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26.03.2021 "Unser Rechtsstaat ist in Teilen nicht mehr funktionsfähig"

Die deutsche Justiz und der Bestseller eines Oberstaatsanwalts: Interview mit Ralph Knispel

„Dringend verdächtige Großdealer, Mörder und Vergewaltiger, die wegen einer Fristverletzung aus der Untersuchungshaft entlassen werden müssen – das ist Justizalltag in Deutschland.“ stellt Oberstaatsanwalt Ralph Knispel in seiner Analyse der deuschten Justiz fest. Er berichtet aus eigenem Erleben. zitiert Fakten und Statistiken. Die dritte Gewalt sei überfordert und werde sträflich vernachlässigt, der Rechtsstaat ließe sich vorführen. Sein Buch wurde ein Spiegel-Bestseller.

Ralph Knispels Buch: "Rechtsstaat am Ende; Ein Oberstaatsanwalt schlägt Alarm", 240 Seiten, 22.99 €, ISBN:978-3-550-20088-5, Ullstein

Anfang März 2021 erscheint Ralph Knispels Buch "Rechtsstaat am Ende - Ein Oberstaatsanwalt schlägt Alarm". In kurzer Zeit wird das Buch des Oberstaatsanwalts zum Bestseller. Die Leser*innen sind offenbar begierig, deutliche und erklärende Worte eines seit Jahrzehnten erfahrenen Staatsanwalt zu hören, was in unserer Justiz aus seiner Sicht wirklich falsch läuft und was geändert werden müsste. Zwar ist die Aufklärungsquote in Bayern um 20 % höher als in Berlin, trotzdem gäbe es dort "kein Schlaraffenland" sagt er im Interview. In Berlin wurde im Jahr 2018 nicht einmal jede zweite Straftat aufgeklärt (44,4 %). Für Oberstaatsanwalt Knispel ist die Ursache des Nord-Süd-Gefälles bei der Bekämpfung der Kriminaliät Ausdruck der Investitionen, die der Bund und die Länder in die dritte Gewalt stecken: Personal und Sachmittel.

Der Rechtsstaat sei seine Leidenschaft, sagt der 1960 geborene Jurist, der derzeit ein leitender Staatsanwalt in der Abteilung für Kapitalverbrechen in der Berliner Staatsanwaltschaft ist. Der Zustand der Justiz sei ein "Offenbarungseid für den Rechtsstaat", der "randständigen und demokratiefeindlichen Kräften" Raum gebe, ihre einfachen vermeintlichen Lösungen für die Kriminalitätsbekämpfung zu propagieren. Dabei seien die demokratischen Parteien dringend gefragt, die die Justiz aber oft hängenließen: die elektronische, digital geführte Akte, die immer noch nicht Realität ist, jahrelange Verfahren, die insbesondere die Opfer von Straftaten leiden lassen, sogar Entlassungen von mutmaßlichen Straftätern aus der Untersuchungshaft seien wegen der Überlastung der deutschen Justiz zu beklagen. Dazu kommt bis 2030 eine riesige Pensionierungswelle bei Ricxhter*innen und Staatsanwält*innen: 41 % von ihnen gehen in den Ruhestand. Das Vertrauen der Bevölkerung in die Justiz sei alarmierend schlecht. Was wird also aus unserer Justiz? Was wird aus unserer Demokratie?

Gerichtsreportrer Morling sprach ausführlich mit Oberstaatsanwalt Ralph Knispel über seine Thesen und sein Buch.

Ralph Knispel "Rechtsstaat am Ende; Ein Oberstaatsanwalt schlägt Alarm", 240 Seiten, 22.99 €, ISBN:978-3-550-20088-5, Ullstein 

02. April 2019: Max-Planck-Institut:

"Laut dem „Deutschen Viktimisierungssurvey 2017“ haben die Menschen in Deutschland mehr Furcht vor Kriminalität als noch vor fünf Jahren. Der Anteil der Bevölkerung, der sich nachts in der Wohngegend unsicher fühlt, ist von 17,3 % im Jahr 2012 auf 21,4 % zum Ende 2017 gestiegen.  Zugenommen hat insbesondere das Unsicherheitsgefühl von Frauen, mittleren Altersgruppen und Bewohner*innen mittelgroßer Städte. Gewachsen ist der Studie zufolge auch die Furcht vor Wohnungseinbrüchen und Raub. Tatsächlich hat aber auch das Risiko, Opfer eines der beiden Delikte zu werden, im Untersuchungszeitraum zugenommen. Bei beiden Delikten korrespondiert die Wahrnehmung der Menschen mit einer tatsächlichen Zunahme des Einbruchs- und Raubrisikos in den betrachteten Jahren."

