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Was ich durch mein spätes Coming Out lernte

Diätkultur-Phantasien, das kapitalistische Märchen und Misogynie: Ich hatte viele gefährliche Denkmuster verinnerlicht, die es abzulegen galt. Aber an nichts nagte ich so lange wie an cis-heteronormativen Werten; die saßen tiefer als meine Angst vor Promaja (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)

Mein feministisches Erwachen fühlte sich so an, als hätten mir Simone de Beauvoir, bell hooks und Roxane Gay zusammen Scheuklappen von den Augen gerissen. Ich war plötzlich nicht mehr das niedliche und brave Pony gefangen im Zirkus namens Patriarchat. Man konnte mich nicht mehr mit Kapitalismus verpackt als Karotte locken. Ich sah die Gesellschaft in all ihrer Hässlichkeit und durchschaute ihre patriarchalen Tricks, die mich früher nur in die nächste Diät gedrängt hätten, damit ich Männern gefiel, die mich nicht interessierten.

Ich wurde zur lauten Stimme im Kampf gegen Misogynie, stellte Frauen in den Mittelpunkt meiner Reportagen und startete feministische Fotoprojekte. Ich erschnüffelte in jeder Begegnung mit cis-het Männern patriarchale Werte.

Ich wurde zum feministischen Trüffelschwein, aber mein Fund brachte kein Geld oder cremige Pastasauce, sondern Bauchweh über die Erkenntnis, wie kaputt unsere Gesellschaft ist.

Eine Schweizer Journalistin schrieb einmal über mich (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre), dass das Patriarchat mein Feind ist.

Ich war mir viele Jahre lang also sicher, dass ich die Tiefen und Hinterhalte des Patriarchats kenne. Rückblickend fühlt sich das alles sehr naiv an. Erst durch meine Queerness konnte ich mich von besonders hartnäckigen Denkmustern trennen. Mein Outing trieb mich an den Abgrund meines Selbstbilds und stürzte mich in unbekannte Gewässer, die ich erst erforschen musste. 

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