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Dranbleiben.

Über die Frage, wie man es schafft weiterzumachen, wenn der Zauber des Anfangs verblasst und was uns eigentlich davon abhält, unsere Werke zu beenden.

Kennst du das Gefühl, wenn du all deinen Mut gesammelt und endlich mit dem Schreiben begonnen hast? Du hast es geschafft, du sitzt am Laptop und schreibst an einem Roman, einem Gedichtband, einer Kurzgeschichte, vielleicht arbeitest du auch an einem Song. Es fühlt sich gut an, das leise Klicken der Tasten, das die Buchstaben auf dem Bildschirm in Worte, Sätze und Geschichten verwandelt. Im Tun zu sein und etwas zu schaffen, mit dem man so lange haderte, kann regelrecht beflügelnd sein. Und dann geht dir die Puste aus. Einfach so. Einfach so hörst du wieder auf mit dem Schreiben, wagst dich immer seltener an Tastatur oder Notizbuch. Und dann sieht das von außen ein bisschen aus, wie die Mitgliedschaft im Fitnessstudio, die man Anfang des Jahres abschließt: Im Januar bist du voller Elan und überwindest deinen inneren Schweinehund, du bist stolz auf dich, bemerkst vielleicht sogar schon Fortschritte und ziehst davon angefixt auch den Februar noch durch. Im März ist die erste Euphorie verklungen, es stellt sich eine gewisse Routine ein und irgendwie ist der Besuch in der Muckibude nichts Besonderes mehr, sondern alltäglich. Alltäglich. Mit diesem Attribut verliert das Vorhaben völlig den Glanz, in dem es noch vor wenigen Wochen in Erscheinung trat. Man rafft sich ab und an nochmal auf, weil man weiß: „Es tut mir eigentlich gut“, aber spätestens im Mai bleiben die Laufbänder wieder leer. Oder man erfreut sich an der sich mit jedem Mal vertrauter anfühlenden Situation und macht weiter.

Das Schreiben sieht aus der Ferne recht glamourös aus, auch wenn die Schriftstellerei sich immer noch in die Riege der brotlosen Künste einreiht. Selbst die Schreibblockade wird bis aufs Mark romantisiert, als wäre sie eine Art Held:innenreise und auf wundersame Weise trägt der Wind am Ende die perfekte Idee durchs Fenster und wir müssen nur noch tippen. Wer, so wie ich, mit dieser Vorstellung an die ersten Schreibprojekte rangeht, wird schnell merken, dass es ab einem gewissen Punkt in der Regel anders läuft. Ich schreibe nicht immer an meinem Fenster sitzend, mit einer Tasse Tee und bei Kerzenschein. Manchmal sitze ich nachts um drei mit meinem Laptop im Bett und kann vor Müdigkeit die Buchstaben kaum erkennen, aber wenn ich diese Idee nicht jetzt sofort aufschreibe, dann ist sie weg. Jetzt gerade sitze ich auf meiner Couch, neben mir steht ein Glas Leitungswasser, dessen Inhalt sich bei jeder Bewegung über mein Handy ergießen könnte, das genau neben mir liegt, weil ich zwischendurch noch Nachrichten schreibe und kurz auf Instagram checke, wie mein aktueller Beitrag ankommt. Mein Nachbar, der mit der unangenehm lauten Stimme, hat Besuch von mindestens drei weiteren lauten und unangenehmen Stimmen, deren Gesprächen ich unfreiwillig lausche, während ich diese Zeilen hier tippe. Das klingt herrlich romantisch, nicht wahr? Ja, irgendwie tut es das in der Tat. Würde ich mich durchs Fenster sehen, konzentriert auf den Bildschirm blickend und emsig tippend (aus der Ferne sieht man ja nicht so genau, dass ich die Hälfte der getippten Buchstaben mindestens einmal wieder lösche) - da muss doch gerade ein Meisterwerk entstehen!

