Budgetplanung für heilkundliche Unternehmer
Ein Spagat zwischen Hilfe und Wirtschaft
Selbständige / Freiberufliche aus den Bereichen Spiritualität, alternative Heilkunde und auch Künstler und die Kreativen haben sehr oft einiges gemein: Sie sind Gut-Menschen, leisten viel, wollen im Ansatz auch versuchen die Welt zu retten, sind Idealisten hoch 3 und – verzetteln sich und / oder haben wenig Geld bzw. Einkommen zur Verfügung.
Seit 2012 berate ich ausschließlich Selbständige und Existenzgründer, die einen ganzheitlichen oder auch spirituellen Ansatz haben: Autoren und Heilpraktiker/innen, spirituelle Berater, Fitness-Trainer, Yogastudios, Ernährungs- und Gesundheitsberater und ähnliches. Und immer wieder stellen wir fest, dass Menschen helfen und wirtschaftliche Aspekte unter einen Hut zu bekommen, manchmal nicht so ganz einfach ist.
Eine Existenz soll „tragfähig“ sein, heißt es da im Business-Deutsch. Das bedeutet, dass durch die eigene Arbeitsleistung nicht nur die Kosten für die monatliche Praxis- und Wohnungsmiete, sondern auch die Lebenshaltungskosten, Strom, Werbung und auch die Kosten für die vielleicht nötige Putzfrau gedeckt sein sollen. Die Lebenshaltungskosten und auch Gewinne, um sich einen Urlaub leisten zu können, sollten selbstverständlich auch erwirtschaftet werden.
So mancher Gründer und erst recht die Gründerinnen bekommen bei dieser Aufgabe lange Ohren, wenn ich ihnen einen Berechnungsbogen für die monatlichen Kosten vorlege und darum bitte, hier einmal die geschätzten Kosten einzutragen. So ein „Haushaltsbuch“ kann fatale Folgen haben, denn mit so einer hohen monatlichen Kostenbelastung hat kaum eine/r gerechnet! Plötzlich erscheint es extrem viel, was monatlich plötzlich erarbeitet werden muss oder zumindest sollte.
Noch länger werden die Ohren, wenn dagegen gerechnet wird, wie hoch der monatliche Umsatz sein muss, um diese Kosten zu decken und vielleicht auch noch etwas für die Altersvorsorge zurücklegen zu können. Den meisten fallen dann die Scheuklappen herunter.
Mit einem Anerkennungsbeitrag von 12, 15 oder vielleicht 25 € für eine Stunde Arbeit ist man dann gedanklich schon im Burnout, ehe man auch nur die Hälfte der Kosten erwirtschaftet hat. Und selbst mit einem Stundenlohn von 30 € kommen die potentiellen Selbständigen maximal mit einer 1-Zimmer-Wohnung mit Plumpsklo zurecht, der gemütliche Garten mit Swimmingpool des netten, wohlhabenden Nachbarn muss dann für die nächsten Jahre als Urlaubsdomizil reichen.
Ich glaube, wir ganzheitlichen und heilkundlichen Unternehmer müssen lernen, die Brücke zwischen Hilfsbereitschaft und „Kommerz“ – wie es von vielen betitelt wird – zu erschaffen. Zwar sollte man Hilfe für andere nicht komplett links liegen lassen, allerdings auch nicht auf Kosten anderer zu hohe Honorarforderungen oder Produktverkäufe tätigen. Eine Balance sollte gewahrt werden.
Viele der mir bekannten Selbständigen im alternativen Bereich wollen auch gar keine Millionen erarbeiten. Ein Auskommen reicht Ihnen gänzlich aus. Wenn Sie die Arbeit tun, die Ihnen am meisten Spaß macht, dafür so viel Geld verdienen, dass Sie sich ein gutes Leben erlauben können und auch noch etwas für die Rente zurückgelegt werden kann, sind viele, vielleicht sogar die meisten, zufrieden.
Fatal wird es nur, wenn Geld und Umsatz komplett abgelehnt werden und eine finanzielle Blockade entsteht. Dies könnte sein:
die Annahme, dass Geld etwas Schlechtes ist
das Gefühl, es nicht wert zu sein, für seine Dienste bezahlt zu werden
Geld zu verteufeln, weil es für die Probleme der Welt verantwortlich wird
dem Glauben zu verfallen, das Geldspiel nicht mehr mitmachen zu können oder zu wollen
die Einstellung „Gott bringt mir schon zur rechten Zeit das nötige Kleingeld, also brauch ich mich darum nicht kümmern“
die Idee, das man selbst ja nicht so viel benötigt, aber gleichzeitig neidisch auf Menschen schaut, die mehr haben, als man selbst
Ängste in Bezug auf die eigene Existenz bzw. deren Sicherung
zu glauben, man könnte das Spiel der Welt ändern, in dem man (als Einzelner) einfach passiven Widerstand leistet
sich in Abhängigkeit zu Jobcentern, Ehemännern oder Niedriglohn-Unternehmen begibt und nicht versucht, daran etwas zu ändern
u.v.a.m.
