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Vom Fühlen und Schreiben.

Wie die Erlaubnis zum Fühlen mein Schreiben auf den Kopf stellt und über die Herausforderungen, die unser kreatives Wachstum mit sich bringen kann.

Der sanfte Wiedereinstieg ins kreative Tun nach meiner kleinen Pause ist gelungen und diese Woche war gefüllt mit vielen Begegnungen, Ideen, Gedanken, Gefühlen und Zeit für mich. Eine Mischung, die extrem anstrengend und gleichzeitig außerordentlich erfüllend sein kann. Beides erfordert in meinem Fall den letzten Punkt: Zeit für mich. So sehr ich die Momente mit lieben Menschen und den Austausch mit anderen auch genieße, irgendwann muss ich das alles dann auch mal für mich ganz alleine sortieren, in Ruhe fühlen und einordnen. Und genau darum soll es heute auch gehen: das bewusste Fühlen und Verarbeiten von Eindrücken, Gedanken und Emotionen. Ich habe das Gefühl, dass dieser wichtige Vorgang bei vielen von uns, mich eingeschlossen, selten bis gar nicht stattfindet. Damit vernachlässigen wir unser mentales Wohlbefinden und werfen vielleicht großartigen Stoff für unsere Kunst einfach so weg. Wie oft höre ich von Freund:innen, Familienmitgliedern und Bekannten, dass sie keine Zeit für nichts haben. Es reicht nicht mehr nur der Stress, den der Job vielleicht mit sich bringt, nein, es gibt auch noch den herrlichen Begriff „Freizeitstress“ für die unbezahlten Stunden, in denen wir von A nach B rennen, weil…. ja warum eigentlich? Keine Ahnung. Wenn nach diesem ganzen Stress dann mal etwas Platz ist, wird der zum Herumliegen und Netflix gucken und am besten noch mit dem Konsum verschiedener Genussmittel genutzt, weil man so kaputt ist und nichts anderes mehr schafft und „einfach mal abschalten will“. Selbst wenn wir also nichts tun, findet immer irgendeine Art von Input statt, der unsere inneren Vorgänge vernebelt.

Ich würde es nicht wagen auch nur einen Menschen für diese Lebensweise zu verurteilen, außer mich selbst vermutlich, aber ich halte es durchaus für richtig, das eigene Verhalten einmal zu hinterfragen. Seit ich mich radikal von dieser Dauervernebelung gelöst habe - kein großartiger Stress mehr wegen irgendeines Jobs, kein Alkohol, kein Cannabis oder sonstige Störenfriede für klare Sicht nach innen -, hat sich ein ganzer Rattenschwanz an Themen, die ich so mit mir herumgetragen habe, nach und nach verflüchtigt. Zu Beginn machte das Ganze ehrlicherweise überhaupt keinen Spaß und auch jetzt denke ich von Zeit zu Zeit daran, wie viel leichter es wäre, sich in die stresserfüllten Gespräche über Jobs und andere wichtige Dinge einzureihen. Dann hätte ich keine Zeit für meine Gefühle in der Warteschleife und gehörte einfach dazu, was immer ein gutes Gefühl ist, oder nicht?

Nein, danke. Nicht dazuzugehören sehe ich mittlerweile als großes Glück und ich bin sehr froh, bisher nicht nachgegeben zu haben, ganz gleich wie herausfordernd es sein kann. Nicht nur mein Schreiben dankt es mir jeden Tag. Um auf den Punkt zu kommen: Wie soll man denn authentisch schreiben, wenn man sich nicht traut, zu fühlen, was man schreibt? Meine Texte sollen andere Menschen berühren und etwas in ihnen auslösen, doch wie soll das gehen, wenn ich das Gefühl, das ich zu Papier bringen will, selbst nicht kenne und nicht einmal wage, es mir vorzustellen? Für mich ist das Schreiben ein wunderbarer Ort, um alle Emotionen und Gedanken in einem geschützten Raum stattfinden zu lassen, vielleicht auch der einzige, an dem ich mir schon immer erlaubt habe voll und ganz ich selbst zu sein. Ab einem gewissen Punkt greift jedoch meine innere Zensorin ein und lässt meine Finger nicht das tippen, was ich eigentlich zu sagen vermag. So entsteht immer wieder nur eine seichte Version dessen, was in mir schlummert. Man kann an dieser Stelle mit schriftstellerischem Handwerkszeug arbeiten und mit verschiedenen Übungen gegen diese automatisierte Zensur vorgehen (das ruft doch nach einem weiteren Schreibimpuls!) und lernen, das Fühlen zumindest auf dem Papier wieder zuzulassen.