Aber wie kommen denn nun all die fertiggestellten Geschichten zustande, wenn das Schreiben doch so schnell seinen Glanz verliert? Wer schreibt denn etwas zu Ende, wenn es keinen Spaß mehr macht? Macht es denn automatisch keinen Spaß mehr, nur weil es zwischendurch auch mal anstrengend wird? Die Lehrenden aus meiner Schulzeit würden an dieser Stelle vermutlich sagen: „Hier trennt sich die Spreu vom Weizen“, was ich für einen absolut dämlichen Vergleich halte, wir sprechen hier schließlich über Menschen mit den verschiedensten Bedürfnissen, Neigungen und Begabungen. Vielmehr denke ich, dass sich an diesem Punkt, an dem das Schreiben auch mal ungemütlich wird, weil der Plot nicht so funktioniert, wie man sich das vorgestellt hat oder die Figuren einfach nicht lebendig werden wollen, zeigt, ob wir uns wirklich auf das Schreiben einlassen wollen oder einer Vorstellung davon hinterherjagen. Vielleicht ist das die Schwelle zwischen Verliebtsein und Liebe.

In Gesprächen mit anderen Schreibenden kristallisierte sich heraus, dass einige von ihnen die Sache ein bisschen nüchterner angehen, als ich das tue und für diesen Blick über den eigenen Tellerrand bin ich immer sehr dankbar. Eine Sache, die als besonders hilfreich betrachtet wird, wenn es darum geht, seine Werke fertigzustellen, sind Deadlines. Ein vom Außen festgelegter Zeitpunkt, an dem wir unsere Zeilen einreichen müssen, ob wir uns bereit dazu fühlen oder nicht. Durch Verlage oder Einsendeschlüsse für Literaturwettbewerbe zum Beispiel. Ab und an genieße ich diese Art von Druck auch, wie sich wieder einmal in Bezug auf den Thalia Storyteller Award herausstellte, der mich doch an meine Grenzen brachte und gleichzeitig zu meiner Höchstform auflaufen ließ. Das Ergebnis könnt ihr hier begutachten:

Natürlich gilt auch beim Schreiben: Routinen können viel bewirken. Ich denke, dass nicht wenige Schriftsteller:innen mit Gewohnheiten, die sie sich über die Zeit hinweg erarbeitet haben, sehr weit kommen und damit sicher auch gut fahren. Ich kann mir vorstellen, dass einige der erfolgreichsten Autor:innen so vorgehen, denn es ist ja nur vernünftig, mit einer Art Plan gerade an größere Projekte ranzugehen. Oder? Kann man das so allgemein sagen? Ich denke, das ist gar nicht so pauschal zu beantworten. Selbst die Handvoll Schreibende, die ich kenne, schreibt auf so unterschiedliche Art und Weise, dass ich mich davor hüten werde, uns alle in einen Topf zu werfen und den allgemeingültigen Rat zu geben: „Du musst dir Routinen schaffen“ oder „Setze dir selbst Deadlines“. Aber ich kann mit hundertprozentiger Sicherheit sagen, dass es mir hilft, mich darüber auszutauschen und in Etappen zu denken. Klein anfangen. Meine ersten Texte waren Gedichte, nicht länger als vier oder fünf Zeilen, dann wurden sie immer länger, dann schrieb ich eine Weile gar nicht. Nun sind ein Kurzgeschichtenband und ein Kurzroman erschienen. Das nächste Projekt ist ein Buch mit etwa 200 Seiten. Das Lesen habe ich schließlich auch mit kleinen Geschichten gelernt, mit Pixi-Büchern und Märchen, die vielleicht fünf Seiten lang waren. Warum sollten wir es mit dem Schreiben überstürzen und denken, es wäre eine gute Idee von null auf 600 Seiten durchzustarten, ohne je ein einziges Kapitel verfasst zu haben? Läuft man etwa auch einen Marathon, ohne jemals zuvor wenigstens 5 Kilometer gelaufen zu sein? Das halte ich für unwahrscheinlich, ganz abgesehen vom Verletzungsrisiko, dem man sich damit aussetzen würde. Wer sich in Geduld übt und den Prozess des Schreibens mit all seinen Facetten zu genießen lernt, der schreibt auch bis zum Ende, da bin ich mir sicher. Und selbst wenn nicht: Hattest du dann nicht doch einfach auch eine wunderbare Zeit mit deinem Schreiben?

Bis nächste Woche!

Alles Liebe

deine Sarah

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