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Wie kommen die Löcher in den Käse?


Mikrobenzirkus-Kolumne im Oktober 2024

Vino e formaggio beim Weinfest in Bardolino, Tucholsky und der Streit um die Löcher im Käse, Termine und Workshops


Liebe Freundinnen und Freunde des Mikrobenzirkus,

der Oktober neigt sich schon dem Ende zu – höchste Zeit, euch ein paar Neuigkeiten aus meinem Mikrobenzirkus zu berichten.

Ich schreibe gerade an Texten für ein neues Sachbuch über die faszinierenden und ungewöhnlichen Fähigkeiten von Mikroorganismen. Dabei nutze ich jede Gelegenheit, um Neues zu lernen oder kluge Menschen auszufragen. Egal, ob ich im Labor meiner Forscherkolleginnen und -kollegen über bunt gefärbten Petrischalen im Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung in Braunschweig sitze oder am Gardasee in Italien Urlaub unterwegs bin – spannende Erkenntnisse über Mikroorganismen finde ich an vielen Orten.

Wenn ich in diesem „Recherche-Flow“ bin, begegnen mir plötzlich überall interessante Informationen, denen ich auf den Grund gehen will.

Dieses Phänomen kennt ihr vielleicht auch: Es nennt sich Baader-Meinhof-Phänomen oder Frequenzeffekt. Dabei liegt es nicht daran, dass ein Thema auf einmal häufiger vorkommt – vielmehr schenkt unser Gehirn ihm mehr Aufmerksamkeit, weil es uns gerade besonders wichtig erscheint. So wird sogar ein Besuch auf dem Weinfest in Bardolino zu einer Entdeckungsreise in die Welt der Mikrobiologie.

Die Italiener haben eine ganz eigene Art, ihre Weinfeste zu feiern – über mehrere Tage, oft mit der ganzen Familie, von den Kindern bis zur Oma.

Mit einem Weinglas um den Hals (wie es hier üblich ist 😊) probierte ich mich also durch die Weinstände und dachte dabei darüber nach, wie eng die Wissenschaft der Mikrobiologie mit der jahrtausendealten Kunst der Fermentation, also der Lebensmittelherstellung, verbunden ist.

Und so wurde aus einem gemütlichen Nachmittag auf einem italienischen Weinfest eine Lektion über die erstaunlichen Fähigkeiten der Natur – verpackt in Genuss und Geschmack.

Denn hinter jedem Glas Wein und jedem Stück Käse, das hier serviert wird, verbirgt sich eine unsichtbare Welt, in der Mikroorganismen die Hauptrolle spielen. Ohne Hefen, die den Zucker der Trauben in Alkohol umwandeln, oder Milchsäurebakterien, die dem Käse seine unverwechselbaren Aromen verleihen, wären diese kulinarischen Traditionen gar nicht möglich.

Das Ganze war auch gleich Inspiration für eine ganz besondere „Probe 12“ und „Toxin“-Lesung, die ich gerade zusammen mit meiner Autorenkollegin Kathrin Lange vorbereite: eine Wine & Crime-Lesung mit Käseverkostung im Monkey Rosé in Braunschweig. Unsere Protagonisten, Mikrobiologin Nina Falkenberg und Food-Hunter Tom Morell, passen schließlich perfekt dazu. Mehr dazu findet ihr unten in den Terminen.

Und damit kommen wir auch schon zur heutigen mikrobiologischen Frage:


Wie kommen eigentlich die Löcher in den Käse? Wisst ihr es genau?

Diese weltbewegende Frage sorgt laut Schriftsteller und Journalist Kurt Tucholsky schon mal für hitzige Debatten. In seiner gleichnamigen humorvollen Erzählung diskutiert eine Tischrunde wohlhabender Bürger – ausgelöst durch die harmlose Frage des kleinen Sohnes der Familie – wild über die Löcher im Käse, ohne am Ende eine klare Antwort zu finden. Erstmals veröffentlicht unter dem Namen Peter Panter in der Vossischen Zeitung am 29.08.1928.

Die Diskussion wird so hitzig wie ein Käsefondue, denn jeder besteht darauf, die einzig richtige Erklärung zu kennen.

Damit wir nicht in dieselbe Falle tappen, bringen wir mal etwas Licht ins Dunkel.

Es gibt viele abenteuerliche Theorien darüber, wie die Löcher im Käse entstehen. Manchmal werden hungrige Mäuse oder Schweizer mit Spezialbohrmaschinen verdächtigt. Einige glauben sogar, dass es eine Käse-Mafia gibt, die damit einfach für mehr Luft und weniger Produkt in der Verpackung sorgt. Natürlich alles Unsinn.

Große Löcher, kleine Löcher

Die Größe der Löcher variiert von Käse zu Käse. Schauen wir uns zuerst den Schweizer Emmentaler an, einen sogenannten „Großlochkäse“. Hier ist die Antwort einfach: Die Löcher entstehen durch Gasblasen, die während des Reifeprozesses von Bakterien gebildet werden.
Diese Bakterien werden dem Käse bei der Herstellung zugesetzt. Während der Reifung bauen sie den Milchzucker (Laktose) zu Milchsäure und Propionsäure ab. Ab etwa drei Monaten ist die Laktose vollständig abgebaut, sodass der Käse auch für Menschen mit Laktoseintoleranz verträglich ist.

Für den Reifeprozess des Emmentalers sind besonders die Propionsäurebakterien wichtig. Diese produzieren neben anderen Stoffen Kohlendioxid – dasselbe Gas, das in Cola oder Mineralwasser vorkommt. Da der Käse von einer festen Rinde umschlossen ist, kann das Kohlendioxid nicht entweichen. Es bildet Blasen im Käseteig und sorgt für die charakteristischen Löcher. Je mehr Propionsäurebakterien vorhanden sind, desto größer die Löcher - pro Laib können es über 1000 Löcher sein.

(Propionibacterium acnes DSM 30919, @DSMZ)

In einem Gramm Emmentaler leben nach wenigen Wochen über 100 Millionen Propionsäurebakterien. Sie sind auch für den typischen nussig-süßen Geschmack des Emmentalers verantwortlich.

Was ist mit den kleinen Löchern, wie im Gouda?

Hier sind andere Bakterien im Einsatz, die weniger Kohlendioxid produzieren, wodurch kleinere und weniger Löcher entstehen.

Die winzigen schlitzförmigen Löcher im Tilsiter Käse oder Mondseer haben übrigens nichts mit Bakterien zu tun – sie entstehen, wenn die Käsemasse von Hand in lockeren Schichten in eine Form gedrückt wird.

Wie endet das bei Tucholsky?

Der Abend endet mit Privatklagen, Testamentsänderungen und Vertragskündigungen unter ehemaligen Freunden. Sehr amüsant zu lesen – die Geschichte gibt es auch als Hörspiel!

Tucholskys Satire zeigt uns, wie leicht man sich in Banalitäten verlieren kann, während man uninformiert um den heißen Brei – oder den löchrigen Käse – herumredet :-).

Der einzige Konsens? Der Käse schmeckt – mit oder ohne Löcher!

Das wird euch nach dieser Lektüre niemals mehr passieren und ihr könnt mit diesem Wissen beim nächsten Small Talk glänzen 😊!

Mikrobiologische Grüße,

Eure Susanne

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Termine, Termine
  • Seminar: Wissenschaft trifft Thriller: Wie der Weg von der Idee zur Story glückt

    Das Beste aus zwei Welten.

    10.11.-12.11. So 16.00 -Di 12:30 Uhr, Bundesakademie

    Spannende Rätsel und wissenschaftliche Geheimnisse – wenn Forschung und Fiktion verschmelzen, entsteht Nervenkitzel. Wie stark uns Wissenschaft im täglichen Leben betrifft, haben nicht zuletzt die Corona-Jahre gezeigt. Eine sehr besondere Form von Wissenschaftskommunikation ist der Science-Thriller, der auf unterhaltsame Weise komplexe Forschung in eine packende Handlung übersetzt. Das ermöglicht Leserinnen und Lesern, sich von wissenschaftlichem Fortschritt und neuen Technologien, die sie vielleicht nur aus den Schlagzeilen kennen, faszinieren zu lassen.

    Wie aber verläuft der Weg von einem wissenschaftlichen Thema oder einer Storyidee zu einem spannenden Roman? Wo finden Autoren und Autorinnen ihre Stoffe? Wie geht wissenschaftliche Recherche und deren „Übersetzung“ ins Fiktionale? Und wie gelingt der optimale Mix aus Faktentreue und Erfundenem? Was also darf ein Wissenschaftsthriller?

    All diesen Fragen widmet sich diese Werkstatt. In Impulsvorträgen, Gesprächen und praktischen Übungen führen die beiden Seminarleiterinnen darüber hinaus ihre Methoden vor und zeigen, wie eigene Projekte der Teilnehmerinnen und Teilnehmer vorankommen können.

    Nach dem Anmeldeschluss erhalten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer eine Schreibaufgabe. Meine Co-Dozentin ist die erfolgreiche Schriftstellerin und Thrillerautorin Kathrin Lange, mit der zusammen ich “Probe 12” und “Toxin” geschrieben habe.

    Mehr Infos und Anmeldung (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)

Das war es schon wieder für den Oktober!

Ich sende euch herzliche Grüße aus dem Mikrobenzirkus.

Schreibt mir sehr gern, lasst ein Like oder einen Kommentar da, um meine Reichweite etwas zu erhöhen.

Viele Grüße

Eure Susanne Thiele

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