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"Das bewusste Neinsagen ist wichtig, um ausreichend Zeit für die Dinge zu haben, zu denen wir Ja gesagt haben." 

Gerade ist mal wieder eine Zeit, in der ich wenig Lust habe, die Nachrichten zu sehen. Heute Morgen gab es aber eine angenehme Ausnahme. Eine Raumsonde namens Dart ist erfolgreich in den Asteroidenmond Dimorphos gerast. Die Raumfahrtbehörde NASA wollte testen, ob es möglich ist, die Flugbahn eines Asteroiden zu verändern. Das könnte einmal nützlich sein, wenn wir nicht enden wollen wie die Dinosaurier. Sie sind vor Millionen Jahren wegen eines Asteroideneinschlags ausgestorben. Das sagt zumindest die führende Theorie.

Das ist schon etwas beruhigend. Immerhin aus dem All droht uns keine Gefahr. Wenn die Menschheit ausstirbt, dann sind wir selbst dafür verantwortlich. Weniger beruhigend ist, dass die derzeit besten Nachrichten von einem Ort stammen, der elf Millionen Kilometer von der Erde entfernt ist. Und hier? Eine nicht enden wollende Folge unfassbarer Entwicklungen. Die Bilder aus dem Iran, aus Russland und der Ukraine lassen mich derzeit nur schwer los. Gleichzeitig wächst der Faschismus in Europa, eine mehr als beunruhigende Entwicklung, die ich wie viele andere kaum wahrhaben will.

Es ist naheliegend, in diesen Zeiten abschalten zu wollen. Einfach nein zu sagen. Doch das geht nicht. Wenn ich mich nicht näher mit den Entwicklungen beschäftige, bleiben nur Bilder und Schlagzeilen hängen – und damit meine ich nicht nur, dass sie irgendwie als Wissensinhalte im Gedächtnis bleiben. Wenn ich sehe, wie Väter in Russland buchstäblich aus ihren Familien gerissen werden und ihre Kinder rufen: "Gebt mir meinen Papa zurück!" Dann hinterlässt das in mir ein unbestimmtes, tiefes Gefühl von Angst, Trauer und Wut. Es sind Emotionen, die mich hilflos zurücklassen.

Alles, was da ist

Als jemand, der an seiner Zeitgestaltungskompetenz arbeitet, versuche ich, meine Zeit für Nachrichten und soziale Medien zu dosieren. Nachrichtenverzicht ist für mich als Journalist, aber auch als Gesellschaftsmitglied keine Option. Es hieße für mich wegzuschauen und die Probleme anderer Menschen zu ignorieren. Eine der wichtigsten Lösungen besteht für mich darin, mich bewusst für Inhalte zu entscheiden und zwar für solche, die mir helfen, Ereignisse und Entwicklungen umfassender zu verstehen. Ich lese, etwas altmodisch, noch immer gedruckte Zeitungen. Jeden Morgen hole ich die Tageszeitung aus der Zeitungsrolle. Ein Ritual, das wahrscheinlich schon den meisten Menschen aus meiner Generation befremdlich vorkommt.

Allerdings kenne ich kein vergleichbares, ebenso nettes Ritual aus der digitalen Welt. Das morgendliche Checken des Smartphones wird von Morgenroutine-Expert*innen jedenfalls kritisch gesehen. Den guten Rat, das Smartphone nicht am Bett liegen zu haben, praktiziere ich tatsächlich, meistens jedenfalls. In einem Meditationspodcast (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre) habe ich mal den schönen Begriff Open Space gehört. Das bedeutet: Statt sofort die Aufmerksamkeit auf etwas Äußeres zu richten, das nicht in meiner unmittelbaren Reichweite liegt, richte ich den Blick auf mich selbst und die Umgebung. Ich schaue, so hieß es glaube ich in dem Podcast, „was da ist“. Ich beginne den Tag in einem offenen Raum. (Das, was da ist, sind bei mir meistens zwei Kinder, die mir „Kaffee“ und alles Mögliche an „Frühstück“ aus ihrer Spielküche ans Bett schleppen. Ich wünschte, jemand würde mal einen Morgenroutine-Ratgebertext für Eltern schreiben.)

Wenn ich mich hinsetze und die Zeitung oder auch ein Buch in die Hand nehme, mich in den Prozess des Verstehens begebe, habe ich das Gefühl, etwas tun zu können. Die Bilder, die ich in der Tagesschau oder bei Twitter gesehen habe, bekommen einen größeren Kontext. Mir gibt das Ausschalten aller Geräte, die Reduzierung des Weltgeschehens auf schwarze Buchstaben, ein Gefühl von Sicherheit und Selbstbestimmtheit. Ich folge nicht den Rhythmen der Videos, Stories und Reels, sondern meinem eigenen Rhythmus, in dem ich Informationen und damit verbundene Gedanken und Emotionen im Stillen verarbeite.

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