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Die Drogenprohibition ist gescheitert. Aber was jetzt?

Wöchentliche Analysen zur deutschen Drogen- und Suchtpolitik und zur öffentlichen Debatte über Entkriminalisierung und Legalisierung.
di Philine Edbauer

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Ein Querschnittsthema aus Innen-, Sozial-, Gesundheits- und Wirtschaftspolitik.

Drogenpolitik bestimmt – als ein Querschnittsthema aus Innen-, Sozial-, Gesundheits- und Wirtschaftspolitik –  zu einem wesentlichen Teil, wie wir uns als Gesellschaft definieren, verhalten und verändern. Deshalb müssen wir sie verstehen. Drogenkonsum und Drogenhandel im öffentlichen Raum, Kokainfunde der Polizei, Warnungen vor Schäden, erschreckende Bilder aus den USA, Sorgen um Angehörige und um den Schutz von Kindern und Jugendlichen gehören zum Alltag. Dennoch werden Drogen und Sucht immer noch überwiegend als individuelles Problem wahrgenommen. Prävention und Suchthilfe sollen das Drogenproblem für die "Drogenopfer" lösen und den Konsum verhindern. Eine stärkere Konzentration auf die Zerschlagung der organisierten Kriminalität soll die Angebotsseite lösen. Dass weder das eine noch das andere seit Beginn der ersten Anti-Drogen-Gesetze funktioniert und welche Auswege und Handlungsempfehlungen Expert*innen nicht nur vorschlagen, sondern den Regierungen inzwischen dringend raten, ist viel zu selten Gegenstand öffentlicher Debatten.

Wenn sich die Ziele von Drogen- und Suchtpolitik an der Reduzierung von Gewalt und der Verbesserung von Lebensqualität sowie der Gewährung von Gesundheitsrechten und Selbstbestimmung messen, wenn die Handlungsempfehlungen von interdisziplinären Fachgremien und Menschenrechtsexpert*innen mehr Beachtung finden als die Ohnmacht der Moral und der Angst, dann lassen sich Strategien für eine umfassend funktionierende Drogenpolitik ableiten.

Drogenpolitik ist kein banales Randthema.

Drogenpolitik ist kein banales Randthema, sondern eine gesellschaftliche und politische Entscheidung über den Einsatz von Strafverfolgungsbehörden, über den Umgang des Staates mit illegaler Ökonomie und international organisierter Kriminalität und über unseren Umgang mit jenen Menschen, die am untersten Ende der gesellschaftlichen Hierarchie leben, die wir als "Junkies" oder "Zombies" entmenschlichen und über deren Anspruch auf staatliche Unterstützung und Aufenthalt im öffentlichen Raum gestritten wird.

Es geht aber nicht nur darum, die Schäden und negativen Folgen einer verfehlten Drogenpolitik zu reduzieren. Die Realität anzuerkennen bedeutet auch, zu verstehen, was Drogen eigentlich sind und warum sie trotz aller Verbote, Risiken und Schäden in allen Gesellschaften der Welt eine kontinuierliche Rolle spielen. Unter dem Begriff "Drogen" wird eine Vielzahl psychoaktiver Substanzen mit zum Teil sehr unterschiedlichen Wirkungsweisen zusammengefasst. Was sie verbindet, ist die rechtliche Kategorie der Illegalität und Strafbarkeit und die damit einhergehende weitreichende gesellschaftliche Ächtung, das heißt Stigmatisierung von Menschen, die sich nicht an die Verbote halten. Das heutige deutsche Betäubungsmittelrecht wurde 1971/72 eingeführt. Nicht aus einer gesundheitspolitischen Erwägung heraus, die bis auch heute nie rückwirkend begründet werden konnte, sondern im Rahmen einer internationalen und historischen Entwicklung, in der psychoaktive Substanzen, die von Minderheiten, rassifizierten und armen Bevölkerungsgruppen konsumiert wurden und für die es andernfalls keine Begründung gab und gibt, sie polizeilicher Verfolgung auszusetzen, per Gesetz der Justiz unterworfen wurden

Es braucht eine offenere und informiertere Debatte.

