Selbst und Bestimmung!
#03 Die Verteidigung der Selbstbestimmung
Dies ist die dritte Ausgabe von 4. Mio+ , dem wöchentlichen Briefing von Cathi Bruns. Diese Woche:
Arbeit für die eigene Arbeit
Das gestörte Verhältnis zur Selbstständigkeit und wie wir es entstören
Ein paar Fragen an Holger Schäfer, Senior Economist am IW Köln, zum Selbstverständnis der Selbstständigen
Was die Arbeitsgesellschaft von Selbstständigen lernen kann
Und warum eine unternehmerische Kultur die beste Gründungsförderung ist
Hi.
Ja ja, selbstständig = selbst und ständig. Hö Hö... Ich weiß nicht wie es dir geht, aber ich kann das nicht mehr hören.
Auch wenn es kein schlechter Stand ist, der hier die Wortvorlage für den persönlichen Status liefert („für sich bestehend (Opens in a new window)“), das alte Bild der Selbstständigkeit, in dem man alles selbst können, selbst wissen und auch selbst machen muss, hält sich zäh. Und nicht wenige erleben ihre Selbstständigkeit auch so.
Zur Wahrheit gehört, je weniger unternehmerisch wir arbeiten, desto weniger selbstbestimmt können wir sein. Das gilt auch für die formale Selbstständigkeit.
Besser als „selbst und ständig”, ist daher „selbst und bestimmt” - denn wer unternehmerisch arbeiten will, der muss auch bereit sein selbst zu führen.
Die Möglichkeit selbstbestimmt zu arbeiten, muss man sich erarbeiten. Es gibt sie in keiner Stellenanzeige.
(Opens in a new window)Friedrich von Borries schreibt in seiner politischen Designtheorie (Opens in a new window):
„Entwerfen ist das Gegenteil von Unterwerfen”.
Eine gestalterische Sicht auf die Arbeit ist der Anfang, ein neues Bild von der Selbstständigkeit dann nur logische Folge.
Selbstständigen ist Gestaltungsfreiheit besonders wichtig. Dies bestätigt auch die Forschung. Fehlt der Spielraum zur Entfaltung, bröckelt die unternehmerische Kultur.
Der leise Rückgang der Selbstständigkeit gibt, wie wir weiter unten im Gespräch mit Holger Schäfer erfahren, Anlass zur Sorge.
Was kann die Arbeitsgesellschaft vom selbstständigen Selbstverständnis lernen? Frei sein oder frei haben? Aufbruch oder Rückzug? Welchen Deal wollen wir eingehen? Um all das geht es heute:
Die Verteidigung der Selbstbestimmung.
Warum muss uns das beschäftigen?
Als ich anfing mich mit Arbeit im Allgemeinen und mit der Selbstständigkeit im Besonderen zu beschäftigen, fiel mir auf, dass Deutschland eine sehr spezielle Beziehung zur Fremdbestimmung kultiviert hat. Selbst wenn der Chef, das Pensum, die Kollegen, die Tätigkeit und einfach alles nicht stimmt, kommen wenige darauf, es unternehmerisch zu probieren. Eher wird einfach weitergearbeitet, auf das System geschimpft, alles an sich runtergebrannt, innerlich gekündigt und weiterverzweifelt.
Der Job wird gewechselt, aber die Fremdbestimmung bleibt. Selbstständige nicht ausgenommen. Nicht jeder, der formal frei arbeitet, fühlt sich auch so.
Mich beschäftigt das seit über 15 Jahren.
Ich halte nichts davon, Menschen in Selbstständige und Angestellte zu unterscheiden. Für mich sind alle Menschen begabt und herausgefordert ihre Aufgaben selbstständig zu bewältigen - auch wenn sie sich formal für ein anderes Setting entschieden haben. Die Frage ist immer, kann ich gestalten, oder nicht. Und will ich es überhaupt?
