Die Sache mit den Erwartungen
Mein Kopf ist voll. Ich bin kreativ verstopft, schrieb ich meiner besten Freundin vorhin. Am Tag nach meinem Podcast-Release (den könnt ihr jetzt überall hören, wo es Podcasts gibt, bspw. Spotify (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre) oder iTunes (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)) sitze ich hier und stecke fest. Als ich dann eben meinem Mann vorhin gegenüber geplatzt bin, nur, weil er mich in den Arm genommen hat, wurde mir schlagartig klar: Ich ersticke gerade in Erwartungen anderer Menschen, die an mich herangetragen werden.
Das Los der Kreativschaffenden (?)
Als öffentlich publizierende Kreativschaffende lebe ich ja quasi ständig mit den Erwartungen anderer Menschen, denn anders als Handwerker*innen bspw. kann ich mein eigenes Schaffen nicht in Form eines Produktes klar von meiner Person abgrenzen. Die Grenzen zwischen mir als Person und meinem Job verschwimmen ständig. Das betrifft vor allem alles, was mit Steady, Instagram und nun auch dem Podcast zu tun hat (oh mein Gott, ich habe einen Podcast! :O :D).
Bei meinen Auftragstexten bin ich auch mit Erwartungen konfrontiert, klar. Aber die sind ziemlich klar umrissen. Ich bekomme ein Briefing mit sehr spezifischen Vorgaben. Natürlich habe ich einen eigenen Gestaltungsrahmen. Aber die Zielsetzung und die groben Inhalte sind von vorneherein klar. In dem Augenblick, in dem ich den Auftrag annehme, entsteht kein Zielkonflikt mehr zwischen der Erwartung des Auftrags und meinen eigenen.
Als freie Content Creator hingegen gerate ich verhältnismäßig schnell in Zielkonflikte, die sich aus verschiedenen Erwartungshaltungen ergeben. Denn ich habe einen Anspruch an mich selbst, eine Wunschvorstellung davon, wie ich kreativ tätig sein möchte. Und dann seid da noch ihr - mit euren Bedarfen, Wünschen, Erwartungen.
Zielkonflikte, wohin das Auge reicht
Auf Instagram stelle ich gerade fest, dass mein Reichweiten-Einbruch nur bedingt mit der App selbst zusammenhängt, sondern auch damit, dass viele von euch nur dürftiges Interesse an all dem Selbstständigen-Content haben, den ich euch um die Ohren haue. Meine Umfrage von Dienstag, was ihr denn mehr sehen wollt, sagte klar: Ihr seid vor allem für zwei Dinge da bzw. wollt zwei Dinge wieder häufiger sehen:
a) die spitzen, gesellschaftskritischen Analysen, die mich und meinen Account lange so ausgemacht haben
und
b) mehr Alltag, Familien- und Beziehungscontent. Quasi klassische Influencer-Inhalte.
Das offenbarte für mich einen Zielkonflikt. Meine Erwartung und mein Ziel waren: Unabhängig von Instagram Geld mit meinem Content verdienen zu können, um mich von der Plattform nicht abhängig zu machen. Vor allem auch unabhängig zu werden von der stetigen Auseinandersetzungen mit den Ungerechtigkeiten dieser Welt, sondern mit dem Fokus aus Selbstständigen-Content auch für meine eigene Seele eine Insel schaffen können, wo ich mich auf Inhalte konzentrieren kann, die mich nicht jedes Mal in den schieren Wahnsinn treiben.
Zumal ich euch jetzt auch mal ein Geheimnis verrate: Dass meine Inhalte so Job-haltig sind, liegt daran, dass ich literally einen großen Teil meines Tages arbeite. Eben weil ich KEINE Influencerin bin, die mit Alltagsinhalten Geld verdient, habe ich eine Zeitspanne von mindestens 8 bis 10 Stunden am Tag, die ich vorwiegend am Schreibtisch verbringe. Weshalb ich ein bisschen verzweifelt gelacht hab, als sich die Antworten mehrten, die mehr Alltag forderten. :D
Zielkonflikt Nr. 2: Will ich Influencerin sein?
