Leiser Abschied in Ottensen
Ein letztes Mal die Fischsuppe essen, Käsespätzle, Bratkartoffeln oder die grandiosen Austernpilze. Das ist nur noch die kommenden vier Wochen möglich in der Filmhauskneipe in Ottensen. Dann schließt das sympathische Kneipenrestaurant, das den Hamburger Stadtteil einige Jahrzehnte mitgeprägt hat, ein mexikanischer Tacos-Laden übernimmt.
Die Filmhauskneipe gehört zu dem Komplex der Zeise-Hallen mit seinem schönen Innenhof. Bis 1979 residierte hier die traditionsreiche Schiffsschraubenfabrik Theodor Zeise (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre), deren Insolvenz steht für den strukturellen Umbruch und einen Neuanfang in Ottensen. 1980 zog das Filmhaus nebst Kneipe in die Hallen ein, in der Umgebung am Alma-Wartenbergplatz, der damals noch Friedenseichenplatz genannt wurde und aus einer kleinen Verkehrsinsel bestand, entstanden heute legendäre Kneipen wie das Familieneck, Aurel und Quer sowie das schon länger geschlossene Insbeth.
Anfangs hatten es diese Läden in dem Arbeiterquartier jedoch schwer, sie standen an dem Industriestandort symbolisch für eine ungewünschte „Schickimickisierung“, es gab viele Proteste gegen die „Medientrasse Friedensallee“, das ebenfalls dort gelegene Restaurant Eisenstein wurde sogar besetzt und kurzfristig in eine „Volxküche“ umgewandelt.
Doch relativ schnell kehrte Frieden in der gleichnamigen Allee ein. Vor allem in der Filmhauskneipe, einst Konferenzraum der Zeise-Fabrik, trafen sich bekannte Filmschaffende wie Hark Bohm und Dieter Kosslick mit anderen Kreativen. Spätestens als dann nebenan das Zeise-Kino mit viel Industrieromantik eröffnete, war dieser mittlerweile einer Immobiliengesellschaft gehörende Gebäudekomplex aus Ottensen mit seiner ganz besonderen Atmosphäre nicht mehr wegzudenken.
Doch nun möchte Wirt Ewald Kuhn seinen wohlverdienten Ruhestand antreten, der Mietvertrag wurde gekündigt. Am 28. März 2024 wird die im Jahr 1980 eröffnete Filmhauskneipe zum letzten Mal öffnen, abends wird das Team dann gemeinsam Abschied feiern. Ein Stück Ottensen verschwindet, ein Teil, der vor gar nicht allzu langer Zeit noch neu und umstritten war, jetzt aber bereits sehr vermisst werden wird.
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