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Halb entspannt und pseudo-kreativ

Was war der seltsamste oder amüsanteste Ort, an dem dir je eine gute Idee gekommen ist? In der Schlange an der Supermarktkasse? Im Wartezimmer beim Arzt? Als du mit deinem Auto im Stau festgesessen warst oder deine Bahn Verspätung hatte? War es vielleicht beim Spaziergang (mit deinem Hund)? Beim Unkrautjähten im Garten? Beim Kochen oder Wäschefalten? Unter der Dusche oder - wenn wir schon im Badezimmer sind - auf der Toilette?

Es ist doch so: Die besten Ideen kommen einem immer dann, wenn man gerade nicht damit rechnet. Gerne auch, wenn man gerade weder Stift noch Papier noch Handyakku hat, um sie irgendwie festzuhalten. Aber vor allem kommen sie dann, wenn man gerade nicht anderweitig vereinnahmt ist. Wenn man gerade nichts tun kann, als zu warten. Oder auch wenn man eine Tätigkeit ausführt, in der man bereits so routiniert ist, dass man nicht einmal mehr darüber nachdenken muss. Man könnte auch sagen: Wenn es gerade langweilig ist. Ich stelle das immer wieder fest: Ich muss mich langweilen, um spannende Einfälle zu haben.

Manchmal vergesse ich das aber. Manchmal bin ich es so gewohnt, dass ich meine Kreativität anzapfen kann, dass es mich irritiert und ich verwundert bin, wenn plötzlich der Fluss an originellen Eingebungen versiegt. Das kann doch nicht leer sein! Da muss doch noch ein bisschen was kommen! Da waren doch so viele Ideen, die ich irgendwann einmal hatte, die ich für einen “rainy day” und eine ruhigere Zeit zurückgelegt habe.

Als ich am 1. August in meine Social-Media-Pause gestartet bin, war mein Gedanke: Endlich einmal weg von den Ablenkungen der bunten, blinkenden Apps. Endlich ein wenig Ruhe, um mich mit all dem zu beschäftigen, was ich mir aufgespart, auf “die lange Bank geschoben” oder vor lauter Benachrichtigungen noch nicht richtig durchdacht hatte. Ich habe mir eine kreative Auszeit vorgestellt, in der ich vor Ideen und Tatendrang nur so sprühen würde. Ich hatte zwei ganz konkrete Schreibprojekte ins Auge gefasst, die ich beide erkunden wollte, um mich zu entscheiden, aus welchem mein nächstes Buch werden soll. Ich hatte mir eine kleine Sammlung von To-Dos an die Pinnwand gehängt, denen ich mich jetzt endlich einmal widmen wollte. Es sollte eine Pause vom Internet, aber dennoch eine sehr produktive Zeit als Autorin werden.

Und wie sieht es heute, wo meine dreiwöchige Pause endet, aus?

Hat das alles so geklappt?

Teils, teils.

Ich war produktiv - aber zunächst einmal nicht auf die geplante Art.

Ich habe mich erst einmal nicht ins nächste kreative Abenteuer gestürzt. Stattdessen gab es ein wenig “Home Improvement”. Während ich diese Zeilen tippe stehe ich an einem neuen, höhenverstellbaren Schreibtisch, den ich mir schon seit vier Jahren in mein Büro stellen wollte, um endlich meine Gebogener-Shrimp-Position bei längeren Schreibsessions zu korrigieren. Mein Arbeitszimmer ist so aufgeräumt wie selten und die schon lange aussortierten Bücher aus meinem Regal, stehen endlich nicht mehr in Kartons im Flur (oder im Kofferraum meines Autos), sondern wurden an eine kleine Dorfbücherei gespendet. Ich habe auch sonst in unserem Zuhause ein bisschen was bewältigt, das ich schon länger vor mir herschiebe: Den Kühlschrank geputzt, den Wäscheberg besiegt, alte Kleider ausgemistet, sogar den Staubsauger habe ich auseinandergenommen und generalüberholt.