Opfer und die Angst, es zu werden:

Der Sammelband **"Viktimisierungsbefragungen in Deutschland"** umfasst zwei Bände:

Im ersten Band wird die Entwicklung kriminologischer Opferbefragungen nachgezeichnet und eine Bestandsaufnahme der in Deutschland bislang existierenden Befragungen vorgelegt. Des Weiteren wird die polizeiliche, politische und wissenschaftliche Bedeutung von Viktimisierungsbefragungen dargestellt.

Pensionierungswelle bei Richtern und Staatsanwälten rollt an (03.März 2021)

https://rsw.beck.de/aktuell/daily/meldung/detail/pensionierungswelle-bei-richtern-und-staatsanwaelten-rollt-an (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)

Am "5. Juli 2017 (wurde) ein Gesetz verabschiedet, das anwaltlich nicht vertretenen Beschuldigten einerseits und durch eine Straftat Geschädigten andererseits die Möglichkeit der Einsicht sowohl in die Akten als auch in amtlich verwahrte Beweisstücke eröffnet – nach § 147 Absatz 4 (Beschuldigte) und gemäß

§ 406 e Absatz 3 StPO (Geschädigte).

Zum Akteneinsichtsrecht der Beschuldigten nach § 147 StPO:

http://www.hsbund.de/SharedDocs/Downloads/0_Abschlussarbeiten/FB_FIN/2014/08_Geise.pdf?__blob=publicationFile (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)

Zum Akteneinsichtsrecht der Opfer von Straftaten: 

https://beck-online.beck.de/Dokument?vpath=bibdata%2Fkomm%2Fkarlskostpo_7%2Fstpo%2Fcont%2Fkarlskostpo.stpo.p406e.htm (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)

Einführung der "elektronischen Akte" in der deutschen Justiz?

Beschluss des Deutschen Bundestages vom 5. Juli 2017 mit dem »Gesetz zur Einführung der elektronischen Akten in der Justiz und zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs. Der DGB dazu:

https://www.dgb.de/themen/++co++66aeb2b6-9a78-11ea-bc95-5254008f5c8c (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)

Datenklau im Berliner Kammergericht im September 2019, dazu der Tagesspiegel im Januar 2020:

https://www.tagesspiegel.de/politik/cyberangriff-auf-das-berliner-kammergericht-hacker-hatten-zugriff-auf-saemtliche-daten-der-schaden-ist-riesig/25482526.html (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)

Marode Bausubstanz und: Justiz platz aus allen Näthen, siehe Landgericht und Verwaltungsgericht Bielefeld (Landtag Nordrhein-Westfalen Drucksache 16/15037 vom 19.05.2017):

https://www.landtag.nrw.de/Dokumentenservice/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument/MMD16-15037.pdf;jsessionid=7B5E69BD344A7E4B8AB11DD9AC31364F (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)

Mangelnde Sicherheit in Amtsgericht Dachau? Süddeutsche Zeitung über einen Mann, der einen 31-jährigen Staatsanwalt während eines Prozesses 2012 erschoss:

https://www.sueddeutsche.de/bayern/nach-mord-an-staatsanwalt-dachauer-todesschuetze-im-gefaengnis-gestorben-1.1692509 (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)

2014: laut einer Allensbach-Studie klagen im "Roland Rechtsreport" die allermeisten Richter und Staatsanwälte über eine zu hohe Arbeitsbelastung. Viele von ihnen geben an, nicht genügend Zeit für ihre Fälle zu haben:

"Roland Rechtsreport" (pdf):

https://www.roland-rechtsschutz.de/media/roland-rechtsschutz/pdf-rr/042-presse-pressemitteilungen/roland-rechtsreport/roland_rechtsreport_2014_sonderbericht_richter_und_staatsanwaelte.pdf (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)

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