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Schöner, schneller, schlauer scheitern

Du möchtest Communitys besser verstehen? Du würdest gern mehr Abos oder Mitgliedschaften verkaufen? Mein Community-Marketing-Newsletter „Blaupause“ macht dir dabei Mut. Diese Woche: Fang an zu scheitern, schnell!

Diese Blaupause wird präsentiert von der Media Innovation Masterclass (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)

In 4 Monaten berufsbegleitend Dein individuelles Projekt mit professioneller Hilfe passgenau aufsetzen? Dazu in Workshops, Coachings und Expert*innen-Talks Input zu Themen der digitalen Transformation erhalten? Das erwartet Dich in der Media Innovation Masterclass – die kostenfreie Weiterbildung für angestellte & selbstständige Journalist*innen, Medienschaffende und Gründer*innen in NRW an den Schnittstellen von Content, Technologie und Distribution. Bewerben kannst Du Dich bis zum 10. Januar 2023 beim Journalismus Lab. Bist Du dabei? 

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Hallo!

Ich bemühe mich sehr, nicht zum Motivations-Coach zu verkommen. Die Blaupause darf kein Ort für Linkedin-Kalendersprüche sein und wohlfeile Ratschläge, die nicht helfen, sondern nur dazu führen, dass du dich schlechter fühlst. 

Having said that: Ich wundere mich seit Jahren über unsere Obsession mit dem Begriff Scheitern. Darum erlaube ich mir heute ein paar Plattitüden und Allgemeinplätze. Mein ernst gemeinter Kalenderspruch dazu ist das Thema dieser Ausgabe: Hör auf, über das Scheitern nachzudenken!

Warum Deutschland so gern scheitert

Deutschland ist besessen vom Scheitern. Niemand auf der Welt scheitert mit mehr Hingabe. Ich hab nachgesehen: Mehr als 2.000 Bücher zum Stichwort Scheitern liefert Amazon. Die Schönheit des Scheiterns, Scheitern als Performance, neuerdings auch: Achtsam Scheitern. Deutsche Ehen scheitern, deutsche Schulen scheitern, deutsche Fußballer scheitern. WTF?

Was anderswo als ein anstrengender, aber unbedeutender Fail behandelt wird, als Blamage, ist bei uns schnell eine Lebenskatastrophe. Ganz schlimm ist es in der Wirtschaft, wo eine Insolvenz einer Bankrotterklärung des Charakters gleichkommt. Zwei Jahre trank eine mir bekannte Person jeden Tag eine Flasche Cognac, um die Schmach der Insolvenz des Familienunternehmens zu verwinden. Über die Folgen hatte ich hier schon mal geschrieben (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre): In kaum einem anderen Land ist die Lust so wenig ausgeprägt, ein Unternehmen zu unternehmen. Ein Grund ist unsere Obsession mit dem Scheitern.

Unter "Entrepreneurial Intentions" ragiert Deutschland auf Platz 44 von 47 des Global Entrepreneurship Monitor (PDF) (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre). Fast nirgendwo auf der Welt haben die Leute so wenig Unternehmergeist wie bei uns.

Natürlich ist niemand davon frei, auch ich nicht. Bei mir nimmt die Angst vor der Blamage mit dem Alter immerhin ab. Zu oft habe ich früher eine Idee nicht ausprobiert, aus Sorge, damit öffentlich baden zu gehen. Zum Beispiel hatte ich mal eine ziemlich gute Idee für eine App namens y/n, die geholfen hätte, Entscheidungen zu fällen. Damals – vor zehn, zwölf Jahren oder so – wäre das ziemlich cool gewesen, auch wenn’s heute oll klingt. Was draus geworden wäre? Ich werde es nie herausfinden.

Darum hier eine Botschaft an alle jungen Blaupause Leser:innen: Scheitern ist notwendig. Es ist eine wichtige Arbeitsmethode. Scheitere, aber möglichst schnell und schlau.

