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Vielleicht ein neues du

Freundin*nen werden

Vorbemerkungen.
Der hier vorliegende Text entstand im Rahmen der Arbeit an der Performance "alles was schön ist" der apokalyptischen tänzerin*nen, die im März 2024 am Theater Rampe Premiere hatte. Er diente in der Performance als Abschluss des Bühnengeschehens und leitete in ein gemeinsames Gemüsesuppe essen über. Umgeben von den Gesprächen des Publikums und den Teppichen der Bühneninstallation von
Sophia Sadzakov (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)entstand bei mir der Glauben daran das es sich lohnt weiter zu machen mit Heiner Müller gesprochen.
Ich möchte von dir umgeben sein” steht auf T-shirts, die ich gemeinsam mit Yonca (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre) gestaltet habe. Diese T-shirts gibt es ab jetzt bei mir zu kaufen. Es ist ein Versuch schönes zu vermehren und einen Umgang mit Kleidung zu finden die ich nicht mehr trage. Der folgende Text begleitet die T-shirts, gemeinsam mit dem Rezept für die Suppe. Heute schrieb Rebekka Endler (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre) “Wir werden den Rest unseres Lebens damit verbringen aktiv & ohne Unterlass gegen Faschismus zu kämpfen” und Ja, Panik (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre) veröffentlichten ein Statement in dem auch sie dazu aufrufen sich aktiv zu wehr zu setzen. Dabei betonten sich gleichzeitig, dass das nur geht, wenn wir auch auf ästhetischer Ebene den Kampf führen. “We need music as much as we need each other.” (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre) Antifaschistischer, Queerer, Antiableistischer, antirassistischer, antikapitalistischer Widerstand ist vielfältig und muss vielfältig bleiben. “Vielleicht ein neues du” stellt die Frage nach der Möglichkeit von Freundin*nenschaft. Alles was wir können ist Banden Bilden. Angstfrei auf einander zu gehen. Ich möchte von euch umgeben sein und gemeinsam an der Gegenwart arbeiten. Denn diejenigen, die es derzeit tun, die zerstören die Gegenwart und die Zukunft gleich mit. Fühlt euch umarmt. Wenn ihr wollt. Ich denke an euch.

Der Bühnenraum, ausgelegt mit Teppichen, von den Hinterhöfen, den Sperrmüllsammlungen, den Kellern Stuttgarts, liegt noch leicht im Nebel. Im Raum verteilt glimmt Licht von Stehlampen. Gerade ist ein Pilzputzer durch den Nebel gelaufen und hat von ihrer Erfahrung als Pilzputzerlehrling in Dresden erzählt. Arbeitskampf. Pilzputzer dieser Welt, vereinigt euch. Wir sind in die Küche gegangen. Irgendwer muss ja auch das Essen bereitstellen für die Revolution. Wenn es keine Falafel gibt, ist das nicht meine Revolution schreibt eine Freundin*. Wir schnibbeln, erhitzen das Fett, erhitzen die Zwiebeln, bis sie glasig werden. Zucchini warten auf ihren Einsatz. Aubergine liegt zufrieden in ihrem Peeling und die Tomatensoße freut sich darauf, sich zu verbinden. Welche Gewürze müssen denn unbedingt in die Soße? Welche Erinnerungen wollen wir hier wachrufen?

Bei der Großmutter rühren, aus Versehen den gesamten getrockneten Rosmarin aus der Gewürzverpackung in den Topf fallen lassen? Große Augen beim ersten Mal Tiramisu?

Ich sitze rechts, zwischen der Tür und dir und dir gegenüber. In meinem Rücken stehen Salate. Auf dem Tisch steht Borscht nach Familienrezept.

