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Die Stärke der AfD erklärt, oder: vom Arschloch-Repräsentationsdefizit in der deutschen Politik

Foto: Martin Langer



Liebe Leute,

Deutschland redet sich 1, die Stärke der AfD entstünde aus korrigierbaren Fehlern der demokratischen Parteien, sei ergo vergänglich. Leider ist die Stärke des Faschismus, genauer gesagt, die Stärke der Faschisierungstendenzen, strukturell bedingt, nicht zufällig. Daher hier eine Analyse dessen, was der kluge Jan Leidecker das „Arschloch-Repräsentationsdefizit“ in der deutschen Politik nannte.

Links-grüne Hegemonie(n)?

Es gibt ja diesen Begriff der "links-grünen Hegemonie(n)", gegen die die Rechten so beherzt kämpfen, und natürlich denken wir uns da: "Hang on, wieso Hegemonie? Patriarchat, neoliberaler Kapitalismus, etc., sind doch alle noch am Start; wieso Hegemonie? Weil es sich hier um ein Verständnis von "Hegemonie" handelt, das vor allem auf der Ebene von Werten und Erzählungen angelegt ist: was ist gut, was ist schlecht, was "darf" man sagen, was nicht, ohne aus dem Konsens der wohlmeinenden Menschen herausdefiniert zu werden. Und hier müssen wir durchaus konstatieren, dass 150 Jahre progressive Soziale Massen-, aber auch minoritäre Bewegungen, durchaus einiges erreicht haben (klar, cf. Boltanski/Chiapello: die Ziele mancher dieser Bewegungen ließen sich gut in die neoliberale Offensive einbetten):

Die meisten Menschen in Deutschland reagieren immer noch merkbar auf in der Öffentlichkeit stattfindende queere Zärtlichkeit/Lebensweise, aber (in ihrem Kopf) "sagen müssen wir, dass wir das gut finden, weil man sonst Gott weiß was von uns denken würde". Or take the issue of race: auch hier ist es so, dass sehr viele Menschen rassistische Ressentiments empfinden (ich finde auch in mir Residualrassismen), aber die Angst haben, beim artikulieren dieser Ressentiments - die für sie normal sind - als schlechte Menschen zu gelten."

Arschlochmehrheiten

Ich könnte das jetzt zu den Themen Klima und trans, Veganismus & Fliegen, Feminismus,, "internationale Entwicklungshilfe" und vielen mehr durchdeklinieren, aber die Struktur wäre immer die selbe: die verbleibende "bürgerliche Öffentlichkeit" (cf Habermas) und damit auch der Kern des Parteiensystems, existiert, oder gibt vor, im Rahmen eines Werte- und Wissenssystems zu existieren (Wissenschaftsbasiert, enlightened, rational, und vor allem: die Würde aller Menschen anerkennend), dass die realen Werte vieler Menschen hierzulande nicht abbildet: Denn den meisten dieser Deutschen, einschließlich der angeblich erleuchteten Bürger*innentums, doesn't give a flying fuck (or not enough of a fuck) über die Leben anderer, wenn sich damit auseinanzusetzen anstrengender ist, als nen Kurzbericht in der Tagesschau zu sehen.

Klima? Jetzt reicht's aber auch, wir haben zwar noch nix gemacht, aber wir fanden das schon zu viel. Queers: jetzt ist's aber auch genug, wir haben deren Marotten lange toleriert, jetzt aber mal zurück in den Schrank. Migration? Nee, wirklich nicht. Nur die nützlichen. Das könnte ich jetzt im Detail zu jedem Thema machen, aber wieder ist die Struktur die selbe: Deutsche sind viel größere Arschlöcher, als der offizielle Diskurs es vermuten ließe

Victorian England didn't openly talk about itself as so repressed a society that its members shat diamonds from all the pressure up their asses, aber es ist wichtig, weil dieser Disconnect zwischen der mehrheitlichen Arschlochigkeit und der Heuchelei der Parteien ein Problem darstellt. Zitat Leidecker: “Die AfD ist die politische Antwort auf das real vorhandene Repräsentationsdefizit schlechter Menschen in Deutschland. Sie verkauft nicht Frust oder Protest, sondern Befreiung & Erfüllung. Die Politik der Enthemmung entfaltet enorme Bindewirkung.

Ich sehe das ähnlich: Der Anstieg der AfD-Umfragewerte ist nicht die Schuld der linksgünen Wokeria, und auch nur teilweise der rechtsblinkenden Union und FDP: er repräsentiert den zunehmend zum trumpesque-schamfreien Arschloch-Sein tendierenden doitschen Volkswillen.

Schamfrei Arschloch sein wollen

Europa, der europäisierte globale Norden hat der Welt untold und unheard of misery und destruction gebracht. We came up with ways of torturing people & destroying the world, die uns zur kollektiv herrschenden Klasse der Welt gemacht haben (zumindest ein paar Jahrhunderte lang). Jetzt ist die Welt am Arsch, und wir werden einen Teufel tun, uns dafür die Schuld anzuziehen (mein Vater versteht nicht, dass die Tatsache, dass er mir als schwulem Jungen beibrachte, meine Gefühle, meinen Körper und meine Wünsche zu verdrängen evtl. nicht so gut für mich war).

All das ist mit faschistischem Gedankengut leichter und mit niedrigeren Transaktionskosten (Anpassungen) zu erreichen, als mit anderen Ideologien unf Parteien. Die AfD hat von Trump gelernt, dessen Appeal nicht auf Policies/Geschichten basierte, sondern eben auf schamfreiheit. Niemand will Scham fühlen. Shame sucks. Stellt das ganze Subjekt in frage. Und die Zukunft wird so aussehen: entweder übernehmen wir Verantwortung, oder wir tun dies nicht. Die Entscheidung ist getroffen (incl. die Grünen): nein, Deutschland wird keine Verantwortung übernehmen.

Also muss das keine-Verantwortung-übernehmen zuerst verdrängt werden; dann begründet; und dann im Angriff auf die Werte (und diejenigen, die sie artikulieren oder den VErdrängenden an sie erinnern), die verletzt werden. & das kann der Faschismus am besten. QED und: alerta!

Mit antifaschistischen Grüßen,

Euer Tadzio

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