Gleichzeitig wollte ich weg von diesem Influencerinnen-Dasein, in das ich ungewollt hineingerutscht war.ich als Privatperson aus der App herausziehen können, weil mich das ständige Schielen nach Zahlen und Reichweiten mürbe macht. Weil ich mir erlauben können wollte, auch mal zwei, drei Tage oder Wochen nicht online sein zu müssen, ohne um meine Umsätze fürchten zu müssen. Der Absprung in das Mentorinnen-Leben hätte mir das ggf. ermöglichen können.
Gerade, WEIL ich diejenige mit der scharfen Klassismus-Analyse bin, weil ich so viel kapitalismuskritische Gedanken mit mir herumtrage, hatte ich ursprünglich entschieden, KEINE Werbekooperationen auf Instagram zu machen. Weil ich nicht auch noch zum Konsumdruck beitragen wollte. Weil ich selbst die meisten Produkte, die in meiner Bubble beworben werden, niemals kaufen werde und ich euch allerdings auch nichts andrehen will, wofür ich selbst kein Geld ausgeben würde.
Für mich war der Anspruch, entsprechend auf Werbung zu verzichten, damit gesetzt. Für mich war damit aber auch klar: Wenn ich keine Influencerin sein will, dann gibts auch weniger Alltag und erst recht auch keine Eltern- / Beziehungsthemen, die nicht eh vorher auf einer anderen Contentplattform, die MIR gehört, verhandelt wurden.
Zielkonflikt Nr. 3: Steady und Instagram sind kaum trennbar
Gleichzeitig war da eben auch immer der Anspruch, die Arbeit bei Instagram allein mit Steady rechtfertigen zu können. Die Hoffnung bzw. das Ziel war bspw. immer, dass ich all die gesellschaftskritischen, spitzen Analysen, die sich die eine Hälfte gewünscht hat, komplett vorab zu Steady verlegen könnte, um die Massen an Arbeit, die dahinter stecken, auch monetär aufzufangen. Denn das, was ihr in wenigen Slides in der Story lest, benötigt teilweise Wochen stetigen Durchdenkens, Recherchierens, Abwägens. Das Erstellen der Slides allein kostet oft mindestens 1,5 Stunden. Und dann folgen teilweise tagelang intensive Moderation von Inbox und ggf. Kommentaren.
Ich hatte gehofft, diese Dinge bei Steady bzw. auf dem Blog vollständig aufbereiten zu können und dann erst von dort aus auf Instagram zu streuen. Das Problem ist aber: Während die meisten bei Instagram slideweise Texte zu lesen scheinen, springt nur ein geringer Bruchteil tatsächlich zu Steady, um da den Volltext zu lesen.
Ich habe also die Wahl, die Arbeit doppelt zu machen - einmal für Steady und dann 1:1 für Instagram. Oder aber mich für eine der Plattformen zu entscheiden. Beide Optionen sind irgendwie suboptimal - mache ich auf Insta 1:1 das, was ihr auch auf Steady findet, besteht kein Reiz mehr, ein Abo abzuschließen. Lasse ich den Kern der Themen bei Steady, schrumpft die Aufmerksamkeit bei Instagram, weil ihr keinen Bock habt, auf einen Link zu klicken und lange Blogtexte zu lesen und entsprechend einfach drüberskipped. Weniger Aufmerksamkeit bei Insta bedeutet aber auch weniger Möglichkeit, über Steady zumindest teilweise Geld mit der Arbeit zu verdienen, die ihr ja eigentlich schätzt.
Zielkonflikt Nr. 3: Heißes Eisen Werbung
Nun wünscht ihr euch aber eben auch manchmal ein bisschen Feelgood. Alltag, Elternschaft, Beziehung - Dinge, die ich ausgeschlichen hatte, weil ich eben KEINE Influencerin sein wollte. Und weil ich teilweise auch überhaupt nicht weiß, was ich euch zeigen soll. Denn so aufregend ist mein Alltag nicht. Auch meine Mutterschaft ist für mich persönlich auserzählt - ich BIN Mutter, aber es ist für mich nicht mehr identitätsprägend genug, um sie zeichenweise auf Instagram zu verhandeln.
