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Ökokiller digitaler Konsum?

Wie der Internetkonsum die Klimakrise beschleunigt 

Einfach kann ja jeder. Starten wir also ein ganz klein wenig kompliziert. Rund 1.300 Neubauwohnungen sowie Gewerbeeinheiten in Frankfurt werden künftig zum Teil aus der Abwärme eines Rechenzentrums beheizt. Großes Rechenzentrum = hohe Leistung = starke Kühlung notwendig = hoher Stromverbrauch = Nutzung der Abwärme zum Heizen. Immer mehr Rechenzentren = immer mehr mögliche Wärmenutzung. Bis hierher alles klar?

Tolles Projekt in Frankfurt, sagt Michael Krtsch, da geht aber noch was. Der Leiter der Wirtschaftsförderung von Dietzenbach fordert mehr Leistung, mehr Nachhaltigkeit, mehr Klimaschutz bei Rechenzentren. Darüber will er beim Zweiten Zukunftskongress in Frankfurt im Oktober diskutieren.

Foto: pexels

Auch die Bundesregierung hat Rechenzentren im Visier. Sie sollen umweltfreundlicher werden. Um Nachhaltigkeit auch in der Digitalisierung zu verankern, können sie jetzt das Gütesiegel Blauer Engel erwerben. Machen viele mit, könnte sich das richtig lohnen. Im Hintergrundbericht zu den Vergabekriterien ist zu lesen, dass in Deutschland „IT-Fläche von Co-Location-Rechenzentren von rund 400 Tausend Quadratmeter im Jahr 2010 auf mehr als 1 Million Quadratmeter im Jahr 2020 angestiegen“ ist. „Dies entspricht einer jährlichen Wachstumsrate von 5,8 Prozent. Co-Location-Rechenzentren machen im Jahr 2020 bereits rund 45 Prozent der gesamten IT-Fläche von Rechenzentren in Deutschland aus.“

Digitalisierung umweltfreundlicher zu gestalten sei dringend notwendig, fordern Wissenschaftler wie Jens Gröger vom Ökoinstitut Berlin. Der Forscher warnt schon lange, dass „unser digitaler Lebensstil in der vorliegenden Form nicht zukunftsfähig“ ist, zu hoch seien die Treibhausgasemissionen des aktuellen individuellen und gesellschaftlichen Nutzerverhaltens. Die Digitalisierung als Klimakiller? Ökologischer Fußabdruck – auch durch meinen eigenen digitalen Konsum?

Jede digitale Anwendung verbraucht Energie, bei der Nutzung, aber auch in der Bereitstellung von Infrastruktur und der Herstellung der Endgeräte. Ohne Produktion, Lieferketten, gekühlte Rechenzentren und Datenautobahnen funktioniert Digitalisierung nicht.

„Damit Technologien nicht mehr Schaden anrichten als nutzen, müssen Geräte ressourcenschonend und ohne Einsatz giftiger Chemikalien produziert werden“, fordert die Umweltschutzorganisation Greenpeace. „Smartphones, Tablets und Laptops sollten für eine lange Lebensdauer konzipiert sein“, verbrauchsintensive Serverfarmen müssten mit Strom aus Erneuerbaren Energien betrieben werden.

Rechenzentren zur Wärmegewinnung zu nutzen ist ein Schritt in diese Richtung. Die Serverfarmen „sind langfristige und idealerweise nachhaltige Infrastrukturen, die im Regelfall für 20 bis 30 Jahre an einem Standort betrieben werden. Perspektivisch werden sie wegen ihrer zunehmenden Anzahl und Größe immer interessanter für Wärmenetzsysteme, sprich: als Wärmequelle“, sagt Michael Krtsch.

Um den individuellen ökologischen Fußabdruck der Digitalisierung zu errechnen, nutzt die Wissenschaft Faktoren, die den CO²-Verbrauch anteilig darstellen sollen. Jens Gröger vom Ökoinstitut rechnet unter Berücksichtigung dieser Schlüssel und des individuellen Nutzerverhaltens vor, dass ein Bundesbürger pro Jahr mindestens 850 kg CO²-Emission allein durch die Digitalisierung verursacht. Die Initiative Think Digital Green® aus München geht davon aus, dass Internetnutzende ihren eigenen Fußabdruck ohne Verzicht stark senken können. Viele alltägliche Anwendungen wie Streamen enthalten demnach verstecktes CO², das mit wenigen Klicks verringert werden kann.

Bis die Tonne voll ist, scheint es bei zunehmender Digitalisierung nicht mehr weit. Insgesamt verbraucht jeder Deutsche zwölf Tonnen CO². Je mehr CO²in der Atmosphäre ist, desto heißer wird es auf der Erde. CO² wird langsam gebunden; die Erhöhung der CO²-Konzentration bewirkt, dass mehr Wärme gespeichert wird als notwendig.

