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Hinter bunten Scheiben

Gestern fiel mir in Hamburg ein halber freier Tag vor die Füße und ich nutzte ihn für eine Tour zu drei ganz unterschiedlichen Versammlungsstätten der Moderne. Noch im Frühstücksraum, bei einem späten Birchermüsli, konnte ich den Blick frei auf die Speicherstadt schweifen lassen. Denn das 2014 eröffnete Hotel verbindet über die Materialien Backstein und Klarglas seine Neubauteile mit einem historischen Kern: die ehemalige Kaffeebörse. 1956/58 fertiggestellt nach Entwürfen von Werner Kallmorgen (mit Schramm & Elingius), zeigt sie sich zur Straße als strenges Fassadenraster. Festlicher ist der sog. Börsensaal gehalten, das unter einer holzverkleideten Tonne fast sakral auf das zentrale Glaskunstwerk zuläuft. Hier schuf der Künstler Ewald Kerlin eine idyllisch anmutende Szenerie, in der Frauen und Männer gut gelaunt in exotischem Ambiente Kaffee ernten (ein Verweis auf ungerechte Arbeits- und Handelsbedingungen hätten hier nur die Geschäfte gestört). Heute kann man den Saal mit vielen bauzeitlichen Details von den Leuchten bis zum Treppengeländer für Feiern und Firmenevents mieten.

Hamburg, Speicherstadt, ehemalige Kaffeebörse, der Um- und Neubau zum Hotel erhielt eine Würdigung beim BDA Hamburg Architektur Preis 2016 (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre) (Bild: © Ajepbah (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre), Wikimedia Commons, CC-BY-SA-3.0 DE (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre))

Etwa eine halbe Stunde Busfahrt entfernt wartet im Stadtteil Hinschenfelde ein ganz anderes Gemeinschaftskonzept. Vom Friedrich-Ebert-Damm kommend, führt der Weg aus dem Gewerbegebiet in eine ruhige Wohnsiedlung der Nachkriegszeit. An der Grenze zum Friedhof liegt die evangelisch-lutherische Emmauskirche, deren Schiff als Keil aus Kupfer und Backstein neben dem schlanken Betoncampanile aufragt. Im Inneren spielt der Gottesdienstraum mit dem Kontrast von weiß gefassten Wandscheiben zur dunkel gebeizten, teils bis zum Boden herabgezogenen Holzdecke. Gekonnte Farbakzente stammen von der Glaskünstlerin Doris Kümmell, die in die Seitenwände abstrakte Formen setzte, um für die Taufkapelle unter der Empore eine Betonglaswand aufzurichten. Hier wird die namensgebende Emmausgeschichte entfaltet, indem der Auferstandene zwei Jüngern auf dem Weg begegnet. Die Zukunft der kunstvoll gestalteten Kirche ist ungewiss die Entwidmung ist für den Sommer geplant, ein Abriss wird diskutiert.

Hamburg-Hinschenfelde, Emmauskirche (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre), 1965 fertiggestellt nach den Entwürfen von Gerhard und Dieter Langmaack, der Turm ergänzt durch den Architekten Heinrich Biesterfeld, der wiederum die angrenzende Friedhofskapelle und -verwaltung gestaltet hat (Bild: Karin Berkemann, 2025)

Einen ganz anderen Weg ging man bei der Neuen Messe, nahe am Dammtorbahnhof und am Park Planten un Blomen. Bis 2009 wurden hier ältere Messeanlagen ersetzt bzw. erweitert, sodass sieben neue Hallen, eine Tiefgarage und ein Verwaltungsbau entstanden. Das Projekt “verschluckte” Teile des historistischen Kraftwerks Karoline und überfing die verbliebenen Bauten durch weitgespannte Bögen. Mit großen gläsernen Wänden setzte die gesamte Planung der Neuen Messe auf Transparenz und Offenheit: Klarglas, gefasst in einem klaren Karoraster. Nicht zuletzt verbindet eine gläserne Fußgänger:innenbrücke zwei Hallen. Am Abend, beim richtigen Lichteinfall fotografiert, gewinnt der merkantile Kristallpalast dann doch wieder so etwas wie eine mystische Grundstimmung.

Hamburg, Neue Messe, Christoph Ingenhoven/ingenhoven associates, 2009 (Bild: Herr Herrner (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre), CC BY NC 2.0 (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre), via flickr (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre), 2006) – mehr zum Thema Messe im neuen mR-Heft “Auf Messe – in gläsernen Hallen (25/1)” (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)

Karin Berkemann, 30. März 2025

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