Gleichzeitig verstehe ich das Bedürfnis - und weiß eben auch, dass ich als Kreativschaffende ein Stück weit drauf angewiesen bin, auf eure Wünsche einzugehen. Ich lese zwar bei diversen Creator*innen regelmäßig diese bockigen "Mein Account, meine Regeln, ich entscheide, was ich zeige" Ausrufe und natürlich ist das grundlegend auch richtig. Aber es ist eben auch so: Wir müssen uns über schwindende Reichweiten und geringe Linkklicks nicht wundern, wenn wir auf die Bedürfnisse unserer Audience so gar nicht eingehen. Am Ende sind wir abhängig von unseren Konsument*innen.
Ich frage mich also schon: Wenn ihr so großen Bedarf nach Blicken hinter die Kulissen habt, wie weit kann ich da mitgehen? Was kann ich euch über meine Elternschaft, meine Freund*innenschaften, über die alltäglichen Themen erzählen, ohne mich selbst unwohl damit zu fühlen? Denn auch das macht vor allem ARBEIT. Die Texte, das Kuratieren der Stories, das Beantworten von Nachrichten und Kommentaren...
In der Konsequenz würde das für mich bedeuten: Wenn ihr mehr Influencerin Celsy wollt, dann bekommt ihr dafür eben auch ein, zwei, drei Mal im Monat Werbung. Denn beispielsweise meine Mutterschaft so aufzubereiten, dass ihr möglichst breit etwas davon mitnehmen könnt, ist am Ende eine kreative Leistung.
Da höre ich dann aber in meiner Inbox regelmäßig: "Ich bin SO froh, dass du keine Werbung machst! Das wäre für mich echt ein Grund, zu entfolgen." Tadaaa, da ist der nächste Zielkonflikt.
Gleichzeitig ist es aber auch so, dass Werbung mich der App wieder mehr verpflichten würde. Mich einfach mal rausziehen ginge dann wieder nicht, weil dann die Reichweite einbricht und crappy Reichweite schlechte Deals bedeutet. Womit wir Zielkonflikt Nr. 4 hätten.
Bin ich mein eigenes, kleines Magazin?
Meine Beste sagte in diesem Kontext zu mir: Vielleicht muss ich es machen wie die BRIGITTE und gesellschaftskritischen Content einbetten in Stricken und Einrichtung.
Ich musste erst lachen, aber finde den Gedanken gar nicht so wahnsinnig schlecht. Am Ende ist gerade meine Themenvielfalt das, was mich auszeichnet und es mir dabei am schwersten macht. Ich bin keine Mutti-fluencerin, aber auch kein Business Coach. Keine Aktivistin, aber eben auch kein Tagebuch-Account. Meine Themenvielfalt könnte in der Tat eine ganze Redaktion beschäftigen. Das macht es mir schwer, eine Nische auf Instagram zu bedienen. Das ermöglicht es mir aber auch, vielfältige Perspektiven zu sehen, zu erreichen und mitzudenken.
Am Ende ist es wahrscheinlich eine Frage dessen, was ich WILL. So habe ich mittlerweile eben beschlossen, dass ich keine zwei Accounts pflegen will. Das schaffe ich nicht. Also ziehen die Selbstständigeninhalte unweigerlich auf meinem Hauptaccount ein. Über die Thementage hatte ich schon versucht, das ein bisschen zu sortieren, auch wenn das alles noch sehr ruckelt.
Aber es ist eben auch eine Frage dessen, wie dieses Schaffen hier aussehen würde, wenn ich mich selbst als Magazin betrachten würde. Wie würden wir diese Zielkonflikte lösen? Was hilft, die Mischung so anzurühren, dass die allermeisten zufrieden sind?
Hier laut mit euch zu denken hat schon enorm geholfen. Aber ich will euch auch konkret um euren Input bitten. Was denkt ihr dazu? Welche Ideen habt ihr dazu? Lasst uns hieraus unsere eigene, kleine Redaktionskonferenz machen. Ich freu mich auf euer Feedback!