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Frosch am Galgen

23. Februar 2024

Liebe Lesende,

in Lübben hat es in den vergangenen Tagen mehrere fremdenfeindliche Aktionen gegeben, im Kreistag Anfragen zur Flüchtlingspolitik und kommende Woche demonstriert erneut die Bürgerinitiative “Unser Lübben - Wir wollen keine Containerdörfer” (BI). Ob diese Dinge zusammenhängen, wird derzeit vom Staatsschutz untersucht. Thematisch haben sie auf jeden Fall einen Zusammenhang. Doch der Reihe nach.

Wie berichtet sind am Montagabend vergangener Woche in Lübben Plakate verteilt, worden, die sich gegen Migration richten. Dazu hatten sich nach Polizeiangaben (Öffnet in neuem Fenster) mehrere Personen in der Parkstraße versammelt, um die Plakate an Bauzäunen anzubringen. Von zwei Personen hat die Polizei die Personalien aufgenommen. In der Parkstraße soll in diesem Jahr auf einem Privatgrundstück eine neue Unterkunft für bis zu 90 Geflüchtete entstehen. Die Ermittlungen wurden dem Staatsschutz übergeben, der für politisch motivierte Kriminalität zuständig ist.

Eine Woche später wurde an einer Lärmschutzwand in der Parkstraße ein Galgen mit Frosch und einem rassistischen Wort aufgefunden, auch hier ermittelt der Staatsschutz. Die Comic-Figur „Pepe der Frosch“ wurde Mitte der 2010er Jahre in den USA von weißen Rassisten der Alt-Right-Bewegung vereinnahmt und gilt nach Informationen (Öffnet in neuem Fenster) der Landeszentrale für politische Bildung “weltweit als Symbol für einen modern auftretenden digitalen Rechtsextremismus”. Auch das Bundesamt für Verfassungsschutz verweist in einem Bericht (Öffnet in neuem Fenster) von 2022 auf diese Bedeutung.

Nur einen Tag danach wurde an einem Brückenpfeiler die Aufschrift “Familie xxx wird brennen” gefunden, wobei es sich um den Namen des Grundstückseigentümers für die Geflüchteten-Unterkunft handelt. Darunter stand eine Telefonnummer. In allen Fällen ermittelt der Staatsschutz.

Parallel zu diesen Aktionen wurden in den vergangenen Tagen Flugblätter mit dem Titel “Nein zum Containerdorf - Die Entscheidung ist hinter Deinem Rücken gefallen” verteilt. Darunter sind jede Menge Halb- und Unwahrheiten zur Kriminalität von Geflüchteten aufgeführt, es wird danach gefragt, ob der Staat die “volle Verantwortung für die Bürger und dessen Unversehrtheit” übernimmt, ob die Polizeipräsenz erhöht wird und was die Unterkunft kostet. Der Flyer endet mit der Aufforderung “Mache Dich stark für deine Heimat und sage Nein!”

Das Flugblatt wurde von einem Facebook-Nutzer auf der Fanpage (Öffnet in neuem Fenster) der BI gepostet mit der Frage “Servus lübbener..ist das jetzt echt?” (sic). Der Seiteninhaber antwortete daraufhin “ja leider ist es so”. Das Posting wurde inzwischen entfernt, stattdessen findet sich jetzt dort die Information, dass diese Seite “in Abstimmung mit den Gründungsmitgliedern der Bürgerinitiative geschlossen” werde, “da genau diese nicht den Zugriff auf diese Seite haben”. Momentan werde “mit Mitteln gegen die BI versucht vorzugehen, dessen Erläuterung hier den Rahmen sprengen würde”. Das Schließen dieser Seite geschehe “nur zu unserem Selbstschutz”. Wer genau keinen Zugriff auf die Seite hat und wer trotzdem dort solche Postings verfasst, ist völlig unklar, ebenso welche Gründungsmitglieder eigentlich gemeint sind.

BI-Gründungsmitglied Nancy Schendlinger, die auf zahlreichen Fotos der Facbeook-Fanpage zu sehen ist, fragte derweil in der Kreistagssitzung am Mittwoch in der Einwohnerfragestunde den Landkreis, wie es sich mit der Vertragslaufzeit und möglichen Verlängerungsmodalitäten der geplanten Unterkunft in der Parkstraße verhalte. Sie forderte eine “Offenlegung der sämtlichen Kosten” für “Bau, Nebenkosten und Miete” ein. Außerdem wollte sie wissen, wie der Kreis den Bürgern begegne, “die mit Ängsten nach vorn schauen”. Schließlich sei nicht bekannt, ob alleinstehende Geflüchtete oder Familien in die Unterkunft kämen. Auch die Fraktion “Stimme für Brandenburg” (vormals AfD) hatte Fragen zur Situation Geflüchteter.

