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Zwischen Alltagschaos, Ängsten und dem Zauber des Lebens

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Heute schreibe ich im Cafe. Eine Ausnahme. Meine Stunden werden weggefressen von Schriftkram und Kücheaufräumen und Wäschefalten und Emails. Eine Peripherie aus täglichem Klein-Klein, das mich davon abhält zum Kerngeschäft vorzudringen. 

Ich will ehrlich mit euch sein: Ich schiebe die Alltags-Aufgaben dem Schreiben vor. Nicht, weil ich sie bevorzuge, sondern weil ein leeres Word-Dokument und ein blinkender Cursor immer noch dieselbe Panik in mir auslösen wie vor 5 und 15 Jahren. Sie wird mich nie verlassen, die Angst davor, dass die Seite leer bleiben könne. Oder noch schlimmer: Dass mir nichts mehr einfällt außer Plattitüden und Langweile.

Aber heute habe ich das Leben am Schopf gepackt, – man muss wirklich die Gelegenheiten beherzt an sich reißen! – fuhr das Kind zum Konfirmandenunterricht und plante einen Besuch im nahe gelegenen Café. „Da sitzen um die Uhrzeit nur Omas und Opas“, lachte meine Tochter und fügte mit einer Spur Grausamkeit hinzu: „Du passt da ja super hin mit deinen 50 Jahren.“ 

Ich suchte mir im vollen Cafe einen Platz. Die Luft sirrte vor Stimmen und Gesprächen und Löffelgeklapper. Bevor ich den Laptop aufklappte, wanderte mein Ohr von Tisch zu Tisch. So viele Geschichten. Jedes Leben eine Welt für sich. Mein kleines Leben, ja auch das ist eine Welt für sich. Je älter ich werde, desto mehr Geschichten versammele ich in mir. Und auch jetzt, in diesen Januartagen schreibt sich meine Geschichte fort, auch wenn nichts Weltbewegendes passiert. Mein Leben ist erschreckend unspektakulär, alltäglich, unscheinbar und ich genieße diese harmlose Gleichförmigkeit schamlos. 

Und doch schwingt Ambivalenz mit. Denn ich hadere auch mit einigen Aspekten meines Lebens, vor allem mit dem Alleinsein. Mit dem Alltagsgrau in der Stadt und den Panikzuständen auf Arbeit (Schaffe ich das? Kann ich das?). Ich vermisse das Arbeiten mit den Händen, den Garten, das Grün, die Freunde, die Eltern.
Alle Kräfte fließen in die Arbeit, das Schreiben, das Organisieren unseres Alltags, die Kinder.

Dieses Leben, es ist gerade wie ein ausgelatschtes Paar Pantoffeln. Und ich schiele nach den schicken High Heels. Obwohl ich weiß, dass ich darin sehr viel schlechter laufen kann und sofort Blasen an den Zehen bekomme.

Aber vielleicht muss ich mir das Wunder, welches mein kleines Leben inmitten dieser vielen Leben ist, wieder vor Augen malen. 

Ich habe ein Zuhause, das ich liebe. Ja, ich werde nicht für immer in diesem Haus bleiben, denn unsere Trennung wird den Tribut des Umzugs fordern. Aber vorerst bleibe ich hier. 

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Ich kann mir jeden Morgen eine Tasse Kaffee machen, auf die ich mich schon am Abend zuvor freue. Im Garten blühen die ersten Winterlinge und ich darf sie dabei beobachten. Über meinem Grundstück jagen dicke Wolken über den Sturmhimmel und sorgen für ein dramatisches Spiel von Licht und Schatten. Eine Kastanie ist umgefallen, Gott sei Dank, hat sie den Kaninchenstall verfehlt.

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Das Rotkehlchen im Vorgarten sucht nach den Sonnenblumenkernen, die ich dort verstreut habe. Im Bad liegt ein neuer Teppich, den ich aus alten T-Shirts gehäkelt habe (Anleitung hier (Opens in a new window) und hier (Opens in a new window)).

Ein Päckchen mit neuem Saatgut ist angekommen und eigentlich wollte ich ja mit dem Garten kürzertreten, aber wie kann ich etwas beschränken, das ich so sehr liebe und das mich zutiefst beglückt. Atlasblumen und Teefenchel und Chocolate Striped Tomatoes und Zinnien, ihr dürft auch diesen Sommer wieder wachsen. 

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Ich habe Freunde. Und eine Familie. Alle sind sie – wie auch ich – fehlerhaft und mit zunehmendem Alter von Macken gekennzeichnet. Auch wenn ich zum Rückzug tendiere (bitte entschuldigt, liebe Freunde und Familie, ich bin noch im Winterschlaf), so weiß ich doch, dass ich im Notfall ein Netz habe, das mich auffängt. Vielleicht bin ich sogar eines Tages wieder in der Lage, andere aufzufangen. Die Kraft kehrt zurück, ganz sicher. Nur noch nicht jetzt.

Ich muss mich kein bisschen langweilen. Da sind meine Bücher und meine Stifte. Mein Schreibzeug und das Klavier. Die Waldwege und die Stricknadeln und Cafés. 

Ich habe meinen Körper, der funktioniert wie eine geölte Maschine. Da kann meine 14-jährige noch so sehr über mein Alter spotten, ich schaffe mehr Situps und Liegestützen als sie. Er trägt mich die Berge hinauf und wieder hinunter. Mein Körper dankt es mir, dass ich ihn nicht versuche in eine Form zu pressen und ihn seit einigen Jahren wie eine unersetzbare Kostbarkeit behandle. Ich bin fitter und gesünder als ich es mit 25 und 35 und 45 war. Auch wenn so mancher das Gegenteil denkt, weil ich heute schwerer bin, als ich es mit 25 und 35 und 45 war. 

Ich sitze immer noch im Café, die Sonne scheint nun schräg durchs Fenster. Der Milchschaum in meiner Tasse ist kalt geworden. Neben mir sitzt ein älteres Ehepaar. Sie sonnen sich. Der Kopf der Frau liegt auf der Schulter des Mannes. Vor ihnen dampft es aus ihren Tassen. 

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Gleich kehre ich nach Hause zurück. In mein Haus, meinen sicheren Hafen. Dann hole ich Holz aus dem Schuppen, zünde ein Feuer im Ofen an. Im Wohnzimmer herrscht gemütliche Unordentlichkeit, zerknautschte Kissen, hingeworfene Decke, Bücherstapel, leere Teebecher, Haarbürsten, Ladekabel. Und ausgelatschte Pantoffeln. Ich werde sie mir anziehen und damit in meinem Leben herumlaufen. Das Wetter wird umschlagen: Regen ist vorhergesagt. Er wird an die Scheibe trommeln wie ein wütendes Kind, das hereingelassen werden will. Einige Stürme werden wir noch aushalten müssen, bevor der Frühling kommt. 

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