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Wille braucht einen Wunsch

Ich hatte in den letzten Wochen ein paar gute Ideen für einen Text und habe auch angefangen die Idee weiter zu entwickeln und auszuformulieren. Und obwohl das alles spannende Überlegungen waren, die mich beschäftigen, hat mich keine davon so stark interessiert, dass ich dann wirklich die Energie, die Zeit und die Disziplin aufgebracht habe, sie soweit weiterzudenken, dass du jetzt das lesen kannst was ich dazu sagen möchte.

Seit ich klein bin, finde ich es äußerst Dinge zu machen, die ich uninteressant finde - und davon gibt es einen ganzen Haufen! Mich mehrmals am Tag um etwas zu Essen zu kümmern, der tägliche Abwasch, die wöchentliche Staubsaug-Aktion, die monatliche Buchhaltung und einmal im Jahr das ganze Programm. Wobei das nur die exemplarische Spitze eines Eisbergs ist, der mich immer wieder aufs Neue langweilt. Obwohl ich sehr gerne koche und ebenso gerne esse. Auch dem abendlich kontemplativen Abwasch und aufgeräumten Finanzen kann ich durchaus etwas abgewinnen. Gleichzeitig nehmen diese täglichen Aufgaben so viel Energie in Anspruch, dass mir oft wenig Zeit bleibt für kreativere Aufgaben oder gar traumartiges Denken und Nichts-Tun, das eben nicht losgeht, um einen Haken hinter ein organisatorisches To Do zu setzen, das den Laden am Laufen halten soll.

Es zieht mich hin zu einem Raum, für den der Alltag sehr vieler Menschen dieser Welt keine Zeit zu haben scheint. Wobei mir sehr wohl bewusst ist, dass ich mich hier in einer sehr privilegierten Position befinde, habe ich mein Leben doch stets danach ausgerichtet, dass mir auch Freiraum bleibt für solche Träumereien. Auch auf die Gefahr hin, dass das manchmal auf Kosten anderer Dinge geht. Eben dieses Privileg möchte ich noch radikaler ausnutzen, um zu leben, anstatt vor allem zu überleben. Ich brauche Raum und Zeit und Zugang zu meinem Körper, zu meinem Herzen und meinen ganz einzigartigen Wünschen. Erst dann habe ich eine echte Chance, meinen Willen so auszurichten, dass meine Wünsche zu den Aufgaben werden für die ich hier bin.

Es ist nichts persönliches…

Seit meine Tochter klein ist, beobachte ich bei ihr ein ähnliches Phänomen - wie sie ihren Willen einsetzt, je nachdem wie groß ihr Interesse ist. Das ist eine Erfahrung, die mir auf jeden Fall eine andere Sicht auf meine Eltern ermöglicht hat. Schließlich können Eltern von außen und mit mehr Lebenserfahrung oft besser absehen, was für Konsequenzen es haben könnte, wenn absolut nichts in dem Kind die Rechenaufgabe machen will. Und doch ist es ein furchtbarer Job, den Willen eines anderen Menschen dazu bringen zu wollen, etwas zu wollen und zu tun, was dieser Mensch einfach nicht wünscht und nicht will. Es ist absurd und es ist übergriffig und ja ich verstehe, dass es manchmal nötig ist, Dinge zu tun, die uninteressant sind. Eine Küche ohne Abwasch riecht schlecht. Also wasche ich das Geschirr ab, weil mir guter Geruch wichtig ist. Ich quäle mich an der Uni durchs kleine Latinum und durch einen Berg von Logik und Statistik, bis der Studiengang ein bisschen spannend wird. Oder ich trage die Konsequenzen, dass ich ohne Latinum und ohne Logik niemals bei dem interessanten Teil ankommen werde. Ich verstehe, dass es Grenzen gibt in denen ich lerne, doch vielleicht bin ich auch nur deshalb so verständnisvoll, weil ich dazu erzogen worden bin solche Absurditäten zu verstehen. Wenn ich ehrlich bin, dann ist da stets ein Fragezeichen geblieben.

Wir lernen eine bestimmte Art des Wollens

Jede Kultur und jede Gemeinschaft vertritt eine bestimmte Vision des Zusammenlebens, die davon lebt mit Aufmerksamkeit und dadurch mit Energie gespeist zu werden. Um einen zuverlässigen Energiestrom zu gewährleisten, werden gerne Regeln benutzt, was bedeutet, dass der Wille vieler Menschen auf eine kulturelle Vision ausgerichtet wird. Dauerhaft funktioniert das jedoch nur dann, wenn echte Wünsche dieser Menschen angesprochen werden. Unsere aktuelle Kultur bewerkstelligt diesen Akt meisterhaft, indem sie den säugetierischen Wunsch eines jeden Menschen involviert - dem nach Zugehörigkeit. Schließlich ist dieser tief menschliche Wunsch stets begleitet von einer Ur-Angst aus der Gruppe ausgeschlossen zu werden, was dem Tode gleichkommen würde. Auf diesem äußerst wirkungsvollen Zusammenspiel ist es ein Leichtes, den Willen, sprich die Kraft eines Menschen so zu beugen, dass er alle anderen Herzenswünsche dem Überlebenswunsch unterordnet.