Ich sitze rechts, zwischen der Tür und dir und dir gegenüber. In meinem Rücken stehen Salate. Auf dem Tisch steht Borscht nach Familienrezept
Es riecht nach Lasagne aus dem Backofen. Wir schenken uns gegenseitig Rotwein ein. Gestern saßen wir hier noch und haben uns gefragt, wie wir weiterdenken können, gemeinsam, weit entfernt voneinander, getrennt durch Entscheidungen, von denen wir das Gefühl haben, sie treffen zu müssen, zu wollen, um nicht das Gefühl zu haben, auf der Stelle zu stehen, sich weiter zu bewegen, sich zu bilden und Neues zu lernen. Auch ich habe das Gefühl, dass sich etwas verändern muss. Irgendwie an dieser feindlichen Feld partizipieren.

Steuererklärung abgeben, Miete bezahlen und den Lieblingssport im Fernsehen sehen. Vor ungefähr 4 Monaten konnte ich meinen Master abschließen. Eigentlich sollte das eine Befreiung sein. Eigentlich hatte ich das als Befreiung gedacht. Nicht mehr gebunden an die einengenden Konzepte der Lehre. Nicht mehr aufgehalten von ermüdenden Pflichtveranstaltungen. Die 3 Jahre Pandemie abstreifen und wie Venus aus den Wellen steigen. Endlich eigenständig sein.
Wir sitzen in dem Wohnzimmer über dem anderen Wohnzimmer, vier du’s, vier Vertraute, vier Freundin*nen, ein wir und viele wirs. Hören uns zu. Versuchen uns zu unterstützen, uns Mut zuzusprechen, nicken, sind erschrocken, fühlen miteinander und wissen, dass das wieder nur die Oberfläche ist, von der wir hier heute hören, eine Auswahl, um zu klären, wo wir stehen, wie es uns geht, was wir mit uns herumtragen. Wie wir uns gerade in den Großstädten bewegen, in denen wir leben, wie wir uns mit dem Staat arrangieren, der sich um uns legt und unsere Leben mit organisiert.

Bald muss ich wieder weiter.

Muss mich in meine Arbeit begeben.

Umarmen, zuhören.

In deiner Ausstellung lerne ich von einer Telefonkette. Lea Shnitzer führte sie ein. Im Frankfurt der Nachkriegszeit. Neben der Information steht ein Telefon mit Wählscheibe. Es erinnert mich an meine Kindheit. Das Telefon, das neben dem Informationstext steht, ist Grün. Das in meiner Erinnerung ist Weiß mit schwarzen Tasten. Das grüne Telefon wurde von der Sozialabteilung der Jüdischen Gemeinde Frankfurt dafür genutzt, um Holocaust-Überlebende, die ihre Familien verloren hatten und deswegen isoliert und abgeschottet lebten, anzurufen. Alle Teilnehmerin*nen riefen sich täglich an, hörten sich zu, schwiegen, erzählten belangloses, erzählten wichtiges, bestätigten, dass alles in Ordnung sei, oder erzählten von Krankheiten, die sie gerade bedrückten. Dann wurde die Sozialabteilung informiert und kümmerte sich um die Erkrankten. Auf dem Schild neben dem Telefon steht, dass das für viele der einzige Kontakt des Tages war. Nicht viel, aber wenigstens Teil einer Telefonkette, angebunden und initiiert von der Gemeinde, um sicherzugehen, dass niemand vergessen würde. Keine direkte Freundin*nenschaft, eher eine Art der Gemeinschaftspflege. Eine Praxis der ausgebreiteten Arme.

Keine direkte Freundin*nenschaft, eher eine Art der Gemeinschaftspflege. Eine Praxis der ausgebreiteten Arme.


