Parentifizierung im sozialökologischen Kollaps
Elterlicher Egalismus: Lieben Eltern ihre Kinder oder nur das Elternsein?
Dekadente Eltern, die einen dicken SUV besitzen, einen riesigen Pool im eigenen Garten haben oder mit dem Flugzeug in den Urlaub fliegen, sind Teil einer Generation des Egalismus (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre). Ihr Konsum im Hier und Jetzt überlagert das Bewusstwerden über die klimatischen und ökologischen Folgen, des eigenen Handelns. Darüber hinaus definiert sich dieser Egalismus durch die Ignoranz um die negativen Auswirkungen der eigenen Lebensweise, für andere Menschen, in Gegenwart und Zukunft.
Ganz besonders makaber dabei ist, dass die Zukunftschancen der eigenen Kinder in die Tonne getreten werden. Frei nach dem Motto: Heute mit dem SUV zur Schule und morgen mit der Gasmaske im Bunker.
Dieser Egalismus ist ein Mittelfinger in die Gesichter ihrer Kinder.
Die Kritik am gelebten Egalismus kann den Anschein erwecken, die großen Bedrohungen durch die menschengemachte Klimaerhitzung und Ökosystemzerstörung ließen sich durch Konsumkorrekturen beheben. Gewiss sind die dadurch möglichen Einsparungen ein wichtiger Teil einer sozialökologischen Revolution, doch die größeren Hebel für ein rasches Ende der fossilen Sucht liegen in den Produktionsweisen von fossilen Großkonzernen und Staaten. Das darf jedoch nicht zu dem Schluss führen, nicht auch über dekadenten Konsum zu debattieren und dies als das auszumachen, was er ist: egoistisch, unreflektiert und kleinkariert.
Auch Eltern, die sich weniger Dekadenz leisten können, sind Teil der Generationen, die die planetaren Lebensgrundlagen zerstören, wenn auch zu geringeren Anteilen. Die Lebensrealitäten von Eltern und Großeltern sind mitunter sehr verschieden. Während die einen gut bezahlte Jobs, Eigenheime und finanzielle Rücklagen besitzen, stehen andere Monat für Monat mit dem Rücken zur Wand. Aber es gibt auch ein großes „Dazwischen“. Doch die Stilisierung von Menschen in prekären Beschäftigungsverhältnissen als hilflose Opfer des Systems taugen in diesem Fall nicht für eine Realität, in der es zunehmend ums Ganze geht. Debatten um Tatenlosigkeit dürfen nicht vor Klassenzugehörigkeit haltmachen.
Ob arm, ärmer, reich oder sehr reich, die Stimmenabgaben an den Wahlurnen und die fehlende Beteiligung an sozialen Protesten zeigen, dass Eltern- und Großelterngenerationen ihre Fürsorge-Versprechen, die sie ihren Kindern qua Geburt gegeben haben, brechen. Immer und immer wieder.
Gut, dass es da Ausnahmen wie die „Parents for Future“ (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)oder „Omas gegen Rechts (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)“ gibt. Doch sind die Aktiven noch in der deutlichen Unterzahl.
Es ist eine Mischung aus Egalismus und Tatenlosigkeit, die Kinder und Jugendliche dazu zwingt, ihr junges Leben mit Existenzängsten und Hilflosigkeit zu bewerkstelligen.
Die Welt brennt, doch die Eltern haben nichts als Ausreden.
Lieben Eltern ihre Kinder oder nur das Leben mit ihnen?
Eltern und Großeltern müssen sich dringend fragen, ob sie ihre Kinder lieben, weil sie ihnen wichtig sind und sie um ihretwillen in erfülltes Leben haben sollen, oder geht es überwiegend um das besitzen wollen einer Familie, den gesuchten Sinn im Leben und die Anerkennung von anderen?
Sie werden nicht umhinkommen sich zu fragen, was die Liebe zu ihren Kindern, in einer kollabierenden Welt, wert ist. Und sie werden erst recht nicht daran vorbeikommen, für die Zerstörung unserer Lebensgrundlagen verantwortlich gemacht zu werden. Wer als Eltern heute noch bedenkenlos Konsumorgien veranstaltet, lässt berechtigter weis Zweifel an der Rolle der liebenden Eltern aufkommen.
