Januar (#27)
![](https://assets.steadyhq.com/production/post/53ab9e48-7789-4fc5-a0d8-5f7222021d8e/uploads/images/ebvlkmbwby/Bildschirmfoto_2024-05-02_um_07.46.40.png?auto=compress&w=800&fit=max&dpr=2&fm=webp)
Eine meiner Ideen (um nicht von Vorsätzen zu sprechen) für dieses Jahr ist es, häufiger in die Sauna zu gehen, und bisher habe ich das gut gemeistert, immerhin zweimal war ich schon da. Die Temperaturen und der Geruch lassen mich zuverlässig an den Herbst 2019 denken, in dem ich für drei Monate in Stuttgart gewohnt und Sauna erst so richtig für mich entdeckt habe. Ich war damals gefühlt ständig im Leuze und danach sehr entspannt in meiner winzigen Wohnung, habe viel Bonny Doon (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre) gehört und versucht, mit einem neuen Romanprojekt anzufangen (und außerdem aufgehört, Alkohol zu trinken). Ich schwitze also und denke daran, und zurück in meiner Wohnung lese ich einen Satz von Renee Gladman, den ich unterstrichen habe: “I end up having to write other books about how I couldn’t write those original ones”.
![](https://assets.steadyhq.com/production/post/171a011a-dd8f-4f92-a1b2-255bb38da8c5/uploads/images/q3byc2i5np/20250128_111056_419.jpeg?auto=compress&w=800&fit=max&dpr=2&fm=webp)
In einer Datingapp habe ich vor Ewigkeiten schon unter Ziele angegeben: Lifegoal: Garten mit Fass-Sauna. Ich sehne mich nach der Hitze.
〰️
Es gibt noch andere Ideen (Vorsätze, Ziele, Wünsche) für dieses Jahr, beispielsweise gibt es das Wort Schreibroutine. Ich hab es auf eine Notizbuchseite geschrieben, ganz oben, und ich denke, ich meine damit vielmehr das Schreiben an sich als eine mir zu erarbeitende Routine. Gibt es einen Unterschied zwischen dem Schreiben als Gewohnheit und dem Schreiben als Job? Kann ich von Routine sprechen, wenn ich alle paar Monate schwallartig schreibe, hundert Seiten in drei Wochen, und dann wieder wochenlang: nichts? Irgendwie scheint das ja so zu sein; mein Schreiben findet in Extremen statt. Das eine Extrem fühlt sich gut an. Das andere lässt mich verlässlich verzweifeln. “Sometimes when I stop writing I’m sure I’ll never write again […]”, schreibt Renee Gladman.
〰️
Zwei, drei Tage im Januar schreibe ich so, dass es sich gut anfühlt, wie Vorankommen, nur um im Anschluss eine ganze Woche in den Seilen zu hängen. Ich schreibe in der Küche, wo ich den kleinen Tisch wie einen Schreibtisch quer an die Wand gestellt habe; ich schreibe nicht am Schreibtisch, der wie ein Esstisch längs ins Wohnzimmer ragt. Und ich schreibe nicht in der Küche, ich sitze nur da und trinke mehr Kaffee als sonst, und ich snacke viel mehr als sonst, was nicht nur daran liegt, dass ich den Kühlschrank im Rücken habe. An einem Morgen gehe ich ins Café, das einzige weit und breit, das schon geöffnet hat, und bestelle Americano, weil ich so früh keinen Milchschaum ertrage, und setze mich an einen Tisch am Fenster, auch weil der Optiker sagte, ich würde gut daran tun, zwischendurch vom Bildschirm auf und in die Ferne zu schauen. Und ich schreibe an diesem Morgen im Café, bestimmt zwei Seiten. Ich trinke meinen Americano, ich esse heimlich mein mitgebrachtes, glutenfreies Porridge, und ich verlasse das Café nach circa siebzig Minuten und fühle mich zufrieden. Als hätte ich etwas geschafft (im Überarbeiten frage ich mich, was dieser Konjunktiv hier eigentlich soll, aber ich lasse ihn stehen). Ich übe mich darin, dankbar zu sein; so einen Morgen wertzuschätzen, an dem ich nirgendwohin muss, nicht ins Büro, nicht in die Firma, nicht in die Arbeit, sondern stattdessen meine Zeit im Café verbringen und mir ein Heißgetränk für drei Euro achtzig leisten kann.
