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you are still here

“through all you went through last year, and all the things you feared you are still here.”

Der Spruch von Morgan Harper Nichols ploppte am Tag vor meinem Geburtstag als Hintergrundbild meines Sperrbildschirmes auf.

Wenn ich ehrlich bin, hätte ich in einigen Phase nicht gedacht, dass ich noch hier sein würde. Weil da so viel Angst war. Ich glaube, ich hatte in keinem Lebensjahr bisher so viel Angst wie mit 24. Seit ich Kind bin, begleitet mich Angst immer wieder. Und ich dachte ich würde sie mittlerweile kennen. Ich hatte angefangen, sie im Mai zu überwinden. Und ich hatte keine Ahnung, mit was für einer Wucht sie mich im Sommer überrollen würde. Ich hatte keine Ahnung, wie sehr sich ihre Fesseln um mein Herz legen würden. Wie viele Stunden Schlaf sie mir rauben würde. Wie sehr sie meinen Körper bis in die letzten Ecken zittern lassen würde. Und ich hasse es, wie viel Macht sie über mich hatte. Wie sehr sie mich überrollte und wie lange sie mich unter Wasser hielt. Irgendwann hatte ich keine Kraft mehr mich nach oben zu kämpfen. Wie auch mit nem HB von 10 und nem Vitamin D-Wert von 9 - mein Körper hatte nicht mal die nötigen Startvoraussetzungen für Kämpfen. Aber das ist nochmal ne ganz andre Story.

Wenn ich ehrlich bin, habe ich absolut keine Ahnung, wie ich’s bis zum 25. Geburtstag geschafft hab. Ich weiß nicht, wie ich die Ausbildung “erfolgreich abgeschlossen”. Ich weiß nur, dass ich mich weder freuen noch stolz drauf sein kann. Weil ich weiß, wie viel sie mich gekostet hat.

Ich war mit 24 bei mehr Ärzten als in den letzten 10 Jahren. Ich habe mich nach Nächten voller Angst und Schmerzen mit 3 Stunden Schlaf mit Tränen in den Augen zu Arbeit gequält. (Und frag mich immer noch warum.)

Und ich bin in einer normalen Azubiwoche mitten drin nach Marburg und Köln gefahren, um Künstlern zu lauschen und saß am nächsten Tag mit strahlenden, müden Augen und einer Stunde Schlaf wieder in der Schule.

Ich durfte Deutschlands Schönheit neu entdecken, während meine Welt auf Bahnfahrten wieder weiter wurde. Durfte Gastfreundschaft erleben, selbst mitten in der Nacht.

Ich war bei mehr Konzerten, als in jedem anderen Jahr bisher. Um genau zu sein auf 7, die unterschiedlicher kaum sein konnten (Anson Seabra, Jonah Kagen, Jonnes, NF, BlüEyes, Sam Tompkins, Tors/James Blunt). Und auf 2 Poetry-Abenden und bei 3 Musicals (Mamma Mia, Eiskönigen, König der Löwen). Ich durfte mich in Worten wiederfinden und verstanden fühlen, während andere mir den Spiegel vorhielten und mich vieles hinterfragen ließen. Und wiederum andere Worte, die vor Jahren in Dauerschleife liefen, zur Erinnerung wurden, wie vieles schon hinter mir lag.

Ich musste Abschied nehmen, von Menschen, die jünger als ich waren und Menschen, ohne die ich Leben gar nicht kannte. Und ich durfte neues Leben zelebrieren und im Arm halten.

Ich durfte atemberaubende Sonnenuntergänge bestaunen und mit Wolken um die Wette weinen.

Ich lernte, dass jeder Tag ohne Schmerzen nicht selbstverständlich ist. Dass es nicht selbstverständlich ist, nicht darüber nachzudenken, was man grade isst. Ich lernte, dass es immer Menschen geben wird, die das Privileg haben, keine Ahnung zu haben, was Angststörung, Panikattacken und Depression wirklich bedeuten. Und ich lernte Menschen kennen, für die diese Worte keine Fremdwörter sind.

Ich durfte dankbar sein für Kunst und Menschen, die ihre Geschichte teilen. Ich durfte dankbar sein, für Menschen, mit denen ich Lebensabschnitte teilte und durfte auf den letzten Metern realisieren, mit was für coolen Menschen ich eigentlich 2,5 Jahre in einer Klasse saß. Ich hatte das Gefühl aufzuwachen und nicht zu wissen, ob ich wacher werden oder lieber wieder einschlafen wollte. Ich traute mich nach Hilfe zu fragen. Ich war frustriert von fehlenden Antworten und Ursachen. Ich war dankbar für Menschen, die mich ernst nahmen. Und was frustriert mit mir selbst. Weil ich wieder Entscheidungen aus Angst traf und merkte, wie die Konsequenzen erwartungsgemäß an mir zerrten.

Ich will lernen, andere mehr zu sehen. Ich will mich umschauen und hochschauen. Ich will nicht nur um mich selber kreisen. Ich wünsche mir Mut zur Kreativität. Und Mut alten Entscheidungen die Kündigung einzureichen. Ich wünsche mir weniger Angst. Und ich wünsche mir Frieden für mein Herz. Und Ohren und Arme, die für andere da sind. Ich wünsche mir Mut meine Bedürfnisse zu erkennen und zu kommunizieren. Und ich wünsche mir, dass ich die andere respektiere. Dass ich frage, bevor ich rede. Dass ich erkenne, dass jeder einzelne Mensch, dem ich begegne, ein ebenso komplexes Leben lebt. Und dass es ein Privileg und eine Chance ist, wenn wir einander helfen und lieben lernen dürfen. Ich wünsche mir ein wenig mehr von meiner alten Naivität und Impulsivität. Ich wünsche mir mehr Momente, die mein Herz zum Strahlen bringen. Ich wünsche mir Antworten. Oder die richtigen Fragen. Wünsche mir Bereit-sein für diese. Ich wünsche mir Alltag, den ich mag. Ich mag keine 5 - Jahrespläne. Ich wünsche mir Alltag mit Kapazität zu leben. Ich wünsche mir mehr Momente, in denen Hände vertieft in Ton, Farben, Erde, Worten, Teig mein Gehirn kurz mal die Zeit vergessen lassen.

Als ich journaled auf meinem Bett saß und mein Sperrbildschirm um Mitternacht das Hintergrundbild wechselte, durfte ich in der ersten Minute meines Geburstages folgende Worte lesen:

“you were made for this life, terrifying and beautiful as in may be - holding on in troubled times, finding life in little things.”

Das wünsch ich mir.

1. April 2024

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