Dafür habe ich das flapsige Wort „Angestelltenland” geprägt (Opens in a new window), denn es passt zu Deutschland perfekt: Was ich meine, ist eine fremdbestimmte Arbeitskultur, die politisch kultiviert und gesellschaftlich goutiert wird. Das Ganze gipfelt in der Vermeidung von Selbstständigkeit, anstatt selbstverständlich für sie zu streiten. Man lebt nur einmal, wem möchte man die Gestaltung überlassen?
Angestelltenland, are you ok?
Die Fremdbestimmung der abhängigen Beschäftigung fühlt sich nicht fremd an, im Gegenteil, die Selbstständigkeit ist es, mit der viele fremdeln. In keinem Land wird so viel über Arbeit gequarkt und gleichzeitig so sehr auf einen Chef bestanden. Tut mir leid, aber das ist Angestelltenland.
Auch wenn eine niedrige Quote von Selbstständigen nicht das Ende des Wohlstands bedeutet, und es wissenschaftlich sogar eher als sozialer Fortschritt verbucht wird, wenn es wenig unsichere Selbstständige gibt, so macht es ein wohlständiges Land doch irgendwie träge, wenn es Sicherheitsversprechen vor Selbstsicherheit stellt und die innere Kündigung beliebter ist, als die Unternehmensgründung.
Deutschland hat ein gestörtes Verhältnis zur Selbstständigkeit. Das kann nicht so bleiben. Es ist nicht egal, welches Image die Selbstständigkeit hat. Wenn wir nicht aufpassen, wird uns die Selbstbestimmung überall geraubt. Passen wir also auf. (Bild: Suche und Vervollständigungen via Google.de)
(Opens in a new window)Seit 15 Jahren sag ich, Arbeit kann mehr sein als nur ein „Job”, aber es geht mir dabei nicht darum, Selbstständigkeit zu glorifizieren. Es heißt nicht, dass jeder gründen müsste.
Es geht darum, Selbstständigkeit zu normalisieren.
Selbstständige halten niemanden dabei auf, sich anstellen zu lassen oder die klassische Bürokarriere anzustreben. Unternehmen brauchen schließlich gute Leute, die sich dem unternehmerischen Ziel anschließen möchten. Auch wenn wir uns vielleicht noch wundern werden, mit wie viel weniger Angestellten die digitalisierte Arbeitswelt der Zukunft auskommen wird.
Aber alle, die sich selbstständig machen wollen, können eine Geschichte davon erzählen, wie irgendwer im Umfeld dieses Vorhaben bremsen wollte.
Warum? Was ist das für eine Kultur? Erstrecht, wenn man bedenkt, wie stark sich die Entscheidung, was man mit seiner Zeit und seinen Potenzialen anfangen möchte, auf den Fortgang des restlichen Lebens auswirkt. Arbeitsleben und Lebensglück hängen zusammen. Das ist eine Binse, aber sie hat Gewicht. Der Gallup-Chef Jon Clifton hat schon vor einiger Zeit in einem Gespräch mit der FAZ (Opens in a new window) gesagt:
„Wenn es dir dreckig auf der Arbeit geht, ruiniert das dein Leben. (Opens in a new window)”
Der berühmte „Gallup-Engagement-Index” stellt Angestellten schon seit 2001 die Motivationsfrage und zeigt jedes Jahr auf neue, wie wenig sie sich angeblich an ihren Arbeitsplatz gebunden fühlen.
Aktuell sei zB. fast jeder Fünfte Arbeitnehmer nicht emotional bei der Sache und erledige „nur Dienst nach Vorschrift”. Welchen Mehrwert solche Erhebungen haben, wenn seit Jahren fast immer das Gleiche herauskommt, und sich an den grundsätzlichen Settings gar nichts ändert, sei dahin gestellt.
Denn was man sich eigentlich klar machen muss ist: Die abhängige Beschäftigung ist Dienst nach Vorschrift. Warum sollte man mehr tun?