So werden wir dahingehend manipuliert, unsere Energie etwas Größerem unterzuordnen. Denn Menschen machen echt alles, um dazuzugehören. Manches Herz kämpft ein Leben lang hart darum. Manches versinkt vor Scham im Erdboden, weil es einfach nicht klappen will. Ein anderes Herz versteckt seine Wünsche irgendwann vor sich selbst, gibt seinen Willen freiwillig ab oder verzichtet direkt auf den Wunsch nach Zugehörigkeit. Kein Herz bleibt unberührt von dieser Tragödie. Auch dann nicht, wenn wir dieses lebendige Opfer im Laufe der Zeit vergessen, weil wir zu eingespannt sind in die Organisation des Überlebens. Oder weil wir uns mit Sinnlosigkeit, Hoffnungslosigkeit und Freudlosigkeit abgefunden haben. Schließlich geht es da ja allen ähnlich. Das Leben ist eben nicht nur Spiel und Spaß.

Bild: Katrin Pauline Müller

Dabei ist das Leben so viel mehr als Überleben. Es will gelebt werden, will lernen und sich immer weiter entwickeln. Doch dieser Lebenswille, der in jedem Lebewesen dieser Erde brennt, der braucht echte Wünsche, damit der Weg auch dann noch weitergeht, wenn es holprig wird. Um ein echtes Gespür für den eigenen Willen zu entwickeln und um ihn geschmeidig zu halten, brauchen wir Zugang zur Kraft des eigenen Körpers, zum Atem und zum Herzen. Hier betreten wir ein Königreich, dass sich außerhalb der reglementierten Welt befindet und sich hinter oft hohen Schutzmauern seine Unschuld bewahrt hat. Hier können wir uns erinnern, wie es ist den eigenen Willen für das einzusetzen, wofür wir hier sind. Dann haben wir einen echten Grund zu leben und wir können dieser schönen Erde etwas zurückgeben. Indem wir dem eigenen Herzen folgen, erfreuen wir das Herz der Erde und das Herz des Kosmos. Offenbar ordnen wir unsere Kraft ja gerne etwas Größerem unter, wie wäre es also wenn dieses Größere etwas wertvolleres ist als ein gieriges System? Etwas das uns selbst und allen Lebewesen zugute kommt.

Ein somatisches Beispiel

Unsere Kultur hat viele Meinungen und Regeln rund ums Geld: Was man tun muss um zu Geld zu kommen, wie man zu sein hat um Geld zu haben oder wie man über Geld spricht. Mit diesem kulturelle Erbe vermischen sich dann die Familiengeschichten, die in unseren Zellen abgespeichert sind, auch dann, wenn die Festschreibung der Bedeutung von Geld bereits viele Generationen alt ist.

Es war mir lange Zeit ein Rätsel dieses Geld und ich könnte viele Stories dazu erzählen. Ich könnte vom christlichen Teil meiner Familie erzählen, von Schuld und von Erlösung. Ich könnte vom Verlust von Heimat, von Vertreibung und von Gewalt erzählen. Von der Wut, von der Scham und vom Schmerz alles zu verlieren, was wertvoll war. Auch von der Freiheit und von der Leichtigkeit, die Geld mit sich bringt. Der Freiheit ein Haus zu bauen, der Freiheit zu reisen, der Freiheit zu studieren und der Freiheit viele Kinder zu haben. Über die Jahre hat sich dieses Rätsel immer weiter gelichtet, was schließlich auch das Geld in Bewegung gebracht hat, mit dem ich hantiere. Es kommt und geht und ich mag diesen Fluss. Geld anzusammeln, aka Sparen ist ein anderes Ding und entspricht nicht unbedingt meiner Gewohnheit. Es fühlt sich gut an und es macht mich seltsam nervös, wenn sich Geld auf meinem Konto ansammelt. Wenn ich mich traue zu spüren, was mich da so unruhig macht, dann spüre ich etwas, dass ich nur als Todesangst bezeichnen kann. Etwas in mir fürchtet um mein Leben, sobald ich einen Überschuss an Geld habe.

Ich spüre wie ich dann ganz flach atme und nur noch rund ums Brustbein nach vorne. Meine Rippen und das Zwerchfell werden bewegungslos und ohne die Beweglichkeit meiner Atmung wird mein ganzer Körper sehr schnell sehr angespannt. Meine Beine und meine Füße spüre ich kaum noch, dafür fangen meine rechte Hüfte und die rechte Schulter an zu schmerzen. Meine Wirbelsäule und mein Nacken sind steinhart und ja, für einen kurzen Moment werde ich innerlich ein kleines bisschen ruhiger. Vor allem deshalb, weil ich echt gut abgelenkt bin.

