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Fundstücke zu Ostern

Lieber Leserschaft,

die 50 haben wir verpasst, heute erscheint „Unter der Wolkendecke“ bereits zum 55. Mal – mit einer besonderen Ausgabe. Im Herbst 2023 gestartet, erhalten nun immerhin 170 Personen diesen Newsletter. Einige von Euch unterstützen die kreative Arbeit ja schon durch eine freiwillige Mitgliedschaft. Damit ich mir weiterhin Zeit für die Texte nehmen oder „Unter der Wolkendecke“ vielleicht auch mal öfter verschicken kann, freue ich mich über jede kleinere oder größere Unterstützung, die man hier leisten kann:

Doch nun zu den „besonderen“ Inhalten dieser Ausgabe. Bereits 2006 und 2007 schrieb ich einen Blog über kleine Beobachtungen aus Hamburg, der sich „Wolkendecke“ nannte. Einige Beiträge aus dem Jahr 2006 möchte ich nun noch einmal veröffentlichen: teilweise nostalgisch, manchmal aber auch irgendwie zeitlos. Viel Spaß beim Lesen und schöne Osterfeiertage.

 

Die Zeit steht still und es wird Herbst (22.10.2006)

Am schönsten in Hamburg fallen die Blätter im Jenischpark. Der Herbst – spät dran dieses Jahr. Drachen steigen, der Fluss glitzert. Die Containerschiffe werden immer größer. Sie bringen Unterhaltungselektronik, Billigklamotten und Drogen in die Stadt. Nur noch wenige Kilometer. Kalt ist es nicht.

Doch besser als im Taxi zu weinen (24.10.2006)

Der HVV-Bus 36 fährt von der Innenstadt in die Elbvororte. Meistens füllen feine Damen mit der Endstation Blankenese die Sitzreihen. Diesmal steigt jedoch eine ältere Frau mit einem stark tätowierten Mann an der Hand ein. Am Gorch-Fock-Wall fällt der Blick auf die Strafjustizgebäude. "Hier hast du bestimmt auch schon gesessen", fragt die Frau. "Na klar", lautet die Antwort. Schweigen im Bus. Dann erneut die Frau: "Ist aber eine schöne Gegend". "Jo", sagt der Mann. Beide steigen schon auf der Reeperbahn aus.

Es müsste immer Musik da sein (25.10.2006)

"Absolute Giganten" ist wahrscheinlich der größte Hamburg-Film. Auch und besonders dann, wenn man ihn nach langer Zeit mal wieder anschaut. Sieben Jahre ist das jetzt schon her. Ob Floyd seine beiden Freunde vermisst? Und wie geht es Telsa? The Notwist basteln ja an einem neuen Album – vielleicht gibt das Antworten. Ach, die Anmeldung zum Kickerturnier nicht vergessen.

Fortgesetzter Lochfraß (26.10.2006)

Im Schanzenviertel klafft ein großes Loch. Genauer gesagt an der Ecke Schulterblatt / Juliusstraße. Vermisst wird dort seit einigen Tagen der Grill-Imbiss International. Der verehrte Laden wurde komplett abgerissen und soll demnächst neu aufgebaut werden. Schickimickisiert natürlich - wie so vieles in der Schanze.

Plan B (30.10.2006)

Sonntagmorgen im Fundbureau. Harte Industrial-Musik beschallt den Laden. S-Bahnen, gefüllt mit Nachtmenschen, rattern passend dazu über die Sternbrücke. Auch der Regen prasselt unaufhörlich herab, es riecht nach November. Ein Gast lehnt betrunken am Tresen: "Die Mischungen sind mir hier zu stark, ich gehe jetzt zur Tankstelle und kaufe mir meine eigene Flasche Whisky".

 

Im Kontorhausviertel (06.11.2006)

Geht man in der Altstadt die Kattrepelsbrücke entlang, dann zweigt nach einigen Metern der Schopenstehl und später der Hopfensack ab. Wunderbare Straßennamen sind das. Es locken Kneipen wie der "Alte Schiffertreff" oder kleine Geschäfte, die zum Beispiel seit dem Jahr 1796 Tee verkaufen. Besonders auf dem zweiten Blick ist es schön im Kontorhausviertel. Und mitten zwischen Einkaufsstraßen und Speicherstadt sind auch die Touristen plötzlich verschwunden.

 

Die grauen Schwestern von St. Pauli (10.11.2006)

Seit 1903 sind sie präsent auf dem Kiez, die Schwestern der Sankt-Joseph-Gemeinde. Wer kennt sie nicht, die hilfsbereiten Frauen an der Großen Freiheit mit ihren grauen Ordenstrachten. Heute gehen die beiden letzten verbliebenen guten Seelen in Rente, sie ziehen in ein Altenheim. Nachwuchs gibt es nicht.

 

Das Spiel fällt aus (13.11.2006)

Hunderte Fans pilgerten am Sonntag zur Adolf-Jäger-Kampfbahn. Dort sollte Altona 93 auf Arminia Hannover treffen, doch die Partie der Fußball-Oberliga wurde abgesagt. Angeblich wegen der vielen Regenschauer, die den Platz unter Wasser gesetzt hätten. Nur ein älterer Herr schien mehr zu wissen: "Genau der gleiche Mist wie gegen Concordia vor 30 Jahren", rief er erbost und verschwand. 