Jetzt denkst du vielleicht: “Okay, Phillippa, vielleicht hattest du ein bisschen zu viel Langeweile in den letzten Wochen …”

Aber genau das ist der Punkt: Ich musste mich langweilen. Ich musste diese ganzen, vermeintlich banalen Dinge tun. Dinge, die mich beschäftigt haben, ohne mich mental auszulaugen. Denn so habe ich mich am Anfang meiner Pause gefühlt: Angestrengt und irgendwie kraft- und inspirationslos. Mein Kopf war müde. Müde vom Onlinesein, müde vom Buchmarketing und auch müde vom Schreiben, wie ich feststellen musste. Denn die ersten Versuche in der Stille der Social-Media-Pause an neuen Geschichten zu arbeiten, gingen irgendwie ins Leere. Ich sah nur lustlose Sätze auf meinem Display. Der Ideenfluss, war eher so ein behäbig tropfender Wasserhahn mit zu wenig Druck geworden. Die ganze Zeit hatte ich gedacht, dass es die Ablenkung durch meine Social-Media- bzw. Online-Aktivitäten wäre, die meinem nächsten kreativen Durchbruch im Weg steht. Aber es war kein Ablenkungsproblem (oder zumindest nicht ausschließlich), es war eher so ein Fall einer verstopften Ideen-Leitung.

Auf andere Weise tätig zu werden, hat mir da geholfen. Es hat diesen Drang, irgendetwas zu machen, besänftigt. Gleichzeitig musste ich mich auch ein wenig im Nichtstun üben, wirklich entspannen, Platz im Kopf schaffen und sozusagen alles einmal gut durchspülen, damit der kreative Saft wieder fließen konnte. Das war ehrlich gesagt eine deutlich größere Herausforderung als einen Staubsauger zu zerlegen oder einen Haufen Wäsche zu falten.

Ich tue mir wirklich schwer damit untätig und gefühlt “faul” zu sein. Vielleicht kennst du das ja von dir selbst … Ich glaube, ein bisschen steckt diese “wuselige Unruhe” in vielen - vielleicht sogar in jedem - von uns. Man tut lieber irgendwas anstatt nichts zu tun. Dann wirkt man zumindest “busy”, fühlt sich beschäftigt, fühlt sich produktiv, auch wenn das, was man gerade tut gar keine große Dringlichkeit hat oder vielleicht sogar gar nicht hilfreich ist.

Ich habe in meiner Auszeit ein Buch gelesen, das dieses Phänomen ganz treffend auf den Punkt bringt: “Pseudo-Productivity” (also zu Deutsch “Pseudo-Produktivität”) nennt es Cal Newport in seinem Buch “Slow Productivity”, wenn wir einer Aktivität nachgehen, durch die wir zwar beschäftigt und auch für andere sichtbar geschäftig sind, aber eigentlich nicht wirklich effektiv vorankommen. Wenn wir zum Beispiel immer wieder E-Mails checken, die Powerpoint-Präsentation frisieren, das dritte Brainstorming-Meeting ansetzen, uns in lange ergebnislose Besprechungen setzen oder die To-Do-Liste neu priorisieren - obwohl wir wissen, dass die Aufgabe es eigentlich erfordern würde, dass wir in die Stille gehen. Oft würde es mehr Sinn ergeben, etwas erst sorgfältig zu durchdenken und auszuarbeiten und dann mit einem präsentablen Ergebnis in den Trubel der allgemeinen Geschäftigkeit zurückkehren. Und gerade, wenn es um das Schreiben von Büchern geht, könnte man sagen: Anstatt Zeit in Social-Media-Plattformen oder generell in die Kommunikation mit der Leserschaft zu stecken, sollte man sich einfach auf das Schreiben konzentrieren und erst wieder etwas von sich hören lassen, wenn man ein fertiges Buch vorweisen kann.

Früher war das so und manche Menschen glauben, es wäre noch immer so: Der Autor verzieht sich in sein chaotisches, holzvertäfeltes Kämmerlein und hackt bei Kerzenschein in eine störrische Schreibmaschine, angetrieben vom Kuss der Muse, schwarzem Kaffee und einem verzweifelten Willen die perfekte, noch nie dagewesene Formulierung zu finden. Gelegentlich nervt ihn sein Agent, der selbstverständlich persönlich vorbeikommt, um ihm das nächste Kapitel abzuringen. Und schlussendlich wird ein genialer Text - halb im Schlaf, halb im Wahn - produziert, den der Verlag mit einem fulminanten Aufgebot an Werbeaktionen zum weltweiten Bestseller macht.

