Sich selbst frei lassen
Den Sommer über hat mich eine Frage beschäftigt. Sie war spürbar in den unterschiedlichsten alltäglichen Situationen mit Menschen und bei mir selbst. Immer wieder habe ich mich gefragt, wie es wohl wäre, wenn wir uns alle weniger wichtig nehmen würden.
Woher kommt es, dass so viele Menschen so obsessiv um sich selbst kreisen? Was bedeutet Egozentrik für das eigene Leben und für ein soziales Zusammenleben? Wie könnte eine altruistische Herangehensweise überhaupt aussehen? Und was braucht es, damit selbstlose Wege realisiert werden können?
Ein Grund des um sich selbst Kreisens scheint ganz offensichtlich folgender zu sein: Menschen sind auf der Suche nach sich selbst und solange sie sich noch nicht gefunden haben, kreisen und suchen sie weiter. Wobei die Frage nach dem »Selbst« diese Suche zu begleiten scheint. Denn, was soll das eigentlich sein, dieses »Selbst«?
Das Spiel der Welt dreht sich hauptsächlich um Funktion, Performance und Profit. Und nach entsprechend passenden Richtlinien werden Menschen von klein auf an erzogen und geformt. Sie werden belohnt, wenn sie das weltliche Spiel gut erfüllen und sie werden ignoriert oder bestraft, wenn sie andere Werte vertreten. So ist es nicht groß verwunderlich, dass viele Menschen sich selbst auf dem Weg aus den Augen verlieren oder kein sicheres Gespür für die eigenen Impulse entwickeln. Oder sie lernen früh, die persönlichen Vorlieben als minderwertig und falsch einzuschätzen, da sich diese eventuell grundlegend vom maschinellen Charakter einer Leistung unterscheiden.
Doch keine Sorge, auch wenn dieses Parallelprogramm verwirrend und anstrengend sein kann, die echte Energie eines Menschen, die ist immer da und sie geht auch nicht verloren. Wenn du mit Ruhe und Offenheit unter die Oberfläche und unterhalb der Performance spürst, dann bekommst du ein gutes Gespür für die individuell energetische Signatur von Menschen.
Lebendiges Spiel
Manche Menschen sind leicht und schnell und überall mit ihrer Aufmerksamkeit. Manche Menschen sind ruhig und tief und voller Weisheit. Manche Menschen haben Zugang zu roher Energie, die Berge versetzen kann. Manche Menschen sind spielerisch und fröhlich, so dass es allen in ihrer Umgebung ein bisschen leichter ums Herz wird. Manche Menschen wirken heilend. Und letzten Endes sind alle Menschen all das und noch viel mehr.
Es scheint, als ob Menschen sich einen Pool an Möglichkeiten teilen und diesen gemeinsam auf der Erde verkörpern. Vielleicht einfach deshalb, weil das Leben dann mehr Spaß macht. Vielleicht auch deshalb, weil gemeinsam viel mehr bewegt werden kann und das Leben in Bewegung bleibt.
Es scheint auch, als ob sich jeder Mensch aus diesem Pool seine Besonderheiten aussucht, vielleicht im Eierstock der Großmutter, vielleicht noch früher. Könnte eben diese Wahl das sein, was als »Selbst« bezeichnet wird? Vielleicht ist es einfacher eine Auswahl zu verkörpern, anstatt gleich alles auf einmal? Und schließlich führt die Verbundenheit aller Besonderheiten stets zurück zur Quelle, zu Energie und zu Bewusstsein.
Die persönlichen Eigenarten sind spürbar in jeder Körperempfindungen, in jeder emotionalen Welle und in allem, was dein Herz berührt. Jede Art der inneren Arbeit verbindet dich mit deiner Wahl, deiner Einzigartigkeit, deinem Selbst, während die äußere Welt kräftig mithilft, indem sie diesem Prozess einen größeren Resonanzraum bietet.
Bild: Bild: Meagan Donegan, Moon, 2018 aus The Library of Esoterica, Witchcraft, Taschen, 2021
In der eigenen Besonderheit findet die Suche ein Ende und du kommst zu Hause an. Von da aus ist es dann viel einfacher, die Grenzen der eigenen Wichtigkeit zu erweitern und der Sprung ins größere Ganze ist weniger erschreckend. Jetzt hast du etwas zu geben und es wird, vielleicht zum ersten Mal, echter Austausch und Kooperation mit anderen Menschen möglich.
Der Sprung ins Selbst und damit in Alles ruft ruft ein höheres Bewusstsein zurück auf die Erde. Und hier liegt eines der größten Geschenke: Das Spiel, um seiner selbst Willen, das Spiel, welches niemals endet. Was für Auswirkungen hätte es, würden wir das kosmische Spiel wieder offensichtlicher spielen?
Wahrscheinlich würde »Mensch sein« neu definiert werden, denn da wären veränderte Menschen auf dem Spielfeld. Vielleicht wären es glückliche Menschen, die ihre Emotionen und Empfindungen wertschätzen und die das Leben genießen. Vielleicht wären es Menschen, die ihre eigenen Widersprüche mit einem Lächeln kommentieren und für die selbst Schmerz und Sterben ein Teil des Lebens sind. Menschen, die authentisch sind, sich selbst verschenken und auf diese Weise ein Leuchtfeuer sind für alle Suchenden.
Wenn wir unsere Programmierungen nicht mehr ganz so ernst nehmen und stattdessen der eigenen Energie folgen, dann ist jede*r von uns dieses Feuer, diese Erinnerung. Ein lebendiges Geheimnis, das vielleicht nie ganz entschlüsselt wird und doch den Weg nach Hause weist. Heute mit dem Neumond im Rücken, ist eine gute Gelegenheit für einen solch grundlegenden Sprung in die innere Freiheit.
Mögen alle Wesen glücklich sein.
Und besonders meine liebe Freundin Ali, die heute ihren 40. Geburtstag feiert.
Katrin
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