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Frau Doktor!?!

Dr. Ulrike Koock bloggt, twittert und veröffentlicht als „schwesterfraudoktor“

„Ich werde morgen ganz früh aufstehen und einen Blogbeitrag über etwas schreiben, das euch bestimmt brennend interessiert: Über Füße. Nein, kein Fetisch. Aber Füße können so viel über unsere Gesundheit aussagen und Zillionen Beschwerden machen. Lest morgen alles über Füße!“

Wenn eine charmante Mischung aus Ironie und Fachkompetenz im Tweet-Feed aufploppt, steckt oft Ulrike Koock dahinter. Ihre Fans und Follower kennen die angehende Allgemeinärztin aus dem hessischen Altenstadt als „schwesterfraudoktor“. Sie ist nicht nur Bloggerin, preisgekrönt, sondern seit neuestem auch Buchautorin. „Frau Doktor, wo ich Sie gerade treffe“ ist noch nicht lange auf dem Markt, da sitzt sie schon am zweiten Werk „über Dinge, über die man nicht so gerne spricht“. Hausärztinnenmedizin sichtbar machen, daran arbeitet die 41-Jährige.

Foto: privat

Hausärzt*innen führten Jahrzehnte lang eine Art Schattendasein in der Medizin, jeder brauchte sie, aber in der Öffentlichkeit nahm sie niemand so richtig wahr als Experten; man fragte je nach Thema eher Kardiologen, Gynäkologen oder Chirurgen. Deutschlands Allgemeinmedizin-Verbände arbeiten spätestens seit der Corona-Pandemie, in der die basismedizinische Grundversorgung nicht nur für Corona-Patienten zunehmend Raum in der öffentlichen Wahrnehmung bekam, an einer verstärkten Sichtbarkeit auf der politischen und gesellschaftlichen Bühne.

Die Hausärztinnenmedizin präsenter zu machen sei anfangs gar nicht dringend ihr Ziel gewesen, erinnert sich Ulrike Koock an ihre eigenen ersten Schritte als bloggende Allgemeinmedizinerin, aktuell noch in Weiterbildung in einer Gemeinschaftspraxis. Arbeit hat sie dort genug. Doch damit nicht genug. Sie hatte Lust aufs Schreiben – und Energie übrig. Dann kamen Zeit, Reichweite, Erfolg – und die Pandemie. Gute Gründe für Ulrike Koock, Beruf und Alltag stärker ins Rampenlicht zu rücken. Wenn am Ende des Tages Zeit und Lust übrig ist, bloggt und twittert die 41-Jährige für eine wachsende Followerschaft – mehr als 60.000 sind es aktuell –  über ihren Medizineralltag…

„Wenn ich morgens um 7:45 Uhr die lange Schlange vor der Praxis sehe, in die müden Augen der Kolleginnen blicke, wir die nächsten Impftage planen und uns nach der Sprechstunde durchs Dorf telefonieren, dann freue ich mich immer, dass unser Gesundheitssystem nicht überlastet ist.“

… über Privates …

„Ich kredenzte meinen Lieben heute den ersten selbstgemachte Schweinebraten meines Lebens. Und ich will mich ja nicht selbst loben, aber es war ein echtes Männeressen: Hart wie Stahl und unnachgiebig.“

… über Sportliches …

„Ich kann nicht schneller, dafür aber länger. Also joggen natürlich, ne. 15 langsame Kilometer waren's heute.“

und Fachliches. Füße zum Beispiel. Oder Doktor Google. Oder Gesundheitspolitisches.

„Eine befreundete Ärztin bekam eine Email: "Ich vordere (sic!) Sie auf die Impfungen zu beenden." Man hätte antworten können: "Was sollte mich daran hinteren?" Diese schlechten Wortwitze finde aber nur ich jetzt wieder lustig, ich weiß ja.“

Die Social Media-Welt liebt Dr. Ulrike Koock für solche Tweets, und Dr. Ulrike Koock liebt die Social-Media-Welt. Meistens jedenfalls. Immerhin hat ihr die virtuelle Präsenz zwei Buchverträge, ein großes Netzwerk und eine Auszeichnung als „Goldene Bloggerin“ 2019 in der Kategorie Medizin eingebracht. Deutschlands ältester Social Media-Preis Deutschlands wird in diesem Jahr zum 15. Mal verliehen.