Über 7. Mio Beschäftigte haben laut Gallup-Index 2023 (Opens in a new window) „innerlich gekündigt”.
Eine Arbeitswelt, die eine eigene Bezeichnung dafür hervorgebracht hat, dass man Arbeit hat, die einen nicht bewegt, sich geistig abmelden kann und trotzdem alles so weiterläuft? Ein Privileg der Festanstellung.
Was mich zurück zur Eingangsfrage bringt: Welchen Deal wollen wir? Ist es nicht ein Verrat an der eigenen Selbstbestimmung, wenn man zwar eine Wahl getroffen hat, sie aber nicht aus bewusster Stärke heraus, sondern aus Hilflosigkeit sich selbst hat treffen lassen?
Besser die Gründung im Herzen, als den Job in den Knochen
Klar, Selbstbestimmung bedeutet auch, sich gegen sich selbst entscheiden zu können. Aber erst Selbstwirksamkeitserfahrung macht die tägliche Arbeit zum Gestaltungsmittel. Jeder kann einen Job für andere erledigen, aber Arbeit ist auch etwas, das wir für uns selbst tun (Opens in a new window).
Nichts ist normal, an der „ Normalarbeit”. Außer, dass sie die Regel geworden ist. Für einen erwachsenen Menschen ist Selbstständigkeit normal. Warum streiten wir so wenig dafür?
Selbstständigkeit ist in erster Linie eine Qualität. Sie ist in keiner Lebenslage schädlich.
Bei Selbstständigen sagt man umgangssprachlich, dass sie „für sich selbst arbeiten” - nicht gegen sich selbst, wie zB. alle, die innerlich kündigen. Dies scheint auch eine neue Studie vom IW Köln zu belegen.
Selbst und (Be)Stimmung
Ich hatte die Studie schon im letzten Briefing hinsichtlich der Ergebnisse zur Altersvorsorge verlinkt. Sie ist in vielerlei Hinsicht interessant. Und sie kann helfen, Selbstständige und ihren Antrieb besser zu verstehen.
Wie sieht es aus mit dem „unternehmerischen Selbstverständnis Selbstständiger in Deutschland”? Dazu hab ich Holger Schäfer befragt. Er ist Senior Economist am Institut der deutschen Wirtschaft Köln und Arbeitsmarktexperte. Seine gleichnamige Studie gibt Aufschluss.
Lieber Holger Schäfer,
wie steht es um die Selbstständigkeit in Deutschland?
Schäfer: Leider nicht sehr gut. Wir haben derzeit knapp 3,9 Millionen Selbstständige – das waren so wenige wie zuletzt 1996. Im gleichen Zeitraum ist die Anzahl der abhängig Beschäftigten um fast 8 Millionen gestiegen. Dabei sah es zeitweise viel besser aus, wir hatten 2010-2012 über 4,5 Millionen Selbstständige. Doch seither gehen die Zahlen mehr oder weniger kontinuierlich zurück.
In Ihrer aktuellen Studie betrachten Sie das unternehmerische Selbstverständnis von Selbstständigen in diesem Land. Was sind die wichtigsten Erkenntnisse?
Schäfer: Ein Kernergebnis unserer Befragung ist, dass Selbstständigkeit ein bewusst gewähltes Modell der Erwerbstätigkeit ist und auch so gelebt wird. Nur 6 Prozent geben an, dass sie selbstständig sind, weil sich keine abhängige Beschäftigung finden ließ. 90 Prozent geben an, dass ihnen „selbstbestimmtes Arbeiten“ bei ihrer Tätigkeit besonders wichtig ist. 96 Prozent stimmen der Aussage zu, „ich bin mit ganzem Herzen selbstständig tätig“.
Wenn die Ergebnisse Ihrer, aber auch anderer Studien zuvor, immer wieder zeigen, dass Selbstständige, die „aus ganzem Herzen selbstständig” sind, sich auch zufriedener mit der Arbeit fühlen und über ein sehr hohes Maß an Selbstbestimmung und Unabhängigkeit verfügen, wie lässt sich die große Gründungsmüdigkeit und generell schwindende Bedeutung von Selbstständigkeit in Deutschland erklären?