Ermutigt von dieser Erfahrung (übrigens an einem frostigen, fast wolkenlosen Morgen) versuche ich es in derselben Woche nochmal, doch ich bin langsamer an diesem Tag. Ich bin später dran und die Plätze am Fenster im Café sind belegt, sowieso ist viel los, Menschen mit Babys in Tragetüchern, Menschen über Computer gebeugt, Menschen mit Zeitung, Menschen in Joggingkleidung, die Zimtschnecken essen. Ich setze mich an den großen Tisch in der Mitte, an dem wahrscheinlich ein Gefühl von Co-Working entstehen soll, ich nehme den Laptop aus dem Rucksack, gieße mir Wasser ins Glas, ich nippe am Americano, stecke die AirPods in die Ohren und lege los, will loslegen, bin bereit. Aber es geht nicht. Es stockt. Meine Hände und Finger sind eine angezogene Handbremse, mein Kopf ist schwer. Woran liegt das, wenn Schreiben nicht gelingt? Ich nicht hineinfinde? Die Buchstaben auf der Tastatur kommen mir nichtssagend vor, und jedes Wort, das ich tippe, kommt mir nichtssagend vor, jeder halbe Satz und jeder ganze Satz, und ich spüre so sehr meinen Körper und die Umgebung, in der sich mein Körper befindet dabei. Ich höre eines der Babys krähen. Ich höre die Siebträgermaschine. Ich höre das Lachen und das Sprechen der beiden mir gegenüber, die am großen Tisch sitzen und nicht arbeiten, sondern gemütlich Croissants essen. Von dort, wo ich sitze, kann ich den Eingang sehen, durch den immer mehr Menschen hineinströmen und ihre eigene Café-Erfahrung haben wollen, mit einem Lächeln treten sie ein und schauen sich um, schauen, was es gibt, und dann wollen sie Matcha Latte und Cappuccino und Panini. Ich mache das, wovon der Optiker mir im Grunde gänzlich abgeraten hat, und starre auf den Screen, starre auf das Dokument, starre auf den Cursor, der langsam blinkt wie das Klischee, das er ist, und spüre, wie die Anspannung in mir brodelt. Ich versuche, einen Satz zu schreiben, und ich schreibe einen Satz, und er ist nichtssagend, er spricht nicht zu mir, er löst nichts aus, und ich lösche den Satz wieder und bin frustriert und genervt von all den Geräuschen und Gerüchen und Menschen um mich herum, und ich bin frustriert und genervt von mir selbst, weil ich ja offenbar erwarte, das Café am frühen Vormittag für mich alleine zu haben, den besten Platz am Fenster und eine ordentliche Menge Inspiration, aber die ist nicht vorhanden, und das ist, after all, das größte Problem: Ich sitze uninspiriert im Café, habe drei Euro achtzig ausgegeben für Kaffee, der langsam kalt wird, habe, obwohl ich beinah schon Hunger auf Mittagessen bekomme, noch nichts geleistet, nichts geliefert, nichts geschafft. Außerdem ist es mir, wenn ich ehrlich bin, hier drin ein bisschen zu warm.
“Do you have this? Always wishing you would do the thing you’re always wishing you would do?” (Renee Gladman)
Werde Unterstützer*in, um diesen Text weiterlesen zu können 🤝 Das geht ab 3 € pro Monat.
Jetzt weiterlesen (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)
Déjà membre ? Connexion (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)