Episode #42
I can hold the sky in one hand
Wenn ich die Augen schließe, kann ich mir einbilden, dass der Autobahnlärm wie Wellenrauschen klingt. Das Meer ganz nah. Die Gespräche auf hunderten Balkonen kein Alltag sondern Erlebnisverarbeitungen. Das Tellerklappern und Gläserklirren dringt nicht aus den Fenstern halbprivater Leben sondern von sirrenden Restaurants unten am Straßenrand an mein Ohr.
Ich öffne die Augen und strecke meine Hand zum rosaviolett gefärbten Himmel aus und wenn ich dann die Finger spreize, schimmern die Zuckerwattewolken nur noch durch die Lücken hindurch. Zwischen den Rand der Balkonverkleidung über mir und die Dachkante des Gebäudes auf der anderen Straßenseite passt genau eine Hand. Meine Hand. Meine Hand ist nicht besonders groß.
Ich habe ein Buchcover gesehen mit einem Wohnblock und dem Titel Kaninchenstall und seit dem denke ich, dass wir Kaninchen ein besseres Leben ermöglichen sollten.
Ich spiele das Spiel gegen mich selbst und ich verdränge gekonnt, dass es nur manchmal wirklich gut funktioniert. Der Trick ist, sich darauf einzulassen, wenn es funktioniert und eine so große Sehnsucht nach diesem Gefühl zu entwickeln, dass es formal keinen Grund mehr gibt, jemals Sehnsucht nach etwas anderem zu haben, einem anderen Ort, einem anderen Haus, nach Grün oder Bäumen oder echtem Vogelgezwitscher im Wald statt aus dem Lautsprecher. Es gibt nichts anderes. Es braucht nichts anderes, weil alles andere auch hier sein kann.
Träumer. Ein Wort, das ich oft mit Verachtung gesprochen gehört habe, mit einem Kopfschütteln, das energischer war als das parallele Lächeln auf den Lippen. Hören wir nicht zu früh auf zu träumen? Reden wir uns selbst nicht zu lang ein, die Realität sehen zu müssen und nur diese Realität, wo so viel Raum für Ideen und Geschichten ist? Verlieren wir den Traum, wenn wir nur an den reellen Gegebenheiten festhalten? Unterschätzen wir nicht die Kraft, die wir aus Fantasie gewinnen?
Ich betrachte die Wolken durch die Zwischenräume meiner Finger, wie sie weiterziehen und ich hier regungslos herumsitze, unfähig mich in einer Realität an irgendeinen anderen Ort zu begeben. Aber in meinem Spiel bin ich überall.
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