Die Drogengesetze wirken heute wie eine Selbstverständlichkeit, leben aber auch vom Schweigen derer, die außerhalb der Peergroup unsichtbar konsumieren. Sichtbar wird der Drogenkonsum erst, wenn er im öffentlichen Raum stattfindet oder von der Polizei oder anderen Autoritäten wie Schuldirektor*innen oder Eltern (die ihre Kinder etwa anzeigen, weil sie sich von der Polizei Hilfe erhoffen) aufgedeckt wird. Oder wenn die Konsumierenden so schwerwiegende Drogenprobleme haben, dass sie nicht mehr umhin können, Hilfe aufzusuchen. Ohne das Verbot, das heißt, wenn es keine Angst vor Sanktionen und Ausgrenzung beispielsweise in der Familie oder durch Schulleiter*innen gäbe, könnten Jugendliche und Erwachsene viel früher und ohne große Scham Hilfe oder Beratung in Anspruch nehmen und ihren Drogenkonsum auf einem moderaten Niveau halten oder reduzieren. Je nachdem, was für den Einzelnen am besten funktioniert.

Die aktuelle Drogenpolitik lebt auch davon, dass die meisten Menschen, die Erfahrungen mit illegalisierten psychoaktiven Substanzen, Kriminalisierung und/oder Stigmatisierung gemacht haben, es vorziehen, nicht darüber zu sprechen, um (weitere) Vorurteile, Ausgrenzung, Entmündigung und möglicherweise lebenslange Strafen zu vermeiden. Für immer mit anderen Augen gesehen zu werden, weil man offen über die Realität des Drogenkonsums mit all seinen Facetten, Höhen und Tiefen und die Folgen des Drogenverbots spricht, will gut überlegt sein.

Seit 2015 beteilige ich mich an dieser Debatte und fördere sie. Durch Projekte, Vernetzung von zivilgesellschaftlichen Akteur*innen, Workshops und Vorträge, die Vermittlung von Wissen, Pressearbeit und das direkte Gespräch mit der Politik.

2017 habe ich die ehrenamtliche und unabhängige My Brain My Choice Initiative (Si apre in una nuova finestra) gegründet und arbeite seitdem mit einer wachsenden Zahl von Mitwirkenden bundesweit und in Kooperation mit etablierten Verbänden daran, Politik und Öffentlichkeit für die politische Dimension von Drogen und Sucht und alternative Handlungsmöglichkeiten zu sensibilisieren.

Als Mitglied des Expert*innen-Netzwerks Schildower Kreis stehe ich im Austausch mit Forscher*innen und Fachleuten der verschiedenen Disziplinen. Als Mitglied des JES Bundesverbands und Mitglied der Organisations-Teams des Berlin Gedenktags für die verstorbenen Drogengebrauchenden (21. Juli) stehe ich im Austausch mit Sucht-, Substitutions-, marginalisierungs- und kriminalisierungserfahrenen Mistreiter*innen und Fachleuten aus der Suchthilfe. Durch die Mitgliedschaft und regelmäßige Zusammenarbeit mit weiteren Fachverbänden und zivilgesellschaftlichen Gruppen verschaffe ich mir laufend einen Überblick über die drängendsten Probleme und Handlungsempfehlungen.

Meine Unterstützer*innen helfen mir, Zeit zum Schreiben von Analysen und für Medienarbeit freizuräumen.

Weltweit experimentieren Staaten mit Drogenpolitik, einerseits mit Versuchen der Entkriminalisierung und Legalisierung der Märkte (wie Deutschland mit der Teil-Legalisierung von Cannabis), andererseits mit der Verschärfung der Repression und verheerender staatlicher Gewalt gegen Minderheiten und Menschen, die in Armut leben. Es ist wichtig, die Instrumente der Drogenpolitik zu verstehen. Nur so können wir zu einer informierten Debatte über die Verbesserung der deutschen Drogenpolitik beitragen, unsere internationale Rolle wahrnehmen und zu einer demokratischen Verständigung gelangen, die auf Wissen statt auf Ängsten beruht.

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(Profilbild: (c) Cherie Birkner)