Doch ist es nie zu spät, Verantwortung zu übernehmen.
Parentifizierung in der ökologischen Katastrophe
Die Medienlandschaft der vergangenen fünf Jahre war voll von Befürwortungen für die Proteste der FFF-Bewegung. Diese haben dazu geführt, die jungen Generationen immer intensiver in die Pflicht zu nehmen, statt die Verantwortungs-Frage zu stellen. Das ist ein fatalistisches Rollenverständnis in unserer Gesellschaft. Jede Debatte um den Verbleib der FFF-Bewegung ist eine fehlende Debatte darüber, wo denn die Erwachsenen sind.
Die Psychologinnen Lea Dohm (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre) und Mareike Schulze (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre) widmen sich in ihrem Buch „Klimagefühle“ (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre) u.a. dem Thema „Kinder und die Klimakrise“. Sie schreiben, dass es Kindern Mut macht, wenn ihre Eltern sich für eine Sache einsetzen und plädieren dafür, beim Klimaschutz als Vorbilder voranzugehen. Nicht nur, weil es unbedingt nötig ist, auch weil es Kindern Sicherheit gibt und den eigenen Blick in die Zukunft erträglicher macht.
Es gibt diese Eltern und Großeltern, diese Erwachsenen, die sich engagieren und Teil der Veränderung sein wollen. Soziale Bewegungen wie Parents for Future, Psychologists for Future, Omas gegen Rechts, Extinction Rebellion oder die Letzte Generation zeigen in Ansätzen wie es gehen kann.
Doch der Großteil versteckt sich hinter Ignoranz oder einer Pseudosolidarität. Das Ergebnis ist eine „Parentifizierung“. Ein Phänomen, bei dem „ein Kind Funktionen und Aufgaben übernimmt, die eigentlich die Eltern […] übernehmen müssten.“
Während die erwachsenen Mitverursachenden des ökologischen Desasters weiter tatenlos bleiben, sind Kinder, Jugendliche und junge Menschen existenziellen Ängsten und belastenden Kämpfen ausgesetzt.
Apokalypse now, tomorrow and later
Immer mehr Wissenschaftler*innen fordern eine ernsthafte Auseinandersetzung mit den Wahrscheinlichkeiten von Aussterbe-Szenarien. Sie wollen der Frage auf den Grund gehen, wie wahrscheinlich das Aussterben der Menschen sein könnte. Doch bevor es so weit kommt, haben wir es mit anderen Katastrophe zu tun.
Noch lange bevor Menschen von der Erde verschwinden, werden zivilisatorische Leitplanken durchbrochen sein, Gesundheits- und Versorgungssystemen zusammenbrechen und ganze Landstriche auf der Erde für Menschen unbewohnbar sein. Welche Auswirkungen dies auf ethische und moralische Grundwerte einer Gesellschaft haben wird, sehen wir bereits an den europäischen Außengrenzen.
Staaten werden Kriege um Ressourcen führen, faschistische Regime sich ausbreiten und es wird zu extremen sozialen Verwerfungen kommen. Beziehungsweise passiert all das bereits unübersehbar.
Doch gerade jene, die Veränderungen antreiben können, gehören zu den größten Blockierer*innen: die Erwachsenen, die Eltern und Großeltern. Sie sind jene mit einem festen Platz in der Gesellschaft, mit Zugängen und Möglichkeiten, mit Ressourcen und Netzwerken.
Wer, wenn nicht die Eltern, sollen Teil der Speerspitze des Widerstandes gegen zerstörende, ausbeutende und mordende Konzerne sein? Gegen die Zerstörung der Lebensgrundlagen und der Zukünfte ihrer Kinder.
Doch was wir derzeit sehen, ist ein kollektiver Suizid, bei dem die Eltern die Stricke für die eigenen Kinder an der Zimmerdecke anbringen.
Wie ist deine Haltung dazu? Hast du manchmal ein schlechtes Gewissen? Fühlst du dich machtlos? Oder hast du Anregungen für andere Eltern?
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