BURY TOMORROW - WEITER, IMMER WEITER.

Längst haben sich die Briten in der Metalcore-Szene eine große Anhängerschaft erspielt. Nun steht das achte Studioalbum in den Startlöchern, „Will You Haunt Me, With That Same Patience“. Wir bekamen Gitarrist Kristan Dawson während der US-Tour der Band an die Strippe.

Foto: Morana Frey (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)
Ihr seid gerade in den USA unterwegs. Es scheint dort nach der jüngsten Wahl politisch durchaus eine angespannte Stimmung zu herrschen. Bekommt ihr davon bei euren Shows irgendetwas mit?
Nein, wirklich gar nicht! Ich würde dir gerne irgendetwas Außergewöhnliches berichten, kann ich aber nicht. Aber wir waren vor einigen Tagen in Lawrence in Kansas. Da bin ich in der Stadt an einer Kundgebung vorbeigelaufen und mit einer Frau ins Gespräch gekommen. Sie wollte wissen, wie wir ins Land gekommen sind. Weil sie gehört hatte, dass Menschen abgewiesen worden seien. Ich habe ihr gesagt, dass wir ein ganz reguläres Arbeitsvisum erhalten haben und keinerlei Probleme bei der Einreise hatten. Sie wollte offenbar eine spektakuläre Story hören, wie wir am Flughafen in Probleme geraten sind. Sind wir aber nicht, haha. Es war tatsächlich einfacher einzureisen als jemals zuvor. Man darf die politische Führung in den USA, aber auch in unserer Heimat sicherlich kritisieren. Ich habe hier auch irgendwo mal eine kleine Menschenmenge mit Plakaten gesehen, auf denen stand, dass das Land in Aufruhr sei. Aber bei den Konzerten bekommen wir davon wirklich gar nichts mit.
Vor nicht allzu langer Zeit lag die Live-Industrie ja komplett am Boden. Registriert ihr heute Unterschiede im Vergleich zur Zeit vor der Pandemie?
Wir sind auf jeden Fall viel dankbarer für unsere Möglichkeiten und nehmen es heute als nicht mehr selbstverständlich hin, dass wir live spielen dürfen. Und ich habe auch das Gefühl, dass manche Leute jetzt eine Spur leidenschaftlicher und enthusiastischer sind, wenn sie zu einer Show kommen. Die Pandemie war eine Zeit, die die Menschen und auch uns dazu gebracht hat, völlig innezuhalten und darüber nachzudenken, was wir am Leben und an der Gesellschaft schätzen. Und Live-Musik ist wirklich das Herz der Gesellschaft. Ich denke, es gibt natürlich noch Nachwirkungen. Einige Menschen sind heute sicherlich noch verängstigt, wenn sie sich mit vielen anderen auf engem Raum aufhalten. Aber das ist auch absolut berechtigt, die Pandemie war eine sehr ernste Angelegenheit. Im Großen und Ganzen scheint aber wieder Normalität eingekehrt zu sein.
Was ist für dich persönlich das Schönste daran, auf Tour zu sein? Und was stört dich am meisten?
Das größte Problem habe ich definitiv damit, dass ich quasi überhaupt keine Privatsphäre habe, wenn wir unterwegs sind. Je älter ich werde, desto mehr sehne ich mich nach einer persönlichen Komfortzone. Aber die hast du auf Tour schlichtweg nicht, und das finde ich manchmal schon sehr hart. Das Schönste ist natürlich, dass wir unsere Musik mit so vielen Menschen auf der Welt teilen können. Musik ist die eine universelle Sprache, die jeder versteht. Und wenn du dann von den Menschen diese Energie zurückbekommst, ist das jedes Mal aufs Neue ein überragendes Gefühl.
Einige Songs von der neuen Platte spielt ihr ja aktuell schon live. Bis zum Release ist es aber noch ein Weilchen hin. Wurmt es dich ein bisschen, dass ihr den Rest der Scheibe der Öffentlichkeit noch nicht präsentieren könnt?
Heute bin ich da deutlich entspannter, was das angeht. Früher hätten wir nach der Show womöglich mit einigen Fans am Bus gestanden und ihnen die Platte auf dem Handy oder Laptop vorgespielt. Aber ich denke, auch sie werden verstehen, dass wir uns natürlich an den Plan halten müssen. Insofern müssen wir uns da aktuell etwas auf die Zunge beißen. Aber ich kann es definitiv nicht erwarten, dass die Leute alle neuen Songs zu hören bekommen.
Was schätzt du am meisten an „Will You Haunt Me, With That Same Patience“?
Wir haben die Band gegründet, als wir quasi noch Kinder waren, also sind wir auch mit ihr gewachsen. Wir konnten uns als Musiker und Songschreiber über die Jahre weiterentwickeln, und wir wollen immer besser werden. Und es ereignen natürlich auch viele Dinge in unserem Privatleben, die uns als Menschen verändern. Ich denke, es ist definitiv unser bisher vielseitigstes Album. Es finden sich darauf Einflüsse und Querverweise zu allen Phasen unseres bisherigen Schaffens. Ich hoffe, die Leute da draußen werden die Platte als solche akzeptieren. Egal, ob sie vielleicht gerade schwere Zeiten durchmachen oder aber etwas zu feiern haben. Ich hoffe, die Menschen können eine Verbindung zu dem Album herstellen, denn damit besteht dann auch eine Verbindung zu uns. Wir sind als Band zweifellos sehr dankbar für die Zeit und die Aufmerksamkeit der Leute. Und ohne diese Verbindung wäre es unmöglich, unsere gemeinsame Reise fortzusetzen.
Ich sehe uns auch nicht in irgendeinem Wettstreit mit anderen Bands.
Das Feedback auf die ersten Singles war sehr positiv. „Vergesst ARCHITECTS und SPIRITBOX“, hieß es in einem YouTube-Kommentar. Vergleicht ihr euch auch mal mit anderen Bands?
Ich bekomme davon sehr wenig mit, weil ich nicht auf Social Media unterwegs bin. Ich möchte nicht schauen, was andere Bands machen, und mich dann fragen, warum wir diese Dinge nicht machen. Diese Mentalität mag ich nicht. Und ich sehe uns auch nicht in irgendeinem Wettstreit mit anderen Bands. Natürlich werden die Leute uns immer mit anderen Bands vergleichen. Mit ARCHITECTS durften wir vor Jahren mal touren. Zu sehen, in welchen Hallen sie heute spielen, ist überwältigend. SPIRITBOX sind ebenfalls eine großartige Band und haben jeden Respekt und Erfolg absolut verdient. Aber es beeinflusst mich persönlich nicht. Wichtig für mich ist, dass wir als Band authentisch bleiben und einfach weiter die Musik schreiben, die wir lieben.
Anton Kostudis