Die Dynamik der Lüge: Ein Blick auf das Brandolini-Gesetz
Der ungleiche Kampf gegen Desinformation
Stellen Sie sich vor, Sie stehen am Fuße eines riesigen Berges. Sie haben keine Ausrüstung, keine Karte und kein klares Konzept, wie Sie den Gipfel erreichen können. Diese Situation spiegelt metaphorisch das Szenario wider, das Fact-Checking-Organisationen wie wir von MIMIKAMA tagtäglich erleben - den Kampf gegen einen ständig wachsenden Berg von Falschmeldungen und Verschwörungstheorien. Es ist ein scheinbar endloser Kampf, in dem das Werkzeug Wahrheit oft nur schwer gegen die Lawine von Halbwahrheiten und Fiktionen ankommt.
Was ist Brandolinis Gesetz?
Die Entstehung eines Prinzips des Internetzeitalters
Alberto Brandolini, ein italienischer Programmierer, formulierte 2013 ein Konzept, das eine wichtige Erklärung für die Schwierigkeiten liefert, mit denen Faktenprüfer konfrontiert sind. Die Kernaussage dieses Prinzips ist, dass die Korrektur von Falschaussagen und Mythen ein Vielfaches mehr an Aufwand erfordert, als sie in die Welt zu setzen. Dieses Phänomen ist nicht neu, hat aber im Zeitalter des Internets und der sozialen Medien eine besondere Bedeutung erlangt.
"The amount of energy needed to refute bullshit is an order of magnitude bigger than to produce it."
"Das Widerlegen von Schwachsinn erfordert eine Größenordnung mehr Energie als dessen Produktion."
https://twitter.com/ziobrando/status/289635060758507521 (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)Die Quelle von Brandolinis Inspiration
Die Idee entstand, als Brandolini die rhetorischen Strategien des ehemaligen italienischen Premierministers Silvio Berlusconi beobachtete, der mit Fakten oft flexibel umging. Diese Beobachtung wurde später durch ähnliche Kommunikationsstile anderer weltlicher Führer wie Donald Trump bestätigt.
Die Validierung durch die Wissenschaft
Forschungsergebnisse, die den Berg noch größer machen
Wissenschaftliche Studien haben Brandolinis Beobachtungen bestätigt. Eine in der renommierten Fachzeitschrift PLOS ONE (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre) veröffentlichte Studie untersuchte, wie rund 50 Millionen Menschen im Internet mit wahren und erfundenen Informationen umgehen. Die Ergebnisse waren aufschlussreich: Es bildeten sich klar abgegrenzte Gruppen, von denen die einen fast ausschließlich wissenschaftliche Informationen verarbeiteten, während die anderen sich fast völlig in unwissenschaftlichen Informationen verloren.
Unbeugsamer Widerstand gegen Korrekturen
Die Studie zeigte auch, dass die Gruppe, die sich hauptsächlich mit unwissenschaftlichen Informationen beschäftigte, die Richtigstellungen fast vollständig ignorierte. Der enorme Aufwand, der für die Erstellung und Verbreitung der Richtigstellungen betrieben wurde, war umsonst. In einigen Fällen führte der Versuch, Fehlinformationen zu korrigieren, paradoxerweise sogar zu einer verstärkten Beschäftigung mit den problematischen Inhalten.
Historische Perspektiven und Parallelen
Lehren aus der Vergangenheit
Interessanterweise stehen Brandolinis Einsichten in einer Reihe mit Gedanken, die sich durch die Geschichte ziehen. Von Lenin, der auf die Schwierigkeit hinwies, der bloßen Produktion von Fragen mit fundierten Antworten zu begegnen, über Disraeli, der den Überfluss an Unsinn in Büchern beklagte, bis hin zu Max Planck, der die Durchsetzung neuer wissenschaftlicher Wahrheiten als eine Generationenaufgabe betrachtete.
Ausblick und Handlungsansätze
Wie wir weitermachen
Die Herausforderung ist klar: Es braucht nicht nur kontinuierliche Aufklärungsarbeit, sondern auch innovative Ansätze, um die Mauern der Echokammern zu durchbrechen. Organisationen wie unsere spielen dabei eine entscheidende Rolle und brauchen Unterstützung, sei es durch Fördermittel, technologische Innovationen oder einfach durch das Bewusstsein und die aktive Beteiligung informierter Bürger.
Fazit: Ein steiler Aufstieg, aber nicht unmöglich
Das Prinzip hinter Brandolinis Gesetz zeigt uns, dass wir vor einer steilen Herausforderung stehen. Aber es ist ein Aufstieg, den wir bewältigen können und müssen. Mit jedem geteilten Fakt, jeder aufgeklärten Diskussion und jeder wissenschaftlich fundierten Publikation machen wir Schritte nach oben. Der Schlüssel liegt in Ausdauer und Zusammenarbeit - Eigenschaften, die es uns ermöglichen, den Berg der Fehlinformationen nicht nur zu erklimmen, sondern auch zu überwinden.