Monkey Monday #7
Das Ende des Industrielands Deutschland?

Der deutschen Wirtschaft geht es nicht gut. Während sich Ökonomen darüber uneins sind, ob die Ursachen eher struktureller oder konjunktureller Natur sind, scheint unabhängig davon eine Epoche zu Ende zu gehen. Die Zeit nämlich, in der Deutschland ein Industrieland war, das diesen Namen auch verdiente. Indem es nämlich seinen Wohlstand zu einem erheblichen Teil aus der Wertschöpfung des verarbeitenden Gewerbes, der Industrie eben, herleitete. Über lange Jahre lag deren Anteil an der Bruttowertschöpfung in Deutschland stabil bei 22-23%, deutlich oberhalb des EU-Durchschnitts (16-17%). Während er aber über die letzten etwa zehn Jahre in Europa unverändert blieb, ist der Anteil in Deutschland zuletzt auf rund 20% abgesunken, Tendenz weiter fallend.
Mit dem aktuellen Abgesang auf die deutsche Wirtschaft schließt sich ein Kreis. Schon einmal, im Juni 1999, hatte der britische “Economist” der größten Volkswirtschaft Europas den wenig schmeichelhaften Titel “Sick man of the euro” verliehen. Nach dem Dotcom-Crash, 9/11 und der tiefen Vertrauenskrise der frühen 2000er Jahre stieg die Arbeitslosigkeit in Deutschland bis Mitte des Jahrzehnts auf über fünf Millionen Menschen an. Die damalige Regierung unter Kanzler Schröder reagierte mit den angebotsorientierten “Agenda 2010”-Reformen, welche in Kombination mit den im Jahr 2000 beschlossenen Unternehmenssteuersenkungen die Standortbedingungen verbesserten und ab 2005 einen von Investitionen getragenen Aufschwung ermöglichten. Eine entscheidende Rolle spielte dabei, dass China im November 2001 der Welthandelsorganisation WTO beigetreten war. Deutsche Industrieunternehmen ergriffen die Gelegenheit, indem die einen kostengünstig in China produzieren ließen und gleichzeitig andere in der wachsenden chinesischen Mittelschicht einen zunehmend attraktiven Absatzmarkt fanden. Zu Hause sorgte das Prinzip “Fördern und Fordern” für abschmelzende Arbeitslosenzahlen, die deutliche Ausweitung atypischer Beschäftigungsverhältnisse (vor allem Teilzeil- und Leiharbeit) verschaffte Unternehmen Flexibilität, die sie angesichts des rigiden Kündigungsschutzes dringend benötigten. Auch in der Schaffung neuer Stellen spielte die Industrie eine führende Rolle. Innerhalb nur weniger Jahre mauserte sich der kranke Mann Europas zum ökonomischen Superstar.
Wie konnte es dazu kommen, dass nun, gute 15 Jahre später, Deutschland von der Wachstumslokomotive Europas erneut zum Pflegefall geworden ist? Welche Bedeutung hat das aktuelle Dahinsiechen seiner größten Ökonomie für Europa insgesamt, welche für die Kapitalmärkte? Und: Gibt es noch Hoffnung, und falls ja, wo? Diesen Fragen widmen wir uns weiter unten.
Zunächst aber wie immer der Blick auf Makrodaten, die in dieser Woche die Märkte bewegen könnten. Nach den höher als erwartet ausgefallenen US-Inflationszahlen der vergangenen Woche nimmt die Wahrscheinlichkeit zu, dass die Fed am 19. März nicht die Zinsen senkt. Ein Konflikt mit dem Weißen Haus wird damit wahrscheinlicher. Aufschluss darüber, wie sich der Offenmarktausschuss der Fed die weitere Zinspolitik vorstellt, könnte das Protokoll der letzten Sitzung geben. Es wird am Mittwoch veröffentlicht. Ansonsten dürfte am Dienstag der ZEW-Index darauf hindeuten, dass die befragten Finanzmarktvolkswirte und -analysten den wirtschaftlichen Ausblick in Deutschland etwas weniger negativ beurteilen - der entsprechende Index wird bei 15 erwartet, nach zuletzt 10,3. Aussagefähiger bezüglich der wirtschaftlichen Dynamik sind die Einkaufsmanagerindizes, welche am Freitag zur Veröffentlichung anstehen. Hier dürfte sich der Trend der letzten Monate fortsetzen, der den USA (Gesamtindex mit 52,7 klarer im Wachstumsbereich als in Europa) auch in den nächsten Monaten robusteres Wachstum prophezeiht. Auch befinden sich in den USA bisher beide Teilindizes, also Industrie und Dienstleistungen, oberhalb der Marke von 50 und damit im Expansionsbereich, während in Deutschland und der gesamten Eurozone die Industrie schrumpft. Werte von 46,6 für den Euroraum und 45,0 für Deutschland signalisieren deutlich weniger Dynamik als auf der anderen Seite des Atlantiks und liefern kaum Hoffnung darauf, dass Europa in den nächsten Monaten seine Wachstumsschwäche überwinden kann.
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