Schäfer: Dafür kann es eine ganze Reihe von Gründen geben, zum Beispiel die gekürzte Gründungsförderung durch die Bundesagentur für Arbeit und mehr Angebote und Möglichkeiten, abhängig beschäftigt zu sein. Eine Rolle spielt womöglich auch ein gesellschaftliches Klima, in dem Selbstständigkeit als riskante und insgesamt wenig erstrebenswerte Erwerbsform dargestellt wird. Letztlich ist alles auch eine Frage der rechtlichen Rahmenbedingungen. In unserer Befragung geben 55 Prozent an, dass sich diese in den letzten 10 Jahren verschlechtert haben, nur 5 Prozent nahmen eine Verbesserung wahr.
Ein Ergebnis der Studie ist, dass Selbstständige vermehrt über Abwanderung nachdenken. Welche Effekte hat immer weniger Selbstständigkeit auf eine Volkswirtschaft wie Deutschland?
Schäfer: Die Entwicklung gibt Anlass zur Besorgnis. Wir müssen Selbstständigkeit wieder attraktiver machen, denn ohne Unternehmer gibt es am Ende auch keine Arbeitnehmer mehr. Innovationen und Fortschritt kommen häufig zustande, indem Menschen im Wortsinn etwas „unternehmen“ und ihre Ideen für bessere Produkte und Dienstleistungen eigenständig in die Tat umsetzen. Eine besondere Bedeutung hat Selbstständigkeit auch im Hinblick auf die Bewältigung des demografischen Wandels. Denn sie bietet einen Mechanismus, knappe personelle Ressourcen gezielt dort einzusetzen, wo sie die höchste Wertschöpfung erbringen.
Was ist Ihr dringlichster Rat in Richtung Politik, um etwas für die Selbstständigkeit hierzulande zu tun?
Schäfer: Da gibt es wahrscheinlich Viele, die sich besser mit Einzelheiten auskennen. Ich kann nur allgemein an die Politik appellieren, Selbstständigkeit nicht als Bedrohung wahrzunehmen, die mit möglichst viel Regulierung einzuhegen ist, sondern als unverzichtbarer Bestandteil eines gesunden und dynamischen Wirtschaftssystems. In dem Zusammenhang ist womöglich das Statusfeststellungsverfahren als behördliche Inkarnation eines grundlegenden Misstrauens Selbstständigen gegenüber am ehesten reformbedürftig.
Vielen Dank für das Interview, Holger Schäfer.
Hier geht’s zur Studie. (Opens in a new window)
..Ok, und jetzt?
Wie Selbstständige sich selbst sehen und wie sie gesellschaftlich und politisch gesehen werden, ist ganz offensichtlich nicht deckungsgleich. Muss man selbstständig sein, um die Selbstständigkeit zu verstehen? Auf Meinungen dazu wäre ich gespannt.
Fakt ist: obwohl die Möglichkeiten selbstbestimmt zu arbeiten vielfältiger geworden sind, hat die Selbstständigkeit in den letzten Jahren stark an Bedeutung verloren. Aber nicht die Möglichkeiten fehlen, sondern die Kultur.
Wenn Leute sich über dich wundern, weil du etwas Eigenes machst, aber nicht, wenn du die traurigste Anpassungskarriere aller Zeiten hinlegst, wenn alle froh und beruhigt sind, wenn der Job einfach und die Brückentage planbar sind, dann bleiben wir persönlich, aber auch gesellschaftlich unter unseren Möglichkeiten. Und überlassen die Gestaltung von Arbeit und Zukunft immer anderen.
Nicht innerlich kündigen, sondern aufbrechen ist gut. Und auch wenn es nicht zu der formalen Gründung führt: Frei sein, oder frei haben? Welchen Deal wollen wir?
