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Über ein unpassendes Argument

Das ist keine Geschichte über schlechte Menschen, keine über populistische Politiker:innen in einer Talkshow oder am Wahlstand. Das ist eine Geschichte über uns. Es ist eine Geschichte darüber, was wir sagen, wenn wir uns ertappt fühlen. Wie wir einen dankbaren Fluchtweg aus einer moralischen Sackgasse nehmen. Wie wir andere Menschen benutzen, um uns nicht an die eigene Nase fassen zu müssen.

Köln, Sülz, Winter 2010 © Kristina Klecko

In meinem bisherigen Berufsleben versuchte ich Menschen davon zu überzeugen, bei privaten oder professionellen Einkäufen auf fair gehandelte Waren zurückzugreifen. Fairem Handel als Konzept stehen die Meisten positiv gegenüber. Dennoch habe ich in den letzten Jahren viele Gründe dagegen gehört. Ein häufiger: „Schöne Idee, aber arme Menschen können sich das nicht leisten“.

Inhaltliche Debatten waren nach solchen Aussagen in aller Regel vorbei, weil sich niemand traute, gegen „arme Menschen“ zu argumentieren. Die Person, die dieses Argument brachte, wähnte sich im guten Gefühl, sich für die „Armen“ eingesetzt zu haben, statt in der Anstrengung, nach praktikablen Lösungen suchen zu müssen.

Als in Bayern das Gendern an staatlichen Institutionen verboten wurde, lautete die Begründung, Sprache müsse klar und verständlich sein. Menschen, die aus verschiedenen Gründen nicht so gut Deutsch sprechen, sollten keine Nachteile haben. Zumindest nicht beim Gendern, denn sonst sind Briefe vom Amt an Klarheit und Verständlichkeit bekanntlich kaum zu überbieten. 

Selten werden Menschen, die von Armut, schlechter Bildung und fehlenden Chancen bedroht sind, so sehr gebraucht, wie bei der Suche nach einer Ausrede, sich nicht bewegen zu müssen. Solche Scheinargumente sind nicht zielführend und offenbaren zudem, dass wir es akzeptiert haben, dass manche Menschen eben keinen Zugang zu Kleidung ohne Ausbeutung oder zu gesunden Lebensmitteln haben (müssen).

Ja, es gibt Menschen, die sich ein fair gehandeltes Shirt, eine spontane Zugreise oder Bio-Hack für ihre Bolognese nicht leisten können. Das ist aber kein Argument gegen fairen Handel, guten öffentlichen Nahverkehr oder Bioanbau, sondern gegen Armut. Benutzen wir es dafür.

Vielen Dank, dass du mitliest. Bis in zwei Wochen.

Kristina

Was andere machen

In der ARTE Mediathek ist gerade eine Doku über die Sängerin Françoise Hardy zu sehen. Mich haben ihre Chansons in Urlaubsstimmung gebracht. > zum Beitrag (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)

Hardy soll ein Lied, das ihr gefiel, tage- und wochenlang in voller Lautstärke gehört haben. Das entspricht auch meinem Hörverhalten. Meine Nachbar:innen mussten sich in den letzten paar Wochen immer wieder dieses Lied anhören, hier in der Live-Version:

https://www.youtube.com/watch?v=s37x2VSZrLw (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)

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