Liebe Pfefferhasis und Newsletter-Mäuse,
auch heute wird es leider keinen klassischen Wochenrückblick geben, ich bin krank. Das ist super ärgerlich, denn eigentlich würde ich morgen eine einwöchige Fortbildung beginnen, die nun komplett ins Wasser fällt. Die Covid-Tests sind bisher alle negativ, das zumindest macht mir Hoffnung und mich tröstet, dass ich weiß, dass ihr mir nicht böse seid, auch wenn es statt Wochenrückblick heute nur einen Newsletter gibt.
Genug Material hatte ich gesammelt in den letzten sieben Tagen und ihr bekommt hier einen Schnelldurchlauf:
Am Montag wurde Jordan Neely, ein obdachloser Schwarzer, der sein Geld als Michael-Jackson-Imitator verdiente, in einem Zug der Linie F in New York City getötet. (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre) Neely soll im Wagon herumgeschrien haben: „Ich habe nichts zu essen, ich habe nichts zu trinken, ich habe die Nase voll (...) Es macht mir nichts aus, ins Gefängnis zu gehen und lebenslänglich zu bekommen. Ich bin bereit zu sterben.“ Ein ehemaliger Marinesoldat griff den 30-Jährigen an, hielt ihn mehrere Minuten lang in einem Würgegriff - bis er tot war. Ein voller U-Bahn-Wagon sah ihm beim Sterben zu. Zwei Männer halfen dem Täter, niemand half Neely. Der 34-jährige Täter wurde nicht verhaftet. Roxane Gay schreibt in einem berührenden Kommentar für die New York Times (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre): „Alle Menschen, die sich am Montag in der U-Bahn befanden, werden mit ihrer offensichtlichen Untätigkeit und Gleichgültigkeit leben müssen. Jetzt, da es zu spät ist, gibt es eindringliche, herzzerreißende Bilder von Mister Neely, der hilflos und eingeklemmt ist und immer noch gewürgt wird. Wie kann so etwas passieren? Wie kann diese sinnlose, vermeidbare Gewalt geschehen? Ganz ehrlich, wie? Wir alle müssen uns diese Frage stellen, bis wir eine akzeptable Antwort gefunden haben.“
In der Nacht zu Dienstag ist in München ein 45 Jahre alter, wohnungsloser Mann in Polizeigewahrsam gestorben (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre). Laut Pressebericht des Polizeipräsidiums München habe der Mann in Haft das Bewusstsein verloren, Reanimationsversuche hätten ihn nicht mehr retten können. Es gebe weder Anzeichen auf Alkohol noch Vorerkrankungen. Nun ermitteln also wieder mal Polizist*innen gegen Polizist*innen, Hinweise auf Fremdeinwirkungen gibt es aber natürlich keine laut Polizei. Ihr dürft raten, für wie wahrscheinlich ich die Aufklärung des Falles halte.
Am Mittwoch erschien auf Belltower News ein lesenswerter Artikel von Michaela Dudley über die Zusammenarbeit zwischen TERFs und Nazis (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre). Michaela schreibt: „Viele von uns in der Transgender-Community warnen seit Jahren vor dem Liebäugeln zwischen TERFs und Rechtsradikalen. Es sind keine Hirngespinste. Es geht um Hassposts im Internet, es geht um Handgreiflichkeiten auf offener Straße. Ob in Australien, hier in Europa oder in Nord- und Südamerika: transfeindliche Feminist*innen erdulden, ermöglichen und ermutigen die zweckgebundene Zusammenarbeit mit Faschist*innen.“
Am Donnerstag veröffentlichte der NDR die Meldung, dass ein 64-jähriger Mann, der letztes Jahr seine Exfrau ermordet hatte, vom Landgericht Flensburg freigesprochen wurde (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre). Obwohl das Gericht keinen Zweifel daran hatte, dass der Angeklagte die 71-Jährige erstochen hatte, wurde dieser auf freien Fuß gesetzt. Die absurde Begründung: von dem Mann ginge schließlich keine „Gefahr für die Öffentlichkeit“ aus. Er habe ja nur seine geschiedene Frau getötet, es sei „höchst unwahrscheinlich“, dass sich die Tat wiederhole. Es ist unfassbar! Wie sehr kann ein Justizsystem das Leben von Frauen verachten? Die Bundeszentrale für politische Bildung (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre) stellt mit Verweis auf das Büro der Vereinten Nationen für Drogen- und Verbrechensbekämpfung fest: „Die weltweit häufigste Form aller Tötungen von Frauen ist die Partnerschaftstötung. Damit werden Tötungen durch den aktuellen oder ehemaligen Partner bezeichnet. Ein großer Teil der Partnerschaftstötungen wird in Form von sogenannten Trennungstötungen begangen, d.h. im Kontext des meist vom späteren Opfer ausgehenden Endes der Beziehung. Diese Taten stellen regelmäßig Femizide dar, da sie von einem Besitz- und Kontrolldenken des meist männlichen Täters geprägt sind. Denn der Täter stellt durch die Tat seinen Wunsch, die Beziehung zum Opfer fortzusetzen oder das Opfer an einer neuen Beziehung zu hindern, über das Leben des Opfers – und missachtet die Entscheidung der Frau, die Beziehung zu beenden.“ Die patriarchalen Besitzansprüche eines Mannes werden im deutschen Recht nicht etwa als „niederer Beweggrund“ verstanden, der einen Femizid juristisch zum Mord qualifiziert, sondern als irgendwie nachvollziehbar, vor allem dann, wenn sich das Opfer vom Täter getrennt habe und sich der Täter dadurch „dessen beraubt“ fühle, „was er eigentlich nicht verlieren will“ (so die Begründung des BGH von 2008).
Am Freitag twitterten CSU-Abgeordnete stolz von ihrem Treffen mit dem US-amerikanischen Rechtsextremisten Ron DeSantis (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre). Andreas Scheuer, Dorothee Bär und Florian Hahn hatten sich mit dem Gouverneur von Florida getroffen, der in seinem Bundesstaat ein faktisches Abtreibungsverbot durchgesetzt hat und einen Vernichtungsfeldzug gegen queere und trans Menschen führt. Scheuer findet das gut und richtig. Er habe zwar nichts gegen Schwule: „Aber die Lautstärke, mit der ganz andere Minderheiten derzeit ihre Forderungen vortragen und damit die Debatten bestimmen, das halte ich gegenüber der großen Mehrheit für keine gute Entwicklung“, sagte er im Interview mit t-online (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre). Er „teile die Analysen“ des amerikanischen Faschisten auch „bezüglich des sogenannten Geschlechterwechselgesetzes“.
Apropos Antifeministen aus Bayern: Am Samstag mischte sich der stellvertretende Ministerpräsident und Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger in die Debatte um eine Kinderbuchlesung (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre) in München ein. Auf Twitter sprach er von „Kindeswohlgefährdung“ und nannte die geplante Veranstaltung einen „Fall für das Jugendamt“. Ihr ahnt wahrscheinlich schon, warum sich der Clown aus Niederbayern so aufregt. Die Kinderbuchlesung soll gemeinsam mit Dragqueens stattfinden – der glitzernde Dorn im Auge aller Konservativen.
Ich koche mir jetzt noch einen Fencheltee und ziehe mir wieder die Decke über den Kopf. Nächste Woche dann hoffentlich wieder back to normal in Sachen Wochenrückblick!
Bis dahin, habt es gut und passt auf euch und einander auf,
Hasengrüße!
Ulla