Lisa Zimmermann über die schwierigste Entscheidung und wie es ist, sie verkündet zu haben

Lisa ist uns im Herbst auf Instagram aufgefallen, besonders der Beginn ihres damals letzten Beitrages: “Jetzt fehlt der Sonnenschein in unserer Klasse” – ein vielsagender Satz ihrer Mitschülerin. Seit dem Post hatte sie sich schon über ein Jahr lang aus der Öffentlichkeit zurückgezogen. Dann kommt der 1. Dezember 2022. Ein Video mit ihren großen Turn-Momenten, untermalt mit dem Song How Do I Say Goodbye erscheint auf ihrem Account. Darunter verkündet sie das Ende ihrer Sportkarriere. Damit haben wir nicht gerechnet und können nur erahnen, wie schwierig die Entscheidung war.
Interview Florian Saeling Fotos Marcel Ristau
Wenn wir noch gar nichts über deine beendete Turnkarriere wüssten, wie stellst du dich heute vor?
Also meistens sag ich nur „Ich bin Lisa” und erzähle eigentlich gar nicht, dass ich Turnerin bin oder war. Weil ich habe immer das Gefühl, dann werde ich immer nur darauf beschränkt, dass ich Sportlerin bin. Deshalb sage ich das eher ungern.
Wie viel hat dein Weg als Leistungssportlerin trotzdem heute noch mit deinem Leben zu tun?
Schon einiges. Zum Einen habe ich super viele Kontakte dadurch geknüpft und Freunde überall in Deutschland verteilt. Aber auch die Erfahrungen die ich gemacht habe. Ich konnte aus allem so viel mitnehmen, dass ich jetzt für's weitere Leben ganz gut gewappnet bin.
Was zum Beispiel?
Einerseits mit Drucksituationen umzugehen und andererseits auch, wenn's mal schwierig ist und nicht so gut läuft, dranzubleiben und sich durchzukämpfen sozusagen.
Das hast du ja vor allem im Bundeskader gelernt, nachdem du mit 14 Jahren ins Internat nach Chemnitz gegangen bist. Wie war die Entscheidung für dich? War denn deine Leidenschaft für's Turnen so groß, dass du dafür alles gemacht hättest? Oder war das schon ein schwieriger Schritt, dorthin zu gehen?
Eine Mischung aus beidem. Es war schon schwierig und ich hatte am Anfang total Heimweh. Aber ich habe mir dann gesagt, was auch meine Eltern mir immer gesagt haben:
Ich will mir später nicht vorwerfen, dass ich es nicht mal versucht habe.

Und wenn ich erstmal hingehe und merke, mir gefällt es nicht, kann ich immer noch nach Hause. So hatten wir das dann auch mit der Schule geklärt, dass ich diese Möglichkeit habe.
Ich kenne das Internatsleben nicht, aber man kann dort sicher nicht alles machen, was andere Jugendliche zu Hause können. Hat dich das gestört oder hast du für den Sport gerne zurückgesteckt?
Mal so, mal so. Ich hab mir schon manchmal gedacht, das ist jetzt meine ganze Jugend und ich verpasse vielleicht irgendwas. Andererseits habe ich durch den Sport so viel erlebt, was andere nicht erleben durfte. Ich bin um die Welt gereist. 2018 war ich in fünf Ländern oder so. Das war schon echt cool. Deshalb habe ich immer gesagt, dafür lohnt es sich trotzdem.
Hast du zu der Zeit viel Druck von innen gespürt, dass du viel leisten musst?
Am Anfang in Chemnitz noch gar nicht so sehr. Ich war ja mit 14 noch relativ jung und dachte, es erwartet jetzt auch niemand so viel von mir. Ich habe einfach mein Bestes gegeben und nach einem halben Jahr bin ich dann in den Bundeskader gekommen. Das ging dann ganz schnell.
Dann hatte ich immer mehr Erfolge und habe mir innerlich den Druck gemacht, dass es so weitergehen muss und andere von mir auch erwarten, dass ich abliefere. Ab da hat's nicht mehr ganz so viel Spaß gemacht, weil ich immer allen Erwartungen gerecht werden wollte.
Hat das mehr mit dir zu tun gehabt oder mit dem Leistungssport an sich?
Um weiterlesen zu können, musst du Mitglied werden. Mitglieder helfen uns, unsere Arbeit zu finanzieren, damit wir langfristig bestehen bleiben.
Abo wählen (Opens in a new window)
Already a member? Log in (Opens in a new window)