. Wie will ich leben? Was darf ich getrost loslassen? Wen möchte ich in meinem Leben haben und wen nicht? Was dient mir noch und was nicht mehr? Was sind meine tiefen Sehnsüchte? Was habe ich in den letzten 12 Monaten gelernt? Was will ich lernen? Was facht meine Leidenschaft an? Was hat mir lange gedient, aber jetzt nicht mehr?
Das sind Fragen, die man sich nicht nur mit Anfang 30 oder Mitte 40 stellen sollte, sondern in jedem Lebensalter. Denn wir sind nie fertig. Auch nicht mit 50 oder 70.
Das Leben, das ich führte, wollte ich für immer behalten. Ich krallte mich so sehr daran fest, dass meine Knöchel weiß hervortraten und ich vor Verkrampfung kaum mehr atmen konnte. Gott löste Finger um Finger. Trotz vehementer Gegenwehr. Wenn unsere Hände offen da liegen, sich das Leben wie eine einzige Niederlage anfühlt, uns Menschen und Träume und Ziele durch die Finger rinnen und wir eine Weile unser altes Leben betrauert haben, kommt die Zeit für einen Neuanfang.
Ich bin bereit und taste mich hinein in dieses neue Leben. Das bedeutet zum Beispiel, dass ich demnächst zurück in den Beruf gehe. Ich werde in einer Redaktion arbeiten. In Teilzeit. Und ich werde weiterhin schreiben. Aber meine Referententätigkeit hänge ich an den Nagel. Im Garten reduziere ich Anbaufläche. Das Haus habe ich nun Stück für Stück entrümpelt, Sperrmüll bestellt, jeden Schrank durchforstet, so dass mir der Besitz nicht mehr wie ein Mühlstein um den Hals hängt.
Das fühlt sich großartig an. Als hätte jemand ein Fenster in eine Wand meines Lebenshauses gebrochen und nun habe ich einen neuen Ausblick. Luft. Licht.
Und damit kommt die Hoffnung zurück. Da ist noch was. Da kommt noch was. Ich darf noch eine Weile, wenn Gott will, mich überraschen lassen.
DREI NEUIGKEITEN!
1. VERLOSUNG
Nicht nur ich feiere Jubiläum, sondern auch mein Blog.
15 Jahre ist er geworden. Ein ausgewachsener Teenager also. 15!!!
Wir sind gemeinsam erwachsen geworden, mein Blog und ich.
Weil ich euch Leserinnen und Leser so unendlich schätze, möchte ich drei Päckchen in die Runde werfen.
Gewinnoption:
Ein Päckchen mit einem meiner Bücher deiner Wahl.
Plus ein Zine-Bundle.
So nimmst du an der Verlosung teil:
Schreib mir mit Namen in die Kommentare, was bisher dein schönstes Alter war.
Und seit wann du meinen Blog liest.
Damit wanderst du automatisch in den Lostopf.
Du kannst bis Montag, den 30. September 11 Uhr Vormittags teilnehmen.
Die Gewinnerinnen und Gewinner werden von mir benachrichtigt. Die Ermittlung erfolgt nach Teilnahmeschluss im Rahmen einer auf dem Zufallsprinzip beruhenden Verlosung unter allen Teilnehmern.
2. EIN NEUES ZINE!
Tätärätä!!!
Ein neues Zine hat das Licht der Welt erblickt. Auf vielfachen Wunsch („Veronika, schreib doch mal was über die Menopause!“), habe ich ein Mini- Zine mit Mini-Poster passend zur weiblichen Lebensmitte erschaffen:
Die fünf Geschenke der Menopause
Du kannst das Zine für 3 Euro hier (Opens in a new window)bestellen. (Plus Versandkosten)
Oder du bestellst es im Bundle mit meinen anderen Zines für den Gesamtpreis von 11 Euro. (Opens in a new window)
3. VERSANDAKTION
Sobald ich wieder in den Beruf einsteige, bleibt mir keine Zeit mehr für große Versandaktionen.
Deshalb helft mit, mein Lager zu leeren!
Weihnachten ist ja schon in drei Monaten. Wer jetzt vorsorgt, hat weniger Stress im Dezember.
Viele meiner Bücher sind übrigens reduziert. Schaut in meinem Shop (Opens in a new window) vorbei. Wenn ihr eine Signatur wünscht, dann vermerkt das bitte in der Notizoption am Ende der Bestellung.
Außerdem habe ich meine Zines aufgestockt. Sie sind alle wieder verfügbar!