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Die Nacht, in der die Mauer fiel

Gudrun Anders, 2014

25 Jahre soll der Mauerfall mittlerweile her sein? Die inneren Bilder zu dieser Nacht sind in mir noch immer so lebendig, als sei diese völkertrennende Mauer erst letzte Woche gefallen.

Aber von vorn. Ich bin in Lübeck geboren und aufgewach­sen. Lübeck ist eine kleine Hafenstadt an der Ostsee und liegt direkt an der Grenze zur ehemaligen DDR.

In den ersten 28 Jahren meines Lebens kenne ich es nicht anders, als dass Lü­beck, der alten Hansestadt hoch im Norden Deutschlands, eine Richtung fehlt: Die Wege in die DDR waren versperrt, und ich bin noch in dem täglichen Wissen aufgewachsen, dass es hindernde Grenzen gibt. Und dass geschossen wird. Dass es grimmig dreinblickende Soldaten gibt, die Deutsche nicht zu Deutschen lassen, was ich als Kind gar nicht verstehen konnte. Dass Familien durch eine Sperrzone mit Minen getrennt sind und sich nicht sehen und nicht sprechen können. Dass Fahr­ten nach West-Berlin mit strengsten Kontrollen und komplet­ter Demontagen der West-Fahrzeuge einhergingen.

Ich bin damit aufgewachsen, dass an unserem Lieblings­strand auf dem Travemünder Priwall die Grenzer mit Geweh­ren im Anschlag patrouillierten und wir uns zu benehmen hatten, damit wir keinen – womöglich tödlich endenden – Zwischenfall an der deutsch-deutschen Grenze provozierten.

Ich war damals 28 Jahre alt und mit einem »Ossi« liiert. Der damals 31jährige war unter Aufbietung all seines Mutes mit nur einem kleinen Köfferchen und wenigen Habseligkeiten am Leib bei Nacht und Nebel über die ungarische Grenze aus der DDR geflüchtet, um dann wieder nach Norden zu gehen und seiner Familie – auch wenn er sie nicht mehr besuchen konnte – so nah wie nur möglich zu sein.

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