Kleine Pause (16.11.2006)

Die Wohlwillstraße am Mittwochabend gegen 19 Uhr: Die Bars sind noch nicht geöffnet, die Stammgäste der Eckkneipen haben bereits Feierabend. Für einen kurzen Moment ist St. Pauli ruhig. Kein Flaschengeklirre, keine Autogeräusche, kein Wochenendlärm. Ganz leise hört man sogar das Brummen des Hafens. Plötzlich bellt ein Hund - das Leben geht weiter.

 

Das Licht ist aus (28.11.2006)

Fährt man morgens die Reeperbahn entlang, dann geht der Blick automatisch zum Lehmitz. Neugier auf Leute, die vom Vortag übrig geblieben sind, mischt sich mit der Erinnerung an dort durchzechte Nächte. 365 Tage im Jahr war immer durchgehend geöffnet. Doch seit einigen Wochen ist der Laden vormittags verschlossen und dunkel. Sogar die für ihre Versifftheit berühmten Toiletten wurden renoviert. Man kennt keinen, der seitdem im Lehmitz war.

 

Vom Hafenrand verbannt (01.12.2006)

Die Große Bergstraße war einmal Deutschlands erste Fußgängerzone. Das sieht man ihr auch an. Ein großer Betonkasten, in dem früher Karstadt sein Sortiment ausstellte, beheimatet nun für ein Jahr das Hafenklang. Der legendäre Club hat seinen Stammplatz am Fischmarkt zwecks Umgebungsanpassung geräumt. Heute eröffnet das "Hafenklang Exil".

 

Aus der Bahn (04.12.2006)

Die Fans des FC St. Pauli hatten beim 2:0 gegen Magdeburg endlich wieder guten Fußball gesehen. Entsprechend aufgeräumt war die Stimmung nach dem Spiel. Die U-Bahn schoss gerade an den Landungsbrücken raus, als bei einem Mitreisenden das Handy klingelte – mit der Hymne des HSV. Der Mann wurde rot, doch die vielen braun-weißen Anhänger um ihn herum stimmten gut gelaunt in das Liedchen ein. Verloren hat Stellingen in Bochum trotzdem.

 

Einmal muss es vorbei sein (10.12.2006)

Fußballstadien leben von ihrem Mythos. Werden sie abgerissen, dann geht das nicht ohne ergriffene Anhänger. So auch beim FC St. Pauli - nach dem Spiel gegen Wuppertal geht es nun bald der Südtribüne an den Kragen. Akustisch und optisch wurde der Abend gefeiert wie man es am Millerntor kennt. Am schönsten jedoch das T-Shirt, welches in einem Teil der Südkurve zum Abschied getragen wurde: "Meckerecke – unzufrieden seit 1910".

 

Wie es früher einmal war (15.12.2006)

Ob schon Pulloverfabrikanten eingegangen sind in diesem warmen Winter? Kein Schnee in Sicht, Frost unbekannt. Wintersport ist trotzdem möglich - auf der Reeperbahn. Der dort ansässige erotische Weihnachtsmarkt auf dem Spielbudenplatz bietet eine rasante Abfahrt auf einer kleinen Rodelbahn. Danach hat man Schnee im Schuh, Erinnerungen werden wach.

 

Currykrieg spaltet St. Pauli (18.12.2006)

Currywurst gibt es am Neuen Pferdemarkt seit 1963. In einem kleinen Schlauch, in den nur fünf Leute zur gleichen Zeit passen. Lecker ist das, Kiezidyll ist wohl die offizielle Bezeichnung für solche Läden. Seit ein paar Wochen gibt es direkt daneben Konkurrenz, beide Imbisse werben mit dem "Original". Die Vorgeschichte ist lang, die personellen Verwicklungen groß - nun berichtet sogar die "Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung".

Stimmungskiller in Stellingen (19.12.2006)

Bröckelnder Putz, der Schweiß von Veranstaltungen aus anderen Jahrzehnten, ein biergetränkter Boden – das ideale Umfeld für ein Rockkonzert und in Hamburg oft anzufinden. Nicht jedoch in der Color Line Arena: Überwiegend sitzende Zuschauer, zu viele unfreundliche Ordner und Werbung an jeder Ecke. Da kann keine große Stimmung aufkommen - selbst bei einem Künstler wie Morrissey nicht.

 

Das wirklich wahre Leben (20.12.2006)

Relativ unspektakulär wirkt Reiner Heinsohn als gerne gesehener Gast im Dittsche-Imbiss. Ein Hamburger wie aus dem Bilderbuch. Abseits seiner Fünf-Minuten-Auftritte im Fernsehen ist er Busfahrer beim HVV. Wird man beim Einstieg in einen Bus plötzlich von "Heini" am Lenkrad begrüßt, dann ist das natürlich doch ein Ereignis.

 

Ein Jahr Stillstand (31.12.2006)

Vor einem Jahr gab es einige rauschende Silvesterpartys am Nobistor. Die fast schon legendären Clubs "Weltbühne", KDW", "Klick" und "Echochamber" nahmen Abschied von dem Gebäude - man sollte der neuen Endo-Klinik weichen. Zwölf Monate später hat sich dort noch immer nichts getan, die Clubs sind weitergezogen oder schon lange Geschichte.

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