Ein hervorragender Beginn dieses „begleiteten Fühlens“ war für mich das Schreiben der Morgenseiten, die Julia Cameron in ihrem Buch „Der Weg des Künstlers“ empfiehlt. Ich hatte davon bereits in einem früheren Beitrag erzählt, aber ich sie möchte denjenigen, die es noch nicht versucht haben, erneut ans Herz legen. Das Prinzip ist ganz einfach: Jeden Morgen direkt nach dem Aufwachen schreibt man drei A4-Seiten voll, ohne groß nachzudenken, auf Rechtschreibung oder Grammatik zu achten. Das Wichtigste ist, dass man diese drei Seiten vollständig füllt. Erst ab einem gewissen Punkt, wenn man eigentlich denkt, man hat nichts mehr, das man aufschreiben könnte, bei mir meist nach einer Seite, kommen die wirklich tiefen Gedanken ans Licht, die uns blockieren und zensieren. Wenn diese Dinge einmal aus uns herausfließen, auf diese Seiten, dann können wir sie vielleicht auch endgültig gehen lassen. Diese Seiten sind nicht für fremde Augen bestimmt und sollen laut der Autorin nicht einmal von uns selbst im Nachhinein gelesen werden, sondern eher als Papierkorb für unser Inneres dienen. Ich verlinke hier einmal das Buch, falls du mehr darüber erfahren möchtest:

Natürlich bin ich stolz auf mein kreatives Wachstum, das einen unübersehbaren Einfluss auf mein gesamtes Dasein hat. Durch diese Entwicklung entsteht eine Gleichzeitigkeit, die jedoch auch herausfordernd sein kann. Man spürt ein Vorankommen, ein unbeschreibliches Gefühl, das sich einstellt, wenn man so lange für etwas arbeitet und endlich Fortschritte sieht, an die man schon fast nicht mehr glaubte. Es ist ein Näherkommen dem Leben als aktiv kreativer Mensch und zugleich wird die Entfernung zu den Menschen, die einer konventionellen Lebensweise nachgehen, immer größer. Ich halte keine der beiden für besser oder schlechter, sie sind einfach verschieden. Und in diesen Beziehungen gilt es eine Balance zu finden, die Verständnis und Milde auf beiden Seiten erfordert. Dieser Gedanke beschäftigt mich seit einem Gespräch, das ich mit einer relativ frisch lieb gewonnenen Person führte, die ähnliche Gedanken dazu mit mir teilte und sich von Freund:innen in den seltensten Fällen verstanden fühlt, unter anderem weil sie von diesen ungefragt mit gut gemeinten Ratschlägen konfrontiert wird. Ratschläge der vermeintlichen Vernunft.

Dieser Zustand sorgt nicht selten dafür, dass wir unsere Erfolge manchmal gar nicht vollständig genießen können, man ist damit beschäftigt, sie zu erklären. Während es wirklich anstrengend ist, sich und sein Tun immer wieder zu erläutern, bin ich jedoch auch mehr als dankbar dafür, dass es diese Menschen gibt, die in einer völlig anderen Welt leben als ich und dennoch so viel Interesse an meiner Person zeigen, dass sie sich immer wieder aufs Neue nach Dingen erkundigen, die eigentlich völlig außerhalb ihrer Interessen liegen. Was für ein Geschenk! Natürlich rutscht ihnen ab und an ein Ratschlag raus, der fernab meiner Realität liegt - in ihrer ist er jedoch naheliegend. Und in diesem Moment stellt sich mir die Frage, wie oft ich diesen Menschen völlig ihrer Welt fremde Ratschläge gebe. Jetzt habe ich das Gefühl einen abschließenden Satz mit der Moral dieser Geschichte einzufügen, doch vielleicht reicht es auch einfach aus, mehr Fragen zu stellen und nur dann Ratschläge zu erteilen, wenn sie auch eingefordert werden.

Bis nächste Woche (oder Mittwoch zum Schreibimpuls)!

Alles Liebe

deine Sarah

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