Wer arbeitet und seine Dienstleistungen anbietet, der hat das Recht, dafür anständig bezahlt zu werden. Und meiner Ansicht nach hat man auch die Pflicht, sein Bestes zu geben. Gibt man sein Bestes, hat man selbstverständlich auch finanziell das Beste verdient!
Machen Sie doch einmal die Probe aufs Exempel und stellen Sie Ihre persönliche Rechnung auf. Schreiben Sie ihre monatlichen Einnahmen und Ausgaben einmal auf.
Ausgaben
1) fixe Kosten
Miete privat
Heizung / Betriebskosten / Strom / Stellplatz
Miete Geschäft
Heizung / Betriebskosten / Strom
Putzfrau / weitere Fixkosten
GEZ / Pay-TV
Telefon / Handy /Streamingdienste
Haustiere / Hundesteuer / Tierarzt
Kfz-Versicherung / Steuer
Benzin / Garage / Leasing-Rate
Öffentliche Verkehrsmittel
Private Haftpflicht
Hausratversicherung
Lebensversicherung(en)
Unfall / Rechtsschutz
Krankenversicherung
Unterhaltsverpflichtungen
Kindergarten / Hort
Beiträge (Vereine / Sport)
Abonnements / Zeitungen
Kontogebühren / Sollzinsen
Geldstrafe / Bußgeld
Taschengeld (alle Familienmitglieder)
Darlehen / Kredite
sonstiges
2) variable (veränderliche) Ausgaben
Lebensunterhalt / Bekleidung
Reparaturen
Genussmittel (Rauchen)
Sparverträge
Dekoration / Haushalt
Zahlungen an Gläubiger / Pfändungen
Urlaubsrücklagen
private Rente
Zuwendungen an Kinder / Enkel
Einnahmen
Gewinne aus Selbständigkeit
Lohn / Gehalt Partner (netto)
Nebenverdienst
Krankengeld
Arbeitslosengeld / Grundsicherung
Rente / Unterhalt
Kindergeld / Erziehungsgeld
Wohngeld
Einnahmen aus Vermietung
Zinsen
sonstige Einnahmen
Und dann berechnen Sie bitte auch einmal, Ihre Arbeitszeiten als Selbständiger. Bedenken Sie nehmen Patiententerminen oder Ladenöffnungszeiten bitte auch Zeiten für
· Telefonate
· Praxis- / Büroreinigung
· Krankheitszeiten / Arztbesuche / Physiotherapie
· Zeit für Buchhaltung (Vorbereitung)
· Urlaub / Urlaubsvertretung
· Recherche
· Einkäufe
· Informationssammlung
· Fort- und Weiterbildung
· Feiertage
· Seminarvorbereitungen
· Fahrtzeiten
· Besprechungen
· Außergewöhnliche Vorfälle
· Social-Media
· Werbung
· Controlling (Maschinen, Mitarbeiter, Buchhaltung)
· Besprechung mit Steuerberater / Finanzamt
· Einarbeitung von Mitarbeitern
· Personalbesprechungen
Wie sieht ihr Zeitplan aus? Wie viele Stunden arbeiten Sie in der Woche?
Aus Ihren Kosten und ihrem Zeitplan heraus können Sie jetzt sehr schnell berechnen, wie hoch Ihr Stundenlohn und damit ihr monatlicher Umsatz in ihrer Praxis sein müssen. Beziffern Sie den Stundenlohn und die Anzahl der nötigen Klienten sowie die potentiellen Teilnehmer an Workshops. Mit diesen Einnahmen – und ggf. Einnahmen aus zusätzlichen Verkäufen (Bücher, Nahrungsergänzung, Handouts) sollten Sie den nötigen Umsatz erwirtschaften können, der ihnen ein passables oder sogar luxuriöses Leben ermöglicht.
Funktioniert dieses nicht, muss geschaut werden, welche Stellschrauben ihres Unternehmens gedreht werden müssen, um ihnen das Leben zu ermöglichen, von dem Sie schon immer geträumt haben.
Vielleicht gelangen Sie damit auch zu der Auffassung, dass heilkundliche Unternehmer wirklich Unternehmer sein müssen, um den monatlichen Lebensunterhalt zu gewährleisten. Unternehmer sein bedeutet, etwas zu unternehmen – nämlich das notwendige, um finanziell auf gesunden Füßen zu stehen.
Viel Erfolg wünscht Ihnen
Gudrun Anders
© für den Text: Gudrun Anders (Wirtschaftsfachwirtin und Heilpraktikerin für Psychotherapie)
Webseite: www.gudrun-anders.de (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)
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