Über das untrennbare Verhältnis von Kapitalismus und Faschismus
Vergesellschaftung als Bastion gegen die zweigliedrige Zerstörung des freien Lebens
Dies ist ein Beitrag (von mir) aus meinem neuen Sammelband: Vergesellschaftung und die sozialökologische Frage
»Wer aber vom Kapitalismus nicht reden will, sollte auch vom Faschismus schweigen.«[1] Max Horkheimer
Unter anderem und insbesondere aus der deutschen Geschichte lässt sich eines lernen: Die Kapitalist*innenklasse ist bereit dazu, gemeinsame Sache mit Despoten, Diktatoren und Faschisten zu machen, wenn es für sie profitabel erscheint. Bevor sie Macht und Profit einbüßen oder schlichtweg zu ihrem Vorteil schlagen sie sich auf die Seite des Faschismus und fungieren künftig als ihre Geldgeber*innen. Der Faschismus ist so als ein Krisenzustand des Kapitalismus zu betrachten und kann als (zugespitztes) Mittel verstanden werden, kapitalistische Zwänge zu erhalten.
Dieses untrennbare Verhältnis hat in der Jetztzeit nicht an Gültigkeit verloren. Die gerade aufkommende faschistische Bedrohung setzt sich aus einer weiteren Komponente zusammen. Die in der Einleitung erwähnten Krisenphänomene durch den menschengemachten sozialökologischen Kollaps sorgen für Unsicherheit und Orientierungslosigkeit, sofern (wie aktuell) keine merkbar wirksamen Antworten darauf gefunden werden. Teile der Gesellschaft fühlen sich zunehmend zu Personen und Parteien hingezogen die ihnen (angeblich) einfache Lösungen präsentieren. Der Hang, autoritäre Bestrebungen zu unterstützen, verstärkt sich, und so sehnen sich manche nach einer stark erscheinenden Führerperson, die komplexe Probleme zu bewältigen behauptet.
Die 2020er-Jahre sind in Deutschland sehr von diesen Tendenzen und Entwicklungen geprägt, und so steht eine mehr oder weniger freiheitlich-demokratische Gesellschaft einem drohenden Neofaschismus gegenüber, der sich mittlerweile als größte Bedrohung (als eine Komponente beziehungsweise Version des sozialökologischen Kollaps) für die befreite Gesellschaft seit der Nachkriegszeit ausmachen lässt.
Der Ursache lässt sich dabei recht einfach erkennen, doch deren Bearbeitung bedarf einer komplexen Herangehensweise: Kollektivität. Die oligarchische Demokratie muss redemokratisiert werden. Großkonzerne und Super-reiche sind zu entmachten, da ihnen und einer Parteienlandschaft (die sich in weiten Teilen mehr für die profitorientierten Belange Erst- und Zweitgenannter einsetzt) nicht mehr zuzutrauen ist, die wirklich essenziell gefährlichen Problembegegnungen der Jetztzeit aufzulösen und dafür Sorge zu tragen, eine emanzipierte, inklusive und zukunftsfähige (echte) Demokratie zu fördern.
Um die erneute Gefahr eines faschistischen Systems zu verhindern, muss dem deutschen Regierungssystem, das vom Profitlobbyismus durchzogen ist, Unterstützung zukommen. Eine (echte) Demokratie besteht aus mehr als gewählten Volksvertreter*innen, deren Handlungsfähigkeit und -wille in zu vielen essenziellen Belangen von einer oligarchischen Lightversion bestimmt wird. Wer den Kapitalismus inkonsequent herausfordert, bekommt Faschismus als Antwort.
Nur die Selbstermächtigung der Gesellschaft als Souverän wird imstande sein, der unwiederbringlichen Zerstörung von Lebensgrundlagen, Freiheit und Gerechtigkeit wirksam und rechtzeitig Grenzen aufzuzeigen: Vergesellschaftung ist nach diesem Verständnis nichts weniger als eine Bastion gegen die untrennbare zweigliedrige Zerstörung des freien Lebens.
Gleichzeitig, und um diese Perspektive bemüht sich der folgende Beitrag, muss ein Vergesellschaftungsprozess kritisch mit dem Wesen des Kollektivs umgehen, das es voraussetzt, vertreten will und dem es Selbstwirksamkeit ermöglichen will. Ein Blick in die Geschichte des »Dritten Reiches« und die Politik rechter Akteur*innen heute zeigen, dass die dualen Strategien der Enteignung und Vergesellschaftung effektiv genutzt werden können, um die Interessen einer als homogen angesehenen Mehrheit gegen die einer als Gegner*innen diffamierten Minderheit durchzusetzen. Die Frage, wie eine Gesellschaft und deren vorherrschenden politischen Institutionen, die durch Machtungleichheit strukturiert sind, durch einen Vergesellschaftungsprozess zu einer gerechten Verteilung an Macht kommen kann, ist demnach eine essenzielle, die sich jedes Vergesellschaftungsprojekt stellen muss.
Teile gerne deine Gedanken dazu in den Kommentaren.
Anmerkungen
[1] (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre) Horkheimer, Max (1939): Die Juden und Europa, in: Zeitschrift für Sozialforschung8 (1939–1940), S.115–136.