Zum Vergleich: Bäume können ab einem gewissen Lebensalter im globalen Durchschnitt gut 10kg CO²pro Jahr binden; es braucht also an die 100 gut gewachsene Bäume, um allein die knappe Tonne CO²-Ausstoß der digitalen Nutzung zu kompensieren und 1200 zur Kompensation des Fußabdrucks eines einzelnen Bundesbürgers.

Zwar ist der ökologische Fußabdruck der Digitalisierung im direkten Vergleich mit anderen Klimasündern immer noch gering. CO²-Emittent Nummer Eins im weltweiten Vergleich bleibt laut Statistik-Portal Statista der Straßenverkehr mit rund 18 Prozent. Die digitale Welt liegt aktuell bei circa zwei bis drei Prozent, aber: Tendenz steigend, Bewusstsein stagnierend. Zu wenige Nutzer machen sich darüber Gedanken, dass die Digitalisierung nicht nur enormes Potenzial für die Gestaltung des Alltags birgt, sondern auch für die Akzeleration der Klimakrise.

Datenintensive Anwendungen wie Videostreaming, Video-Konferenzen und Online-Datenspeicherung, Smart Home, Social Media, Wetter-, Einkaufs-, Börsen- und Learning-Apps, all die digitalen Alltagshelfer – im Endeffekt keine gute Idee? Doch. Aber nur, wenn sie intelligent genutzt werden. Nur: Bildschirm im Dark Modus, das Handy bei Nichtgebrauch im Flugmodus, Autoplay-Funktion an Endgeräten abschalten, damit Videos nicht automatisch anlaufen – wer macht das?

Foto: pexels

„Die Besonderheit digitaler Endgeräte besteht darin, dass sie ständig Daten über das Internet übertragen“, erläutert Jens Gröger in einer Analyse des ökologischen Fußabdrucks von digitalen Anwendungen. „Anders also als ein Toaster oder eine Glühlampe erzeugt die digitale Technik während der Nutzung zusätzlich einen ökologischen Fußabdruck, der nicht bei uns zuhause auftritt, sondern im Internet. Die Kosten für diesen Energieverbrauch tauchen nicht unserer Stromrechnung auf. Sie werden durch die Grundgebühren für den Internetanbieter oder Streaming-Dienstleister bezahlt, zusätzlich aber auch durch den Verkauf von Daten und Werbung. Der Zusammenhang zwischen der Höhe des Energieverbrauchs in Datennetzwerken und der übertragenen Datenmenge ist sehr komplex. Auch deshalb, weil die Datenmenge permanent schwankt und die Netze auf die jeweiligen Stoßzeiten mit maximaler Datenmenge ausgelegt sein müssen.“

Tilman Santarius, Professor für Sozial-ökologische Transformation und nachhaltige Digitalisierung an der Technischen Universität Berlin und am Einstein Centre Digital Futures in Berlin, weist immer wieder darauf hin, dass Video-Streaming im öffentlichen Nahverkehr nahezu den gleichen Energieverbrauch hat wie Autofahren. Streamen im mobilen Datennetz vergrößert demnach den individuellen ökologischen Fußabdruck genauso wie der übervolle Papierkorb des E-Mail-Fachs, denn jedes Laden großer Datenmengen verbraucht große Mengen an Energie.

Je besser und leistungsfähiger die digitale Infrastruktur wird, desto stärker wird sie genutzt und desto mehr CO² produziert sie, jedenfalls in der aktuellen Form. Laut Statista betrug das Datenvolumen pro Mobilfunkanschluss pro Monat im Jahr 2021 3270 Megabyte. Vor zwölf Jahren, in 2009, waren es noch 27.

Forscher der britischen University of Lanchester kamen in einer 2021 veröffentlichten Übersichtsarbeit zu dem Schluss, dass es einer internationalen Vereinbarung bedürfe, um den CO²-Ausstoß der Digitalisierung zu reduzieren. Initiativen wie Think Digital Green wollen darauf nicht warten. Sie setzen auf kleine Schritte, Aufklärung und Eigenverantwortung. Gut 200 kg CO²würden durch ein Smartphone verursacht, davon 70 Prozent bei der Herstellung, rechnet Think Digital Green-Geschäftsführerin Susanne Grohs-von Reichenbach vor. Ihre Empfehlung: ein recyceltes Handy nutzen. „Es bringt rechnerisch nur noch etwa 30 Prozent des Fußabdrucks mit ins Haus.“