Scheitern als Methode: Hypothesen testen

Unternehmer:innen erkennt man meiner Erfahrung nach daran, dass sie in genau diesem Punkt wenig empfindlich sind. Ihnen fehlt die Angst vor dem Scheitern. Aus unterschiedlichen Gründen: Manche sind bereit, für das Geld hohe Risiken einzugehen. Andere schätzen Autonomie; die Möglichkeit, selbstbestimmt zu entscheiden. Wieder andere treibt ein Jesus-Komplex.

„Blamieren oder kassieren“ ist für erfolgreiche Unternehmer:innen jedenfalls kein Gegensatz. So denken sie nicht. Man bekommt einfach nichts Neues hin, ohne irgendwo, irgendwie anzufangen. Klar wird das anfangs nicht toll sein, fast alles wird schiefgehen. Genau darum geht es ja. Wer will, kann das Scheitern nennen. Aber wozu?

Eine Firma, eine Publikation, ein Projekt zu beginnen, braucht erstmal eine Idee. Aber gleich danach muss möglichst schnell das Scheitern anfangen. Früh und schnell scheitern, das ist die Methode. Nur wenn ich herausgefunden habe, was alles nicht klappt, weiß ich irgendwann, was klappt. Indem man einfach alle Möglichkeiten ausprobiert. Wissenschaftler arbeiten ja auch so: Hypothesen testen. Sollten wir all die missglückten Laborversuche, die der Erfindung des Penicillins vorausgingen, Scheitern nennen?

So wirst du den Respekt vor dem Scheitern los

Tolle Rede, Mann. Aber wie wird man die Angst, oder sagen wir den Respekt vor dem Scheitern los? Drei Tipps:

Anti-Ziele

Vergiss mal kurz, was du erreichen willst. Schreib auf, was du alles auf keinen Fall willst. Für mich ist das zum Beispiel: Andere Leute anstellen und managen. Zeit in Meetings verbringen. Am Wochenende arbeiten. Schreib zweitens auf, was du stattdessen willst. In meinem Fall: Mit guten Leuten zusammenarbeiten. Diese Leute an Gewinnen beteiligen. Schnell launchen, langsam wachsen. Drittens schreibst du dann auf die Rückseite eines Briefumschlags, wie du dahin kommen könntest.

Klein denken

Ein neues Projekt fühlt sich oft sehr groß an, denn das ist es vielleicht ja auch. Wir durchdenken es ausführlich wochenlang und stoßen auf immer neue Widersprüche und Probleme. Resultat: Du fängst gar nicht erst an. Trickse dich selbst aus, indem du dir verbietest, groß zu denken. Denke so klein wie möglich. Was kannst du in der nächsten Minute tun? Was in der nächsten Stunde, morgen, diese Woche? Wie kommst du nicht auf tausend Leser:innen, sondern auf eine:n einzige:n? Was kannst du tun, damit die Person 1 Euro zahlt, statt gleich 120?

Selbst machen

Je größer du denkst, desto unerreichbarer scheint alles. Man braucht dann sofort andere Leute wie Designer, Programmiererinnen, Investor:innen. Nein, brauchst du erstmal nicht. Statt eine App zu bauen, ein Logo in Auftrag zu geben oder ein Podcast-Studio einzurichten, fang mit einem Newsletter oder Blog an, nimm ein Emoji als Icon und benutze dein Telefon, um die erste Episode aufzunehmen. Häufig sind all diese Dinge nämlich Prokrastination: Ausreden, um nicht anfangen zu müssen. Bastel dir also erstmal irgendwas zusammen, oder mach alles per Hand. Erst wenn du dadurch verstanden hast, was die Leute wollen, mach eine Maschine draus.

So und wem das jetzt zu trivial war, für den hab ich noch einen nachdenklichen Spruch mit Bild (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre):

Bis nächsten Montag!   
👋 Sebastian

PS:

😵‍💫 Apropos leere Phrasen: „Children are the future“ heißt dieser satirische Simpsons-Song aus den 2000ern. Ich habe den Satz seitdem schon häufig gehört und auf Wahlplakaten gelesen. Keine Ironie, nirgends.

https://youtu.be/EV0ozgSrFM0 (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)

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