Für einander da sein
Auch wenn es dieses Jahr wieder schwieriger wird: Gemeinschaft ist einer der größten Imperative im Islam. Damit ist ein lass niemanden zurück, lass niemandem in Schmerzen allein, rede mit anderen und öffne dein Herz gemeint, aber natürlich auch ein miteinander essen, miteinander beten und miteinander lachen.
Ich erinnere mich an den Ramadan 2019. Ich habe einen ganzen Tag auf der Hauptwache in Frankfurt verbracht und dort fastend Fragen zu meiner Transidentität mit fremden Menschen besprochen. Ich hatte so viele Begegnungen, dass ich kaum gemerkt habe, wie schnell die Zeit verging. Eine ältere Frau, die im Gespräch festgestellt hat, dass sie als Unterstützerin zum CSD kommen sollte. Zwei Jugendliche, die zuerst versucht haben, so richtig männlich rüberzukommen und zum Schluss mit mir über ihre emotionalen Seiten gesprochen haben und wissen wollten, wie sie als Männer etwas mehr davon zeigen können. Eine liebe polnische Person, die vor Freude Tränen in den Augen hatte, jemanden von ihrer Community in dieser völlig neuen Stadt gefunden zu haben.
Ich habe den Gebetsruf fast nicht registriert. Als plötzlich eine Freundin mit einem Glas Wasser und einer Dattel vor mir stand und sagte: "Marco, bitte setz dich endlich zu uns, du darfst schon seit einer halben Stunde essen!" Wie aus dem Nebel hört ich ihre Stimme. Ich lächelte, nahm die Dattel und das Wasser, sagte freudestrahlend "Bismillah" und betete ein Dankesgebet in meinen Kopf als ich die Dattel und das Wasser aß und trank.
Mit meiner Gemeinde, meinen Freund*innen, christlichen und jüdischen Menschen aus befreundeten Communities und auch mir völlig Unbekannten unter freiem Himmel mit Regenbogenflagge im Hintergrund auf der Hauptwache super leckeres pakistanisches Essen zu essen. Das war Gemeinschaft.
Solidarisch zu einander stehen. Mit einander essen. Für einander beten. Auf einander aufpassen. So verstehe ich diesen Imperativ.
Alhamdulillah für alle, die ihre Gedanken mit mir teilen. Alhamdulillah für alle, die für mich da sind. Alhamdulillah, für jeden Moment der Gemeinschaft, den wir dieses Jahr unter COVID-Bedingungen erleben werden.