Aber? Aber.

„Ich wäre gerne noch erfolgreicher“, gesteht die Weiterbildungsassistentin. Eine eigene Radiosendung, das wäre doch was.

Aber ob der Erfolg auf Social Media wichtig ist, weiß sie manchmal selbst nicht. „Ich bin keine, die gerne mit Stethoskop um den Hals posiert", sagt Ulrike Koock, deshalb ist ihr das wortgewaltige Twitter lieber als das bilderlastige Instagram. 

Die Suppe in der Twitter-Blase kocht schnell über, daran hat sich auch Ulrike Koock schon die Finger verbrannt. Ihre Lösung: diesen Herd abschalten, immer wieder, zumindest für ein paar Wochen lang. Social detoxing. Ganz aussteigen würde sie aus der Hexenküche aber eher nicht, „ich schreibe einfach so gern“, ein willkommener Ausgleich zum Alltag. Und: Vornehmlich über die sozialen Medien kommen die Leser auf ihren Blog, ihr Herzstück. „Ich finde es schön, Menschen dort medizinische Sachverhalte in einfachen Worten zu erklären.“

Ein Leben ohne also, vollkommen konzentriert auf die hausärztliche Tätigkeit? Wohl möglich, aber wohl nur halb so schön. „Nur“ Ärztin will Ulrike Koock nicht sein, auch wenn sie Ärztin vor allem anderen sein möchte.  In eineinhalb Jahren will sie ihre Prüfung zur Fachärztin bestehen und dann als Teilhaberin in ihre Gemeinschaftspraxis einsteigen, so ist es mit den Kollegen geplant.

Es war ein langer Weg bis dahin. Die „Teilzeitfalle“ habe seit dem Studium schon mehr als einmal zugeschnappt, erzählt Ulrike Koock. Drei Mal hat sie neu angesetzt, bis sie in der Allgemeinmedizin ihren Platz gefunden hat. Nach dem Staatsexamen zog es sie zunächst in die Pathologie, doch nach der ersten Elternzeit bot man ihr eine 80 Kilometer weit entfernte Stelle zum Wiedereinstieg an. Ein Witz für jede Mutter. Sie wechselte in die Krebsforschung, wieder Elternzeit, wieder Wiedereinstieg unter erschwerten Bedingungen. 

Foto: pexels

Vielleicht ja Pharmaindustrie? Mit der Zuversicht, Familie und Beruf dort leichter zu vereinbaren, steuerte Ulrike Koock die Pharmaindustrie an, doch sie mochte die Arbeit nicht. „Mir fehlte der Kontakt zu Patienten, die praktische Medizin.“ Was tun? Allgemeinmedizin als Notanker? „Auf keinen Fall“, sagt sie. Im Grunde sei die hausärztliche Tätigkeit das gewesen, was sie schon als Mädchen habe machen wollen. Also biss sie in den sauren Apfel und ging zurück ins Krankenhaus, Dienste, Nachtschichten, Überstunden,  „das volle Programm“, und das als getrennt erziehende Mutter zweier kleiner Kinder. 

Dass Patienten im Krankenhaus sie gerne „Schwester… Frau Doktor“ nannten, machte Ulrike Koock zum Programm. So ist das mit der Sichtbarkeit als Ärztin. Die Arbeit in der Praxis, in der ihre virtuelle Welt außen vor bleibt, birgt ihre eigenen Überraschungen. 

„Im Sprechzimmer. Pat.: 

"Sind Sie neu hier?" 

"Nein, seit 2017."

"Das ist aber nett, dass Sie hier aushelfen."

Das mache ich doch gerne. Ich bin mit Herzblut promovierte Aushelferin.“

Ulrike Koock träumt davon, einmal Marathon zu laufen. Immerhin dieses Ziel hat sie schon erreicht. Mancher Praxistag gleicht einem Marathon. Zieleinlauf bei Feierabend. Dort fällt der Startschuss für den nächsten Tweet.

„Neulich las ich, ich könne gar keine richtige Ärztin sein, da ich immer nur über Banalitäten schreiben würde. Diese Menschen haben gar keine Ahnung. Käsekuchen ist nicht banal!“