Das klingt wie aus einem Film, nicht wahr? Soll es auch, denn dieses Szenario ist pure Fiktion. Kaum jemand in der schreibenden Zunft, kann es sich heutzutage noch erlauben, sich so vor der Welt zu verstecken. Sich selbst ins Gespräch zu bringen, um im Gespräch zu bleiben, ist eine wichtige Anforderung des Jobs - egal ob man die Aufmerksamkeit von Verlagen oder die einer Leserschaft will. Nur auf ganz wenige wird gewartet, wenn sie einfach so auf unbestimmte Zeit in der Versenkung verschwinden. Das Publikum möchte wissen, was gerade los ist, ob und wann die nächste Geschichte kommt. So wie dein Chef im Büro wissen möchte, was der Stand des Projekts ist, ob es schon Zwischenergebnisse gibt und welche Themen aktuell anstehen. Oder kannst du dir vorstellen, dass er dich zum Nachdenken auf unbestimmte Zeit nach Hause schickt? Dass er dich nicht kontrolliert, dir so viel Zeit gibt, wie du brauchst, in dem Vertrauen darauf, dass du mit einem guten Ergebnis zurückkehren wirst? Wochenlang? Monatelang? Das klingt völlig unrealistisch, nicht wahr? Zugegeben, die Arbeit von freiberuflichen oder hobbymäßigen Autor*innen läuft ein wenig anders ab. Wir haben in aller Regel keinen Chef, der erwartet uns beim Verfassen einer E-Mail oder auf dem Weg in die nächste Besprechung anzutreffen. Und trotzdem kennen wir - insbesondere durch die Möglichkeiten der neuen Medien - das Dilemma zwischen wirklicher und nur vermeintlicher Produktivität.

Und das Dilemma mit der Kreativität! Denn die nimmt gerne einmal Reißaus, wenn man gerade besonders busy und gestresst ist. Oder wenn man vielleicht ein bisschen zu überschwänglich geworden ist ... Ich bin mir der Ironie durchaus bewusst, dass ich vor einem Jahr um diese Zeit mein drittes Buch im Zeitraum von 12 Monaten auf die Veröffentlichung vorbereitet habe. Damals habe ich mit “Der Blick, den wir riskieren” einen persönlichen Triumph, eine Art Sieg über mich selbst und eine große Schreibflaute, gefeiert. Und ich war völlig fasziniert davon, dass ich einen Weg gefunden hatte, so produktiv zu sein und einen so hohen kreativen Output zu haben. Heute weiß ich, dass meine Kreativität in Schüben kommt und dass es eben, manchmal, einen deutlicheren Rückzug braucht, um sie wieder hervorzulocken.

Letztendlich habe ich es in meiner Auszeit aber geschafft mich immer wieder stundenweise auf die Stille, die Gedanken und Überlegungen rund um die nächste Geschichte einzulassen. Ich habe gebrainstormt und geschrieben. Und dennoch bin ich ehrlicherweise nicht ganz dort, wo ich nach dieser Pause sein wollte. Ich habe mich immer noch nicht zwischen meinen beiden Schreibprojekten entschieden. Stattdessen habe ich nach Lust und Laune an beiden parallel gearbeitet und es werden wohl noch ein paar Sessions nötig sein, um zu wissen, auf welche der beiden ich mich für die absehbare Zeit und die nächste Veröffentlichung konzentrieren will.

Was ich allerdings entschieden habe ist, dass ich weniger und bewusster mit Social Media umgehen will. Am Anfang meiner Auszeit war es schwer nicht online zu sein und ich musste die entsprechenden Apps von meinem Handy schmeißen, damit ich nicht aus Gewohnheit oder “nur mal kurz” doch wieder reinschaue. Heute zögere ich die Anwendungen wieder zu installieren und mich wieder ins Getümmel zu werfen, weil ich mich so daran gewöhnt habe, ganz bei mir und meinem Offline-Leben zu sein. Ich bin ganz ehrlich mit dir: Ich mag Social Media und ich habe sehr viel Spaß daran. Aber ich bin mir auch gleichzeitig bewusst, wie viel Zeit es mich kostet und wie es mich manchmal vom Hier und Jetzt mit meinem Mann, mit meiner Familie und Freund*innen und auch mir selbst entfernt. Ich möchte eine bessere Balance zwischen Online und Offline finden - und das ist eine Herausforderung der ganz anderen Art.

Was dabei aber nicht zu kurz kommen soll ist der Austausch mit dir. Ich freue mich darauf jetzt wieder mehr hier im Newsletter zu teilen. Ich will dich weiter mitnehmen, dir zeigen, was an meinem Schreibtisch - auch dank deiner Unterstützung - passiert. Das nächste Mal wird es um Bücher gehen, zu denen ich in Phasen der kreativen Neuausrichtung immer mal wieder gegriffen habe. Ratgeber rund ums Kreativsein, das Schreibhandwerk und das Mindset erfolgreicher Autor*innen. Ich hoffe, du liest auch dann wieder mit!

Bis bald!

Phillippa

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