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Einsamkeit
Der Mann strahlte Ruhe und Genügsamkeit aus. Tag für Tag sah die Frau ihn vor dem Haus sitzen, in das sie gerade eingezogen war. Im Erdgeschoss war ein Bar, die um sechs Uhr abends öffnete. Punkt sechs Uhr saß er da, immer direkt am kleinen Tisch neben ihrer Haustür. Er war nicht der einzige der Stammgäste für die diese Bar, die außer einer Menge schlechter Weine nur Kleinigkeiten zu essen bot, Punkt sechs Uhr der Fixstern war. Die meisten Leute, die sich dort zuallererst einfanden, waren ältere Herrschaften, Alt-68er, wie die Betreiber des Lokals. Erst gegen acht füllten Jüngere den Laden, wenn sie ihre Büros und Kanzleien, die ihnen das Wohnen in diesem inzwischen sehr teuren Stadtteil, der einmal von Handwerkern, kleinen Geschäftsbetreibern bewohnt gewesen war, ausgespien hatten. Es waren nicht die Preise, die die jüngeren Leute, die Zugezogenen, anzog. In der Straße bekam man für den gleichen Preis weitaus besseren Wein zu trinken. In einem gänzlich gentrifizierten Stadtteil wie diesem, mit seinen einfachen, nach all den Bausünden der letzten siebzig Jahren geradezu schönen, wenn auch schlichten Häusern aus der Jahrhundertwende, bot diese Bar etwas von Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit. Jeder wurde geduzt, jeder hatte sich sein Glas am Tresen selbst abzuholen und jeder bekam ab dem zweiten Besuch unerbeten Sprüche, wie sie einem die eigene Mutter an den Kopf geworfen hatte oder, im Nachklapp betrachtet, hätte werfen sollen.
Der Mann saß stets allein an dem kleinen Tisch neben ihrer Haustür, nie auf einem anderen Platz. Er sah vor sich hin, ohne, dass er den Eindruck erweckte, seine Umgebung oder die Passanten sonderlich zu registrieren.
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