Vielleicht müssen wir ein neues Du entwickeln.
Draußen Trecker. Es hupt. Sprache, die dazu da ist zu hetzen. Der Januar ist gefüllt mit Hupen, AfD-Schlagzeilen, Streiks, Demonstrationen, Kriegen, kommenden Kriegen, Hupen und Streiks. Reagieren. Wieder auf das Rauschen von rechts reinfallen. Störgeräusche, die das Land regieren. Mely Kiyak sagt, wir sind befreundet, aber ich bin alleine. Dies ist ein rechtsextremes Land, eine rechtsextreme Gesellschaft. Hier herrscht keine Gefahr vor dem Rechtsruck. Ihr seid weit weg. Ich komme hier nicht los. Langsam geht mein Geld zur Neige. Meine Dusche geht nicht. Ich vermisse, bei Wizzard zu verlieren. Eine Schwachstelle in der Crew zu sein und zu versuchen, den 9. Planeten zu entdecken. In verschiedenen Formen bekomme ich von deinem und deinem und deinem und deinem Leben mit, eine gut geschnittene Soap auf vielen Apps, Kontakt dann, wenn die Lücke zu groß wird, wenn da Fragen auftauchen in den Plottwists.
Was bedeutet Freundin*nenschaft für das 3. Jahrzehnt im 21. Jahrhundert? Aneinander angelehnt, nicht vom gemeinsam sein profitieren müssen. Vielleicht ist es unbezahlte Arbeit, aber sie nicht zu tun, ist auch keine Lösung. Wie das Essen zuzubereiten, das Geschirr zu waschen. Irgendwer muss es machen. Wenn für die, die nicht raus können, nicht mitgekämpft wird, ist das nicht meine Revolution. Freundin*nenschaft für das 3. Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts. Vielleicht liegt in dieser Beziehung eine Möglichkeit. Eine Möglichkeit, zusammen unterschiedlich zu sein. Zusammen vieles zu brauchen. Gemeinsam die Zukunft bauen. Getrennt und zusammengebracht durch Bahnschienen.

Du hast gesagt, dass die, die das hier schafft, erfolgreich ist, von ihrer Kunst so richtig leben kann, oder mehr als Leben eigentlich, kann. Dass die uns allen ein großes Haus auf irgendeiner Insel kauft, oder auf einem Hügel, irgendwo und wir dort gemeinsam alt werden können. Wir sitzen in einem Café. Du und ich, das ein Du ist bei dir. Ich musste weg aus dieser Stadt, in die ich sogerne wiederkomme, weil ich in ihr die Freundin*nenschaft gefunden habe, die unter dem Verwirrtsein, unter dem Suchen, unter der Hoffnung nach einer gerechteren Welt liegt.

Irgendwo habe ich aufgeschnappt, dass Freundschaften mehr romantisiert werden müssen. Ich will für dich und dich und dich und dich meine Pläne über den Haufen werfen, Züge umbuchen und Arbeitstreffen absagen.

Ich möchte im Kern des kommenden Kampfes für Umverteilung und Klimagerechtigkeit die Freundin*nenschaft platzieren. Was bedeutet es, wenn das gemeinsame Sein, das sich zusammenfinden, das sich kennenlernen, das sich in die Augen schauen und kritisieren können, das Streiten und Vertragen können, das sich Sorgen, das die Sorgen teilen, das sich Zuhören, das sich Umarmen, das sich Vermissen, das sich Freuen über die gemeinsame Zeit, das im Hier und Jetzt gemeinsam sein, im Mittelpunkt steht?
Sich unsere Leben darumorganisieren? Ich glaube, Freundschaften müssen mehr zur Bedingung werden. Wir müssen beginnen, für Freundin*nenschaften zu kämpfen.

Ich glaube, Freundschaften müssen mehr zur Bedingung werden. Wir müssen beginnen, für Freundin*nenschaften zu kämpfen.

Wir haben begonnen, uns Bücher zu schicken. Kleine Briefe begleiten diese. Kontakt halten. Wissen, dass da jemand sich über das nächste Buch freut. Häufig scheint es unmöglich zu sein, die Kraft, die Zeit für einen Anruf aufzubringen. Uns kurz zu schreiben. Aber alle paar Wochen kommt ein neues Buch.

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