Doch die Ruhe hält nur kurz an, es ist viel zu anstrengend und zu eng in mir. Ich fühle mich wie ein gefangenes Tier und das macht mich wütend. Die Wut hilft mir wieder tiefer zu atmen und mich zu bewegen. Jetzt kann ich fluchen und darüber lachen. Jetzt kann ich mich wieder entspannen und klar denken. Vielleicht fällt mir jetzt auf, dass ich irgendwo auf dem Weg eine Möglichkeit gefunden habe irgendwie Geld auszugeben. Vielleicht war ich kurz bei Edeka oder ich habe Sushi geholt. Vielleicht habe ich Strümpfe für meine Tochter gekauft, vielleicht ein schönes T-Shirt für mich. Vielleicht ist auf wundersame Weise auch mehr Zeit vergangen und ich habe ein größeres Projekt gefunden, in das ich easy all meinen Überschuss stecken kann.

Die Zeiten ändern sich, wenn ich etwas will

Wie wäre es nun, wenn ich mit meinem Körper, mit meinen Muskeln und der Art wie ich atme einen Weg finde, mich MIT Geld und MIT Angst, sprich MIT Energie, zu entspannen? Nach wie vor macht mich die gute Idee einer Altersvorsorge echt nicht heiß. Was mich viel mehr lockt ist mein Bedürfnis mich entspannt und frei zu fühlen. Das ist mir wichtig und dafür ist Geld hilfreich.

Ich nehme also tiefe Atemzüge und ich bewege meine Rippen und mein Zwerchfell, das bis tief in den Bauch reicht. Meine rechte Hüfte atmet erleichtert auf und aus dem Schmerz, der da seit Jahrzehnten sitzt, wird eine starke Empfindung meiner Knochen, ein tiefes Vibrieren. Jetzt spüre ich meine Oberschenkel. Die sind steinhart und meine Kniekehlen fühlen sich superkomisch an. Bestimmt ein Notfall, eine Thrombose, eine Lungenembolie oder gar ein Schlaganfall. Da ist sie die Todesangst. Und MIT ihr kann ich mich entscheiden, weiter zu atmen, mich weiter zu entspannen und meine Waden und Schienbeine zu spüren.

Bis ich wieder meine Füße und den Boden spüre. Der Boden bewegt sich und ich schwanke mit. Das ist seltsam und erleichternd zugleich. Das erlaubt mir tief zu atmen und einfach zu stehen. Ich spüre die Verbindung von meinem Körper und dem Körper der Erde. Ich bin die Erde. Ich bin das Leben. Und ja, es gibt gefährliche Situationen und gefährliche Wesen in diesem Raum. Und ja, manche davon wollen meine Energie, doch Gefahr lauert nicht überall. Je entspannter ich bin, desto mehr Energie habe ich, um weit und tief wahrzunehmen. Dann bin ich verbunden, frei und geschützt.

Geld auf dem Konto ermöglicht mir eine gewisse Unabhängigkeit in einer Welt, die Menschen zu Sklaven des Geldes macht. Dieser Gedanke ist für mich ein echter Anreiz immer wieder aufs Neue den Boden unter meinen Füßen zu finden. Obwohl ein Teil in mir die Angst zu sterben spürt und sofort nach oben Richtung Kopf rennt, bloß weg von der Angst, weg von der Gefahr, weg von der Energie. Zu bleiben, zu atmen, zu spüren, zurückzusinken ins Herz der Erde befreit mein eigenes Herz. Und es macht mich neugierig darauf, wie mein Konto in einem Jahr aussieht.

Vielleicht gibt es in deinem Leben auch etwas wofür du deine Energie (in Form von Aufmerksamkeit, Entspannung, Zeit, Emotion, Geld, …) neu einsetzen möchtest? Warum und wofür willst du das tun? Was ist dir so wichtig, dass dein Wille mitmacht? Was erzählen deine Atmung und deine Muskeln über deinen Willen? Wie ist es damit zu spielen, sprich ab und zu übertrieben tief zu atmen oder feste Muskeln mit Absicht anzuspannen und dann wieder loszulassen? Was “macht” es mit deinem Wunsch, wenn du deinen Willen körperlich ausrichtest?

Der Neumond am 08. April trifft auf eine totale Sonnenfinsternis und lädt, laut Astrologie und ganz grob gesagt dazu ein, die eigene Kraft (aka den eigenen Willen) mutig dafür einzusetzen neue Wege zu gehen und wirklich für die seine Ziele und Bedürfnisse (aka Wünsche) loszugehen. Und damit dem großen Ganzen dienen.

Mögen alle Wesen frei sein. 

Katrin

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