Episode #54

16.11.2024: Das letzte Bild bevor der Himmel nur noch grau war.

The Physics of Hope

Vor fünfzehn Jahren dachte ich Hoffnung wäre wie Glas. Kristallklar, spiegelglatt, zerbrechlich aber schön, beinahe unsichtbar und doch vorhanden. Aber vor allem zerbrechlich. Ich dachte man könnte Hoffnungen aufgeben und dass sie an der Scharfkantigkeit der Welt ohnehin früher oder später zerschellen würde und sich nur notdürftig wieder zusammensetzen ließe.

Hoffnung aus Glas ist nicht langlebig, ganz gleich wie gut man versucht darauf aufzupassen, weil sie ein Gebrauchsgegenstand ist.

Vor fünf Jahren dachte ich, Hoffnung wäre wie Wasser. Kristallklar, wunderschön, überall und alles durchdringend. Ich dachte, es gibt mehr Hoffnung als ich jemals brauchen würde, so wie es mehr Wasser gibt, als irgendjemand trinken kann. Für mich war Hoffnung eine Flüssigkeit und nahm jede Form an, in die sie gegossen wurde. Aber Wasser versickert auch schnell oder verdampft oder verschlingt dich, bis du nicht mehr atmen kannst. Vielleicht gibt es auf der Welt mehr Wasser, als jemand trinken kann, aber trotzdem leiden wir unter Wasserknappheit.

Wenn ich in die Welt lausche, höre ich oft, dass Hoffnung definitiv gasförmig ist. Wie Stadtluft. Aufgelöst, schmutzig, manchmal giftig , verpufft, ungreifbar, irgendwie da, aber wirkungslos.

Ich glaube, das ist ein Irrtum.

Ich glaube, Hoffnung ist wie Oobleck, weder fest noch flüssig oder besser: sowohl fest als auch flüssig, schleimig, schmutzig, unschön, klebrig. Oobleck-Hoffnung fließt durch alle Dinge, passt sich an, dringt in jede sich bietende Öffnung und wartet, wartet auf den harten Schlag, die scharfe Kante, die Kraft, die unbarmherzig auf sie einwirkt, um sich dann schlagartig zu verdichten und undruchdringbar zu werden. Erst unter Druck, erst wenn ihre Wirkung angezweifelt und auf die Probe gestellt wird, offenbart sich ihre ganze Stärke.

November (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre) - Madeline Juno, Esther Graf

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