Sozialdezernent Stefan Wichary verwies darauf, dass es bereits im vergangenen Jahr ein längeres Gespräch mit Nancy Schendlinger und weiteren Mitstreitern der BI gegeben habe, in dem dargelegt wurde, dass der Landkreis Geflüchtete auf Zuweisung des Landes Brandenburg unterbringen müsse. Wer das sei, sei höchstens zehn Tage vorher bekannt. “Wer hierbei Ängste konstruieren möchte, der hat leichtes Spiel”, sagte er. Den Erfahrungen des Landkreises zufolge seien Ängste unbegründet, insbesondere im Hinblick auf die bestehende Einrichtung in Lübben. Sämtliche Kosten bekomme der Kreis vom Land erstattet, deshalb müsse man dazu in den Landeshaushalt schauen.

Nach Informationen des Landkreises sind im vergangenen Jahr 833 zugewiesene Flüchtlinge und Asylbewerber aufgenommen worden - gut halb so viele, wie vom Land ursprünglich angekündigt worden waren. Für dieses Jahr wurde demnach ein Aufnahmesoll von 1.202 Personen mitgeteilt

Am kommenden Dienstag nun demonstriert die BI zum dritten Mal in diesem Jahr auf dem Lübbener Marktplatz. Es soll “Mahnfeuer & Bürgerdialog” geben - “alle Bürger Hand in Hand”, “unser Geld für unser Land” sowie “Neuausrichtung der Politik und gelebte Demokratie” sind als Ziele formuliert. Ähnlich diffus (Öffnet in neuem Fenster) waren bereits die Ziele einer Demo am 13. Januar umschrieben. Das bei der Polizei angemeldete Thema lautete damals „Zusammenschluss von Landwirten und Handwerkern/Gewerbe/Bürgern“ und „fehlgeschlagene Migrationspolitik, und nun auch Landwirtschaftspolitik“. Das Stichwort Migration fiel auf dem Flyer nicht.

Die Lübbener BI war im vergangenen Jahr mit Unterstützung der AfD gegründet worden. Auch wurde eine Demonstration im November in Lübben technisch von der AfD unterstützt. Derzeit halten sich bekannte AfD-Vertreter von den Demos der BI fern. Vor der Kreistagssitzung am Mittwoch trafen sich BI-Mitglieder und weitere Mitstreiter in einer Lübbener Bäckerei. Am Nachbartisch saßen Kreistagsmitglieder der AfD.

+++ “Auf Augenhöhe” - das war wohl der am häufigsten verwendete Begriff, als Landrat Stephan Loge am Mittwochabend aus seinem Amt verabschiedet und sein Wirken für den Landkreis gewürdigt wurde. Der Kreistagsvorsitzende und Moderator des kleinen Überraschungsempfangs Georg Hanke verwendete ihn, als er als die anwesenden Bürgermeister und Amtsdirektoren aus dem Landkreis begrüßte. Der Landrat habe, so Georg Hanke, “manchmal beharrlich eine abweichende Meinung” ihnen gegenüber gehabt, sei ihnen aber immer mit Professionalität und “auf Augenhöhe” begegnet. Und auch in Bezug auf die Zusammenarbeit mit über 1.000 Verwaltungsangestellten sowie den Kreistagsmitgliedern nutzte Georg Hanke diesen Begriff.

Wie auch andere Redner hob der Kreistagsvorsitzende hervor, dass Stephan Loge sein Amt 24 Stunden am Tag ausgeführt habe - er sei immer ansprechbar gewesen, dabei bodenständig geblieben und den Menschen zugewandt. Bei allem habe es eine Grenze gegeben: Der Landrat habe “keinen Spaß bei rechtem Gedankengut und Angriffen gegen die Demokratie” verstanden. Ebenso wie andere Redner schloss Georg Hanke seine Rede mit der Hoffnung, dass sich Stephan Loge künftig ehrenamtlich einbringen werde. “Einen Landkreis ohne dich kann ich mir nicht vorstellen”, sagte er.

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