Man kann sicher nicht die ganze Arbeitswelt verändern, aber man kann sich fragen, zu welcher Arbeitskultur man selbst jeden Tag beiträgt. Und dann beginnen, seine eigenen Weg zu gestalten.
Von Selbstständigen lernen, heißt lernen Tüchtigkeitsvertrauen (Opens in a new window) zu haben.
Es ist so viel mehr drin.
Warum mehr Selbstständigkeit die Lösung für die erschöpfte Arbeitsgesellschaft ist, kann man in einem Gastkommentar von mir für Welt am Sonntag lesen. Schon etwas älter, aber im Angestelltenland noch lange haltbar. Mein Beitrag zur „Mehr Bock auf Arbeit-Debatte” :
„Die meisten Leute sind nicht ausgebrannt, sondern brennen gar nicht. Und das macht vielleicht unglücklicher, als viele wahrhaben wollen.”
Apropos brennen: „Bürokratie-Burnout” nannte Bundesjustizminister Marco Buschmann den aktuellen Zustand in Unternehmen kürzlich, aber die staatliche Regelungswut gehört zu Deutschland, wie der Ernie zum Bert. Obwohl eigentlich jede Regierung der letzten Jahre Bürokratieabbau versprochen hat.
In der Realität klagt der Mittelstand über immer neue Berichtspflichten und wie wir in der besprochenen IW-Studie von Holger Schäfer et al (Opens in a new window)sehen, macht sie auch vor Soloselbstständigen nicht Halt. Wenn man das Leben von Leuten, denen Selbstbestimmung besonders wichtig ist, mit zu vielen Regeln belegt und ständig mit Prüfung droht, kommen am Ende halt weniger selbstständige Leute dabei heraus:
„35 Prozent überlegen, ins Ausland zu ziehen, während 27 Prozent eine Beendigung ihrer Selbstständigkeit erwägen.” (Zur Quelle (Opens in a new window))
Das ist Wahnsinn. Die erfolgreichen Selbstständigen sind glücklich mit ihrer Arbeit aber frustriert von staatlicher Gängelung. Es denken mehr Selbstständige ans Aufhören, als Nicht-Selbstständige ans Starten. (vgl. Zahl der Woche im letzten Briefing (Opens in a new window)) 😱
Gleichzeitig finden Gründungen jenseits der Startup-Bubble nicht viel politische Beachtung. Obwohl der Ampel-Koalitionsvertrag eine verbesserte Gründungsförderung an mehreren Stellen vorsieht, zB auf Seite 24 (Opens in a new window):
„Wir werden Gründungen aus allen Lebenslagen und eine Kultur der zweiten Chance unterstützen und dafür ein neues Förderinstrument schaffen, das auch für Unternehmensnachfolgen offensteht.”
„Wir schaffen die Voraussetzungen für flächendeckende „One Stop Shops“, also Anlaufstellen für Gründungsberatung, -förderung und -anmeldung. Ziel ist es, Unternehmensgründungen innerhalb von 24 Stunden zu ermöglichen.”
Hm hm, aha?
Immerhin zur Startup-Förderung ist etwas passiert. Eine „Startup-Strategie” wurde beschlossen und den Stand der Umsetzung kann man sich hier ansehen: „Start-up-Strategie der Bundesregierung (Opens in a new window)”
Aber was ist mit all den anderen Gründungsformen? Die häufigste Rechtsform in Deutschland mit Abstand, ist das Einzelunternehmen. Das sind Gründerinnen und Gründer, die solo starten aber später auch Mitarbeiter haben können, bis hin zu feinsten Mittelstandsunternehmen, deren Fokus nicht auf schnellem Wachstum, sondern solidem Unternehmertum liegt.
Ein Grund für schwächelnde Gründungszahlen könnte, wie auch Holger Schäfer oben anmerkt, in der unzureichenden Anerkennung unternehmerischer Ambition im Nicht-Startup-Bereich liegen.
