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In drei Monaten liegt Schnee, also vielleicht…

Willkommen auf meinem Blog über mein Leben als Skilehrer in Zeiten des menschengemachten Klimawandels und der Frage: "Sollte ich meine Ski nicht einfach in die Ecke stellen?"
Nicht geschlossene Schneedecke in den Hochlagen der Allgäuer Alpen

von Lukas Herr

Der Winter ist gerade sehr weit weg. Ich weiß nicht, wie fern er für Euch ist, aber für mich ist er es sowohl räumlich als auch zeitlich. Es ist Mitte September und ich sitze im Café der Stadtbibliothek Nijmegen in den Niederlanden. Neben mir ein Cappuccino, vor mir ein Laptop und ich tippe diese ersten Zeilen meines “Blogs”. Ich befinde mich gerade seit ein paar Wochen hier, weil ich mich dafür entschieden habe hier die letzten Monate meines Masters zu studieren. Wie gesagt räumlich sind der Winter und die Alpen gerade ganz weit weg. Emotional aber nicht, da ist die kalte Jahreszeit und der alpine Skisport immer in meinem Kopf und Herzen. Verbunden damit immer öfter auch die Frage: Darf und kann ich eigentlich noch Skisport betreiben in Zeiten des globalen Menschengemachten Klimawandels?

Darüber möchte ich also hier unregelmäßig meine Gedanken, Gefühle und Erfahrungen teilen. Um zu verstehen, warum das mir ein Herzensthema ist, muss ich mich zunächst selbst vorstellen. Ich bin Lukas, 25 Jahre alt und aus dem Kleinen Walsertal — eine Alpenexklave Österreichs an der Grenze zu Deutschland. Vor jetzt zehn Jahren habe ich den ersten Teil der österreichischen Skilehrerausbildung, den sogenannten Anwärter, gemacht. Im August. Auf dem Gletscher. Bei 20 Grad Celsius. Damals sah ich darin eine Skurrilität vielleicht, aber sich noch nicht den Klimawandel und strukturelle Probleme. Das sollte später kommen. Zurück zum schnellen Lebenslauf. Mittlerweile habe ich den Landesskilehrer und gebe trotz mittlerweile fünfjährigem Studium weiterhin jeden Winter meine Leidenschaft für den Skisport an andere Menschen weiter, weil ich diesen Beruf liebe, weil ich diesen Sport liebe.

“Weil Schifoan is des leiwandste wos ma si nur vorstellen kann” ~ Wolfgang Ambros Skifoan

Aber es gibt eben auch die andere Seite, die die trotz über 100 Skitagen im Jahr sich fragt: “Sollte ich nicht sofort die Ski für immer in die Ecke stellen?” Ein Bewusstsein für den Klimawandel hatte ich schon lange, darum fällt es mir schwer ein Ereignis auszumachen, dass mir die Augen geöffnet hat. Ich kann aber sagen, dass es der zunehmende Kampf um Schneesicherheit in den vergangenen Wintern — der nur teils gewonnen wurde — bei zeitgleichen Erklärungen der Tourismusbranche, dass die Bedingungen auf den Bergen super seien, waren, die in mir starke Emotionen ausgelöst haben. Ein besonders eindringliches Beispiel war wohl der Januar 2023, als wir im Rahmen eines Alpinkurses, also der Ausbildungen zur Sicherheit und Tourenführung im freien Gelände, de facto keinen Schnee neben der Piste hatten. Und zwar nicht nur im Tal. Das Foto habe ich in deutlich über 1500 Metern aufgenommen. Da fühlt sich Skisport gar nicht mehr so leiwand an, wie es Wolfgang Ambros besingt. Ich musste auch jetzt nochmal beim Suchen dieses Fotos feststellen, dass ich mittlerweile eine erschreckend große Auswahl an Fotos mit kaum Schnee habe, wo eigentlich Schnee liegen sollte. Der menschengemachte Klimawandel hat die Alpen längst erreicht und der Skisport steht mindestens vor großen Veränderungen.

Skigebiet mit ganz wenig Schnee und vielen schneefreien Stellen.

Diese Auswirkungen des Klimawandels auf den Skisport treiben mich persönlich um, haben mich schon zum Weinen gebracht, Wut in mir hochsteigen lassen, wenn der Skiweltverband FIS davon phantasiert bereits klimaneutral zu sein, und ganz oft einfach nur zur Verzweiflung geführt. Wenn ich wieder mit dem Gedanken spielte, ob ich nach der Saison mit meiner großen Liebe einfach Schluss machen sollte, fühlte sich das oft an wie Resignation. Mir ist dabei bewusst, dass Resignation nie ein guter Ratgeber ist, weder für das persönliche Wohlbefinden, noch für die gesellschaftliche Problembewältigung. Dass ich jetzt hier meine Gedanken teile ist erstmal ein Teil meiner persönlichen Bewältigung, war aber auch ein langer Prozess. Die Idee sie öffentlich zugänglich zu machen hatte ich bereits länger, aber ich habe es mir nicht zugestanden, weil ich doch damit irgendwie Partei ergreife. Warum das ein Problem für mich war? Weil ich eigentlich immer Journalist werden wollte — als freier Mitarbeiter in der Lokalzeitung je nach Definition auch jetzt bin — und dann sollte ich doch objektiv sein. Das war meine Logik. Vielleicht ist diese Argumentation auch sinnvoll, aber ehrlicherweise stellt sich zumindest die Frage, wie objektiv ein Mensch überhaupt sein kann. Im letzten Dezember wurde ich dann “selbstverschuldet” zu einer Entscheidung gezwungen. Nach einer Hörermail, bei der ich wohl mal alle meine Gedanken zum Klimawandel und Wintersport mir von der Seele schreiben musste, wurde ich für einen Podcast der ARD zum Thema gefragt, ob ich nicht meine Sicht und Emotionen darlegen möchte. Schlussendlich habe ich zugestimmt ( Wer möchte findet den Podcast hier (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)) und habe festgestellt, dass es gut getan hat, einmal die Gedanken zu teilen, dennoch hat es sich etwas gezogen bis ich jetzt tatsächlich auch anfangen sie niederzuschreiben und das ausgerechnet in den Niederlanden im Spätsommer. Der Winter könnte kaum weiter weg sein, aber in drei Monaten ist Weihnachten, vielleicht gibts Schnee. Schön wäre es, denn Schnee ist für mich ein große Glück.

Vielen Dank, dass Ihr diese ersten Zeilen gelesen habt. Wenn Ihr möchtet, könnt ihr gerne weiterhin diesem Mail-Blog folgen. Ich werde versuchen “regelmäßig” meine Gedanken zu teilen und Euch dabei mitzunehmen. Was genau da auf Euch und auf mich zukommt? Das weiß ich ehrlicherweise jetzt noch gar nicht so genau, aber ich bin gespannt darauf.

Und falls Ihr euch fragt, warum schreibt er von Mitte September, wenn der Text erst jetzt zu lesen ist. Wie gesagt, es ist ein langer Prozess mich selbst zu überzeugen.