Frauengucken
Sehr verehrte Damen und Herren, ihr lieben Leser und Leserinnen.
Heute gibt es einen kleinen Zwischen-Newsletter für euch. Kein Thema beherrscht meine Timeline seit Wochen so viel wie Barbie. Also soll es um Barbie von Greta Gerwig gehen. Oder quasi um Barbie, denn ich habe den Film gar nicht gesehen.
Es gab eine Schlagzeile, die mich nicht in Ruhe gelassen hat.
Der Kinofilm von Greta Gerwig knackt die Milliardenmarke an den Kinokassen. Sie ist die erste Solo-Regisseurin, der das gelingt. Der Erfolg überrascht offenbar selbst Warner Brothers.
(FAZ vom 07.08.2023)
Abgesehen von der Milliardenmarke. Abgesehen von den männlichen Kollegen. War das schwer? Also für eine Regisseurin, irgendwie die erfolgreichste Regisseurin unter anderen Regisseurinnen zu werden. Ich kenne nämlich keine andere.
Was ist da los?
Zum Vergleich.
Vor ein paar Jahren gab es diesen Aufruf, man solle im eigenen Regal zuhause mal alle Schriftsteller ein Stück nach hinten rücken und schauen, wie viele Schriftstellerinnen vorne übrig bleiben. Mein Ergebnis sah aus wie das von den allermeisten anderen auch. Nur wenige Bücher, die von Frauen geschrieben wurden, blieben vorne. Au Backe!
Dieses Ungleichgewicht hat mir zu schaffen gemacht. Von Mitleidskäufen kann hier aber wirklich nicht die Rede sein. Ich würde sagen, seit diesem Regaltest, habe ich nicht nur einen Ausgleich erreicht. Die Schriftstellerinnen, die ich entdeckt habe, haben mein Leben und Schreiben maßgeblich beeinflusst, sie kommen immer wieder selbst in den beiläufigsten Gesprächen vor. Im Newsletter, bei Instagram oder in meinen Büchern. Helga Schubert, Dörte Hansen, Marion Brasch, Marina Leky, Katja Oskamp, Deborah Levy, Ruth Klüger. Jüngst kam Jenny Erpenbeck hinzu, als nächstes möchte ich Karen Duve lesen. Aktuell spüre ich die Tagebücher von Brigitte Reimann auf, die mich so gut unterhalten wie die von Astrid Lindgren. Nicht zu vergessen der Briefwechsel zwischen Max Frisch und Ingeborg Bachmann aus dem letzten Jahr. Ingeborg Bachmann war eine echte Wiederentdeckung für mich.
Als ich an meinem 37. Geburtstag abends alleine in Oppenheimer ging, dachte ich, mensch, manchmal biste so ne richtige Dörte-Hansen-Figur.
Frauenlesen kann ich. Aber Frauengucken?
Ich würde schon sagen, dass mir Bücher näher stehen, aber ich würde auch sagen, dass mir Filme mindestens genauso wichtig sind. Nur beschäftige ich mich mit Filmen eben nicht so tiefgehend wie mit Büchern. Ich habe von Filmen einfach nicht so viel Ahnung, aber sie können genauso knallen, genauso nachwirken, genauso in meinem Kopf liegen bleiben. Bei einem Buch will ich wissen, wie es gemacht ist. Wer hat es geschrieben und was war in der Zeit los, als es geschrieben wurde. Ich entscheide einen Film nicht danach, wer ihn gemacht hat, sondern ob Kate Winslet oder Cillian Murphy mitspielen. Vielleicht ist das auch der Grund, warum mir keine einzige Regisseurin auf Anhieb einfällt. Einerseits. Aber andererseits könnte ich garantiert zehn Regisseure aus dem Kopf mit ihren dazugehörigen Filmen aufzählen, die ich großartig fand. So ganz egal ist mir die Regie vielleicht doch nicht.
Liebe Leser und Leserinnen,
hier pausiert der Newsletter jetzt, damit ich nach Filmen von Regisseurinnen googeln kann. Bin gleich wieder zurück!
Jackie Kennedy Onassis liest
(An ihrem 60. Geburtstag. Via wherethebooksare.com (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre))
Ich bin wieder da. Einen Kaffee habe ich mir auch noch aufgebrüht.
Frauengucken. Irgendeine Liste der hundert besten Filme von Regisseurinnen: Schlaflos in Seattle von Nora Ephron. Diesen Film mit Meg Ryan und Tom Hanks habe ich mehr als einmal geschaut. Gefährliche Brandung von Kathryn Bigelow mit Keanu Reeves und Patrick Swayze. Mag ich! Ist das alles? Wie sieht es mit dem deutschen Film aus? Der Junge muss an die frische Luft von Caroline Link. Den habe ich wirklich sehr geliebt.
Ehrlich gesagt, je länger ich nach deutschen Filmen google, desto besser wird's.
Systemsprenger von Nora Fingscheidts. Oder Bandits von Katja von Garnier!
Der Spiegel sagt, es sieht mau aus. Von den 100 umsatzstärksten Filmen im Jahr 2020 führten 16 Prozent Frauen die Regie.
Ob ich jetzt wirklich die Schriftstellerinnen so gegen die Regisseurinnen halten kann, weiß ich nicht. Ich glaube aber schon, dass ich ähnlich an meine Wahl der Filme rangehen könnte wie an die Bücher. Bewusster nach Regisseurinnen suchen und mal abwarten, was ich da entdecke. Vielleicht werden sie ja dann auch mehr.
So, das war's mit dem kleinen Dienstagsgedanken. Ich wünsche allen eine gute Woche. Ich werde gerne ein paar der Filme von Frauen vorstellen. Eine Maßnahme wie bei den Büchern. Die nächsten fünf Filme sollen von Regisseurinnen sein. Ratet, wer den Anfang machen wird. Klar, Barbie. Tschüss! Judith