Aber es gibt ein Förderinstrument, das sich außerordentlich bewährt hat. Der Gründungszuschuss aus der Arbeitslosigkeit - auch wenn er nur ehemaligen Angestellten vorbehalten ist, die ausreichenden Anspruch auf Arbeitslosengeld angesammelt haben. Typisch Angestelltenland.
Ein IAB-Bericht zeigt: “Die meisten Geförderten sind auch knapp dreieinhalb Jahre nach der Gründung noch selbstständig (über 80 Prozent). Die Förderung „erhöht ihren Arbeitsmarkterfolg und ihre Jobzufriedenheit deutlich.“ (IAB Kurzbericht 28 | 2021 (Opens in a new window))
Der Zuschuss ist eine Ermessensleistung, aber seit 2023 gilt der so genannte „Vermittlungsvorang (Opens in a new window)” nicht mehr. Ein ganz wichtiges Zeichen, denn dieses nicht unwesentliche Detail führte dazu, dass Gründungswillige bei Eignung vorrangig zurück in Jobs vermittelt wurden, anstatt den Zuschuss zur Gründung zu erhalten.
Auch wenn ich immer sage, schaut nicht aufs Fördergeld, sondern schaut nach euren Kunden, so zeigt sich doch in der Ausgestaltung der Förderlandschaft, ob ein Land den Weg in die Selbstständigkeit ebnet oder verbaut. In Deutschland gibt es zwar hunderte Fördermaßnahmen, aber trotzdem wenig Unternehmertum. Wo ist also der Haken?
Ich glaube, dass für mehr Selbstständigkeit nicht mehr Förderprogramme, sondern ein Mentalitätswandel ausschlaggebend ist. Was dafür geschehen muss, habe ich oft betont. Nachzulesen, zum Beispiel hier:
„Sich jenseits der Anpassungskarriere selbst zu finden und andere davon profitieren zu lassen, ist vielleicht der schönste Grund überhaupt zu arbeiten. Es verdient viel besseren Zugang, viel mehr Anerkennung, viel mehr positive Vorbilder.
Und auch die vernichtende Neidgesellschaft kann man einfach links liegen lassen, wenn es ebenso genug Menschen gibt, die aneinander glauben. Nur so entsteht eine wohlwollende Kultur des Selbstständigkeit, in der unternehmerische Gestaltungslust ein Wert ist, der verteidigt wird.
Da muss jeder bei sich selbst anfangen.Wir Selbstständige müssen Übersetzungsarbeit im Alltag leisten, damit sich die alten Bilder von „selbst“ und „ständig“ langsam durch zeitgemäße austauschen lassen. Auf Politiker darf man nicht warten, sondern man muss sein Leben jetzt leben und sichtbar werden…”
Was gibt diese Woche Schub?
Das unternehmerische Selbstverständnis von Selbstständigen, die mehrheitlich „mit ganzem Herzen selbstständig” sind - die Annahme wissenschaftlich belegt - was könnte mehr beflügeln, als sich dafür einzusetzen, dass mehr Leute den Zugang dazu finden? 🚀
„Saxophon wieder cool machen“. Diese Geschichte hat mich beeindruckt: Andre Schnura, der Saxophonist, der mit seinen Solos zur Fußball-EM einheizt und dadurch mediale Bekanntheit erlangt hat. Wie er auf Instagram (Opens in a new window) schreibt, wurde auch er „aufgrund einer neuen TVöD Regelung gekündigt” - das ist das Ding gegen Freiberufler, das gerade in den Musikschulen (Opens in a new window)läuft. Was macht die Sache trotzdem gut? Der Mann ist nicht aufzuhalten. Kauft seine Saxophone! (Opens in a new window)🥹 🎷
Jeder braucht jemanden, der an ihn glaubt: Ich glaube an die Selbstständigkeit. In diesem Sinne - nicht aufhalten lassen!
Bis nächste Woche!
Cathi ✌️
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