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Warum Wohnen private und gesellschaftliche Frage ist 

In den kommenden Wochen geht es ums Thema WOHNEN. Es tangiert mich gerade persönlich, denn ich ziehe bald um. Außerdem bin ich bekennender Wohnungs-/Hausbau-/Immoblinen-Doku-Junkie (mehr dazu bald in “Gehört. Gesehen. Gelesen.” zum Thema).

Und: Am Thema Wohnen sieht man sehr gut, warum unser privates gutes Leben und die Idee vom guten Leben auf gesamtgesellschaftlicher Ebene miteinander verstrickt, komplex und tief politisch sind. Genau darum geht es heute, als Einstieg und Ausblick auf die nächsten Folgen “gut leben. Wohnungs-Edition”. 

Wohnen ist Privatsache

Die eigenen vier Wände sind unser Rückzugsort vor der Welt. Hier können wir die Tür hinter uns schließen, nach einer harten Woche in unserem ältesten Pyjama schnulzige Filme schauen, die ein zweifelhaftes Weltbild reproduzieren; hier können wir schief singen und albern tanzen; moderne Kunst aufhängen oder ein Wandtattoo und es hat keinen zu tangieren. Hier können wir – im Großen und Ganzen – machen was wir wollen, denn wir stecken unsere Füße jetzt unter unseren eigenen Tisch. Hier kommt nur rein, wen wir einladen.

War truly my castle: Meine erste ganz eigene Wohnung

My home is my castle and I think that is a beautiful thing. Ja, wohnen und wie genau wir es tun, das ist Privatsache. Mehr sogar noch:

Wohnen ist intim und emotional

Mit unserer Wohnung (oder unserem Haus) sind große Emotionen verknüpft. Ich merke das jedes Mal, wenn ich umziehe – man lässt einen Lebensabschnitt zurück. So viele Dinge sind hier passiert! So sehr habe ich mich in der Zeit hier verändert! Oft erinnern wir uns noch Jahre, Jahrzehnte später an die Gerüche aus dem Haus unserer Großeltern oder das Geräusch, dass die Tür zu unserem Kinderzimmer beim Öffnen und Schließen gemacht hat. 

Wie hoch emotional Wohnen ist, sieht man auch oft daran, warum, wie und unter welchen Bedingungen Menschen ein eigenes Haus bauen oder kaufen. Für viele ist es ein Lebenstraum, für den sie Anderes hinten anstellen und verzichten, sich hoch verschulden und ein großes Klumpenrisiko auf sich nehmen. Rein wirtschaftlich wäre es oftmals schlauer, weiter zur Miete zu wohnen und das Geld anderweitig anzulegen (dazu in einer anderen Folge mehr) – aber es ist eben oft keine wirtschaftliche Entscheidung. Und das ist okay so. Dass Wohnen eine große private, emotionale, intime Komponente hat, dürfen wir nicht vergessen, wenn wir es wirtschaftlich, politisch, gesellschaftlich betrachten.

Wohnen ist eine politische und gesellschaftliche Frage

Der Wohnungsmarkt ist angespannt – besonders in den sogenannten Ballungszentren, das ist kein Geheimnis. Dort steigen die Mietspiegel oft rasant an. Städte und Gemeinden haben eigenen Grund und Boden, eigenen Wohnungsbau veräußert – so schauen wir nun aus Deutschland neidvoll auf Städte wie Wien, wo die gut Versorgung mit sozialem Wohnungsbau aus öffentlicher Hand dafür sorgt (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre), dass Wohnen für Viele bezahlbar bleibt, Viertel sozial durchmischt.

Über die Bezahlbarkeit von Wohnraum hinaus sind viele gesellschaftliche Fragen unmittelbar mit dem Wohnen verwoben: Welche Lebensformen werden überhaupt vom derzeitigen Angebot an Wohnraum abgedeckt? Eine Versorgungsgemeinschaft aus 5 Erwachsenen und 7 Kindern als urbane Wahl-Großfamilie wohl kaum. (Danke für diesen Input aus der Community!) Was ist mit generationenübergreifenden Ansätzen – warum wohnen zum Beispiel alte Menschen alleine und oft einsam in großen Häusern? (Ebenfalls aus der Community!) Überhaupt: Wie viele Quadratmeter pro Person lassen sich mit der Nachhaltigkeit vereinbaren? Sind Einfamilienhäuser noch zeitgemäß? Oder müssen wir lediglich an unserer Vorstellung davon arbeiten, was “eine Familie” ist? (Und damit wären wir wieder bei Lebensformen und Wohnraum-Angeboten.)

Das alles sind hochpolitische Fragen. Der Wohnungsmarkt wurde viel zu lange sich selbst überlassen, ist kaum reguliert und stellenweise völlig außer Kontrolle. Es ist nicht so, dass der Markt nicht regelt, sondern vielmehr:

Der Wohnungsmarkt regelt… für manche

Jetzt kommen wir bei den Privilegien an und der Frage, wie mein Partner und ich in einer Stadt mit katastrophalem Wohnungsmarkt (Freiburg) innerhalb von zwei Wochen eine Wohnung gefunden haben. Ein ganz kleines Bisschen haben wir sicherlich selbst dazu beigetragen (Flexibilität bezüglich der Stadtteile und Ausstattung, direkt selber inserieren), der Rest war Glück, und dieses Glück bestand zu rund 90 Prozent aus Privilegien, die sich aus zwei guten Gehältern, zwei unverdächtig kartoffeligen Namen und ausreichend Rücklagen für den Einbau einer eigenen Küche akkumuliert haben.

 Habe ich mich – privat und emotional – extrem über unsere neue Wohnung gefreut? Zweifelsohne.

Gleichzeitig hat es mich aber auch traurig gemacht. Wäre ich als alleinerziehende Mutter – selbst mit gutem Gehalt – genauso schnell fündig geworden? Wohl kaum. Vielleicht hätte ich am Ende für eine kleinere Wohnung sogar mehr hätte bezahlen müssen, weil der Markt für mich eben gar nichts geregelt hätte.

Und nun?

Wir bleiben für heute mit mehr Fragen als Antworten zurück, mit mehr Problemen als Lösungen. Und das ist okay. Denn wenn sich Privates und Politisches mischt, dann wird es schnell komplex.

Ich finde es total legitim, als Mensch Anfang 30 darüber nachzudenken, ob man nicht doch gerne Eigentum hätte und wie man dazu kommen könnte, steigender Zinsen und teurer Baustoffe zum Trotz – vielleicht werde ich dazu noch eine Folge schreiben. Individuelle Lösungen reichen aber nicht – deshalb wird es um kollektive Ansätze und Ideen ganz bestimmt noch gehen. 

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