Papageienkuchen

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Papageienkuchen

Sobald der Ernst des Arbeitslebens beginnt, also häufig nach dem Studium oder der Ausbildung, verschiebt sich auch die Freizeitgestaltung massiv. Während des Studiums war es auch mal möglich, bis zwei Uhr nachmittags zu schlafen, weil die Nacht erst um halb neun beim Bäcker endete. Um drei Uhr - ebenso verschlafen wie verkatert - beschloss man dann, dass dieser Tag keinesfalls zu den produktiven gezählt werden sollte. Wenn am Abend nicht eine Schicht in einer Bar oder ein äußerst wichtiges Referat am nächsten Morgen wartete, ging man daher direkt zu Freizeitgestaltung über.

In ein Café gehen. Mit Freunden treffen. Einkaufsbummel. Konterbier. Oder einfach liegen bleiben und Fernsehen. So was.

Dieses schöne Leben war erst mal vorbei, sobald der erste richtige Beruf ausgeübt wurde. Für gewöhnlich fünf Tage die Woche musste man irgendwo erscheinen. Meist so zwischen neun und neunzehn Uhr. Zusammen mit lästigen Vorbereitungen wie Duschen, Anziehen und den Wegen dorthin, wo man eben für Geld erscheinen musste, war die komplette Zeit zwischen acht Uhr morgens und zwanzig Uhr abends verloren. Zieht man noch circa acht Stunden für den Schlaf ab, bleiben noch vier. Noch eine Stunde für Haushalt, eine für Essen: Plötzlich bleiben nur noch zwei Stunden Freizeit. Und die braucht man dafür, einen Film auf Netflix auszuwählen, bei dem man dann nach den ersten zehn Minuten einschläft.

Ausgehen, Freunde treffen oder gar ein Date funktionieren unter diesen Bedingungen am besten samstags, weil man freitagabends noch viel zu müde von der Woche ist. Bleibt noch der Sonntag, um sich von den Strapazen der Woche plus der des Ausgehens zu erholen und dann geht wieder alles von vorne los. Es hat schon einen Grund, warum der Montag nicht gerade den besten Ruf genießt.

Ich konnte diesem Hamsterrad ein wenig entfliehen, indem ich mich vor circa zehn Jahren selbstständig machte. Seitdem genieße ich den Luxus, zum Friseur oder zum Arzt zu gehen, ohne dafür dem Arbeitgeber Bescheid geben oder gar um Erlaubnis fragen zu müssen. Und wenn ich Lust auf einen kleinen Bummel durch den Supermarkt habe, ist auch das meist drin. Ansonsten gibt es auch und gerade als Selbständiger viel zu tun. Freie Nachmittag sind bei mir eher die Seltenheit.

Ich fand das immer wenig zufriedenstellend. Denn es gibt es so viele schöne Dinge, die man nachmittags tun könnte! Eine Bibliothek besuchen. Einen Kinofilm schauen. In den Zoo gehen. Kuchen oder Waffeln essen. Oder eben bis zwei im Bett liegen, weil die Nacht erst um halb neun beim Bäcker endete. Alles fast nie möglich. Wegen Arbeit. Traurig!

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Am Mittwoch regnete es fast den ganzen Tag. Gegen vier musste ich meinen Sohn aus der Kita abholen. Da ich ihn am Abend zu seiner Mutter bringen wollte, wäre es keine gute Idee gewesen, zu mir nach Hause zu gehen. Wenn der erst mal da ist, bekomme ich ihn kaum wieder motiviert, noch mal die Wohnung zu verlassen. Erst recht, wenn es regnet.

Also spazierten wir zur Bushaltestelle und fuhren zwei Stationen zum Karstadt am Hermannplatz. Der ist überdacht und hat viele spannende Abteilungen, mehr braucht ein Kind bei Regenwetter doch gar nicht, dachte ich.

Ein Eingang war aus Energiespargründen geschlossen (nimm das, Putin!), also benutzten wir einen anderen, der uns direkt zu einer kleinen Bäckerei im Erdgeschoss führte. Natürlich wollte mein Sohn sofort etwas Süßes.

Ich entdeckte einen Papageienkuchen, der so bunt und süß und lecker aussah, dass ich mich bemühte, den Zuckerfokus meines Kindes auf dieses Gebäck zu lenken.

„Guck mal, der sieht doch großartig aus!“

Es funktionierte. „Aber du musst mir auch etwas abgeben, drohte ich. Er willigte leicht widerwillig ein. Weil ich nicht völlig dumm bin, fiel mir jedoch eine deutlich bessere Lösung ein: Ich bestellte einfach zwei Stücke Papageienkuchen. Dazu Orangensaft von Hohes C und eine Capri-Sonne. Und als wir da so saßen, Passanten beobachteten und zufrieden nachmittags um halb fünf ohne weitere Termine einen bunten Kuchen aßen, fiel es mir auf:

Der beste Weg, endlich wieder frei zu werden, ist ein Kind zu haben!

Bunte Grüße

Peter

P.S.
Nur Nächte, die erst um halb neun beim Bäcker enden, sollte man vorerst vom der Agenda streichen. Aber irgendwann ist das Kind 17 Jahre alt. Und dann bin ich morgens wieder um halb neun beim Bäcker. Und wenn ich es dort treffe, gibt es Ärger!

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📻 Podcast

Nach dem Lesen ist vor dem Hören! Wir haben einen feinen, kleinen Podcast. Er heisst "Außer Tresen nix gewesen". Wir reden sehr persönlich aber nie bitterernst über die großen Themen des Lebens. Bisher gibt es sechs Folgen. Von Tod über Geld bis hin zu Zeitreisen und Aliens. Den Podcast könnt ihr hier hören! (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre) Wir freuen uns über Abos und Bewertungen.

💻 Peter Wittkamp

Hier noch eine kleine Bio, die ich natürlich selbst geschrieben habe, aber in der dritten Person, damit es so aussieht, als würde jemand anderes Biographien über mich schreiben. Das ist leider noch nicht der Fall.

Peter Wittkamp, Jahrgang 1981, ist erster Autor und Gagschreiber der heute show online. Außerdem war er jahrelang Texter und Ideengeber der mehrfach preisgekrönten Kampagne #weilwirdichlieben der Berliner Verkehrsgesellschaft BVG.   Ab und an schreibt er auch ein Buch. Zuletzt über seine Zwangsstörung mit dem Titel "Für mich soll es Neurosen regnen" (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)und den Desinformator (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre).   

Daneben berät er Unternehmen und Agenturen, wenn sie etwas Kreatives, Humorvolles oder Digitales machen möchten. Außerdem ist er als Vortragsredner buchbar.

Er twittert regelmäßig als @diktator (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre), postet mittlerweile aber fast lieber auf Insta (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre). Sein supersüßer Sohn hält ihn fälschlicherweise für den besten Papa der Welt. Außerdem ist der feine Herr jetzt NATÜRLICH auch noch Podcaster (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre).