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Erhöhtes Fitnesslevel bei maximaler Menschlichkeit

SACHBUCH-KRITIK

Heute begehen wir den IDAHOBIT – den Internationalen Aktionstag gegen Homo-, Bi-, Inter- und Transphobie. Er geht zurück auf auf den 17. Mai 1990, als die Weltgesundheitsorganisation (WHO) Homosexualität aus ihrem Diagnoseschlüssel für Krankheiten strich. Es sollte noch einige Jahre länger dauern, bis auch „Transsexualität“ als „Störung der Geschlechtsidentität“ im Abschnitt „Mentale und Verhaltensstörungen“ gestrichen wurde. Dies geschah mit der Überarbeitung der diversen Diagnoseschlüsel und Umstellung vom Krankheitenkatalog ICD-10 auf ICD-11.

Die Pathologisierung und Diskriminierung von trans*Menschen endetete mit dem 18. Juni 2018, als die Neuerung erfolgte, zwar mitnichten. Doch war ein wesentlicher Schritt hin zu mehr Erkenntnis und Akzeptanz getan. Allein schon die Verwendung des o. g. Begriffs zeigt(e) auf, wie wenig Kenntnis und Verständnis es für queere Menschen und im Besonderen trans*Personen gab.

Zug Bahn Fenster Gleis Buchcover Queer durchs Land Brix Schaumburg
Gute Aussichten // © the little queer review

Etwas, wovon der 1990 in Hattingen geborene Schauspieler und Sänger Brix Schaumburg ein Lied singen kann. Oder einfach ein Buch drüber schreiben. So geschehen gemeinsam mit Lena Schindler unter dem Titel QU(E)ER DURCHS LAND – Von der Vielfalt des Lebens und der Suche nach mir selbst. Dafür tat er etwas, das so inspirierend wie anstrengend klingt (und seinen teils lakonischen Beschreibungen zufolge auch genau das oft war): Er schwingt sich aufs Fahrrad und tourt durch Deutschland, um (kleine) Zeichen zu setzen, ins Gespräch zu kommen – mit Queers wie Nicht-Queers – und aufzuklären, aber auch um selber zu lernen.

Ein erster Abschnitt etwa führt ihn und die Ex-Bundestagsabgeordnete Tessa Ganserer (Bündnis 90/Die Grünen) vom Tegernsee nach München. Mit knapp 70 Kilometern noch keine Weltreise, aber eben auch nur ein Abschnitt einer weit längeren Strecke. Eine Tour umfasste gar um die 2000 Kilometer. Er müsse wahnsinnig sein, schreibt er hier und da. Möglich. Doch immerhin gutmütiger Wahnsinn.

In insgesamt neun Kapiteln lässt Brix Schaumburg uns an seiner Reise und SEINER Reise teilhaben. Das wird teils sehr persönlich, wenn es etwa um Familienschmerz und Trauma, Selbstverletzung und Alkoholismus, Kämpfe um Anerkennung und das Recht auf (körperliche) Selbstbestimmung geht. Dabei vermischt er eigene Erfahrungen mit denen anderer, die er in Gesprächen erfährt.

Brix Schaumburg diverse Bilder Instagram
Brix Schaumburg auf Instagram - https://www.instagram.com/treesoul/ // Foto: Screenshot

Darüber hinaus lesen wir vieles zur Geschichte queerer Menschen (nicht nur in Deutschland), Drag-Erfahrungen (auch seine eigenen, so fing Brix mit Drag an, als er als männlich gelesene Person durchs Land ging), der eigenen Vaterschaft, wie überhaupt zu nicht-heteronormativen Familienkonzepten. Aber auch dazu, wie er etwa in manchen Teilen Deutschlands, jenen, die AfD-Hochburgen waren/sind, eher „inkognito“ unterwegs war, nicht mit Regebogen-Beflagung ausgestattet und doch immer ein leicht mulmiges Gefühl hatte. Und doch verstehen lernen konnte, dass alle über einen Kamm zu scheren auch nicht des rechten Rätsels Lösung ist.

QU(E)ER DURCHS LAND zeichnet sich durch hohe Lesebarkeit (Minuspunkte allerdings für mehrmaliges „Sinn machen“) und Empathie aus; die Zusammenarbeit von Schaumburg und Schindler trägt offenkundig geschmackvolle Früchte. Dass ich das Buch größtenteils während zweier längerer Bahnfahrten qu(e)er durch Deutschland gelesen habe, trug sicherlich zu Wirkung und Charme bei. Ebensosehr aber, dass das Buch als zwar berührende, gern aber auch unterhaltsame und teils sehr selbstironische und vor allem ehrliche Geschichte funktioniert.

Zug Bahn Buchcover Queer durchs Land Brix Schaumburg
Im Zug mit Brix Schaumburg und viieeel Queerness - im Buch und der Umgebung // © the little queer review

Dies ist bei manch einer „Lebensreise“ häufiger nicht der Fall. Die kommen gern mal schlecht geschrieben, halbseiden, als Geldmacherei und „Erweiterung“ des Influencer-Daseins oder der Kassenaufbesserung zum Karriere-Ende daher. So ist dieser Band also eine willkomene Überraschung, auf die ich durchaus ein wenig hinfieberte, konnten Teile der Fahrrad-Lern-Und-Aufklärungsreise doch via Brix' Instagram-Kanal verfolgt werden.

Ich wurde nicht enttäuscht und ihr werdet das genauso wenig sein (vermutlich). Ein wirklich feines, wunderbar persönliches, hilfreiches und freundliches Buch. Quasi passend zum IDAHOBIT ist QU(E)ER DURCHS LAND am 14. Mai 2025 erschienen.

AS

PS: Ebenfalls passend zum Aktionstag, der seit 2005 begangen wird, gibt es morgen einen sehr queeren Polizeiruf 110 aus München. Unsere Besprechung gibt's am Vormittag (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre). Und Montag gibt es keine lange Strecke, dafür queere Wege und Orte in Berlin (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)

IN EIGENER SACHE: Da unser reguläres Online-Magazin noch immer nicht wieder am Start ist, veröffentlichen wir vorerst hier. Mehr dazu lest ihr in unserem Instagram-Post (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre) oder auf Facebook (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre). Außerdem freuen wir uns immer, wenn ihr uns einen Kaffee spendieren wollt (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre).

Eine Leseprobe findet ihr hier (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre).

Brix Schaumburg (mit Lena Schindler): QU(E)ER DURCHS LAND – Von der Vielfalt des Lebens und der Suche nach mir selbst (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre); Mai 2025; 288 Seiten; Paperback, Broschur; ISBN: 978-3-453-60708-8; Heyne Verlag; 16,00 €

Sujet Sachbuch

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