Ückeritzer Fragmente IV
Ückeritz, Ferienhaus Strandidyll, 22.08. 2023
10.20 Uhr
Verschlafen heute … wennschon „verschlafen“ ein weniger passendes Wort im Urlaub ist. Urlaub macht man ja auch, um auszuschlafen. Aber ich mag es nicht, die Morgenstunden an den Schlaf zu verschenken, zu verschwenden, wo doch die Morgenstunden so voller Energie sind. Energie, die kreativ aufgeladen ist, die Inspiration ins Erwachen trägt, vor allem dann, wenn mit dem Sonnenaufgang schon das azurne Tuch über die Welt gelegt ist und der Sommer seine Wärme allein optisch spürbar zu machen scheint. Aufwachen ist dann so wundervoll. Es liegt Bewegung schon im Halbschlaf. Es zucken die Glieder, im Kopf legen sich die ersten Sätze bereit, die selten lange darauf warten, aufgeschrieben zu werden. Worte … Sätze zeigen sich nie absichtlich, sie präsentieren sich nicht, sie äßen auf den Gedankenwiesen wie scheue Rehe, das Bewusstsein, der Beobachter, muss sich vorsichtig anpirschen, auf den Wind achten, der darf nie von hinten kommen, sonst wittern sie dich und flüchten, wie sie flüchten, wenn du zu lange wartest oder die Deckung zu spät verlässt. Packen musst du sie, sobald sich die Gelegenheit ergibt un einfangen mit dem Netz, gesponnen aus Finger und Tastatur. Der kluge Beobachter ist stets ausgerüstet mit einem Notizbuch, einem Stift und hat beides neben dem Bett liegen. Das Behelfsnetz … Wenn also die Worte und Sätze sich im Aufwachen in den Kopf legen, die Rehe auf der Gedankenwiese stehen, heißt es zupacken und festhalten, bis das Netz über sie geworfen werden kann, bis die Finger den Stift halten oder über die Tasten fliegen können, um das scheue Wild in die Obhut der Pflege durch Verschriftlichung zu bringen.
Die Jagd nach den Rehen ist meist morgens erfolgreich, weil sie sich mit der aufgehenden Sonne zeigen, weil sie in den Morgenstunden äßen und sich tagsüber meist im Unterholz versteckt halten. Einige ihrer Verstecke kenne ich und bei günstigem Wind kann ich sie auch dort aufspüren, sie leise beobachten und einige einfangen. Manche lassen sich in den Abendstunden mit ein, zwei Bier anlocken und werden dann sogar recht zutraulich. Aber gerade diese Rehe sind oftmals die schwachen und kranken, die besonders viel Aufmerksamkeit brauchen in der Zeit nach ihrem Fang. Gefangen müssen sie alle werden, schließlich geht es darum, ihre Art zu erhalten, ihre Population zu mehren, sie dann, wenn sie aufgepäppelt und gesund, geimpft und gechipt, wieder frei zu lassen, sie in die Wälder der Literatur zu entlassen, wo sie ein ungefährliches, gesundes und langes Leben leben können.
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