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Geschmacksfragen II

Kindliche Freude

Giovanna Garzoni (Italian, 1600 - 1670)
Still Life with Bowl of Citrons, late 1640s
Tempera, on vellum
Unframed: 27.6 × 35.6 cm (10 7/8 × 14 in.), Framed [Outer Dim]: 35.6 × 43.8 × 3.5 cm (14 × 17 1/4 × 1 3/8 in.)
The J. Paul Getty Museum, Los Angeles, 2001.29 (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)

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Von den Rezepten, die ich auf Instagram empfehle, wird keines so oft nachgekocht, wie der Bergamottenkuchen, den ich mal zu Weihnachten vorgestellt habe. Im Winter, wenn es echte Bergamotten gibt, werde ich mindestens einmal die Woche auf diesen Kuchen angesprochen. Ich glaube, dass das Rezept so beliebt ist, weil sich in ihm so etwas wie kindliche Freude kristallisiert. Eine von Zucker beflügelte Emphase, die dennoch ein wenig nach den geheimnisvollen Aromen des Essens der Erwachsenenwelt schmeckt. Wenn man dieses Gebäck isst, erfährt man wieder ein wenig von jener beseelten Verzückung, den man sieben-, acht- oder neunjährig beim Herunterschlingen seines Geburtstagskuchens kannte.

Ehrlich gesagt, kam mir der Erfolg dieses Rezepts nicht unbedingt recht. Eigentlich wollte ich es geheim halten. Und einige Jahre lang gab ich es auch nur an enge Freunde und Freundinnen weiter. Und nur, wenn sie mir versprachen, niemandem davon zu erzählen. Ich meinte das völlig ernst. Der Kuchen, dessen Grundlage ein klassischer amerikanischer Pound Cake ist, spielte eine fast schon absurde Rolle in meinem Leben. Die galt es zu beschützen. Ich machte ihn mindestens einmal im Monat. Wenn es mir schlecht ging, häufiger. Er ist der Grund, warum ich ein kleines Vermögen für die Gugelhupf-Formen eines amerikanischen Eisenwarenherstellers ausgegeben habe und inzwischen mehr als zwanzig von ihnen besitze. Ich wollte ihn in verschiedenen Größen und Formen backen. Mal als viktorianisch anmutende Türmchen-Torte, mal mit wienerisch wirkendem Zuckerbäcker-Zierrat oder als schneebedeckten Tannenwald. 

Der Bergamotten-Pound-Cake ist für mich die konzentrierte Wahrwerdung dessen, was ich mir unter Kuchen vorstelle. Er ist duftend und süß, deliziös und aromatisch und hat trotzdem ein gewisses Gewicht. Vor allem aber schmeckt er nicht nach Backpulver. Ich finde den Geschmack von Backpulver sehr betrüblich. Seine leichte Laugenhaftigkeit lässt mich an den Geruch von Chemiewerken denken. Der Kuchen, der auf einem Rezept von Ina Garten beruht, einer meiner amerikanischen Lieblingsköchinnen, enthält überhaupt kein Backpulver. Er schmeckt also auch nicht danach. Dafür enthält er in meiner Version das Mark zweier Vanilleschoten und den Abrieb einer echten Bergamotte. Falls die nicht zur Hand ist, kann man auch ganz prima den Abrieb einer großen Orange nehmen, wie Ina es tut. Sie nennt den Kuchen übrigens „Perfect Poundcake“, was sehr treffend ist. Einer ihrer Lieblingssätze ist „How easy is that?“ „Wie einfach ist das denn, bitteschön?“ und das gilt auch für diesen Rezept.  

Man rührt 190 Gramm zimmerwarme Butter mit 415 Gramm Zucker schaumig, gibt nach und nach 5 Eier dazu und rührt alles ein paar Minuten lang weiter durch. Das Ergebnis sollte luftig und cremig sein. Dazu kommt ein Teelöffel Salz, das Innere von zwei kleinen Vanilleschoten, die abgeriebene Schale einer Bio-Bergamotte (oder die einer großen Bio-Orange) und nach und nach 300 Gramm Mehl und 200 ml Sahne. Den Teig gibt man in eine gut gebutterte und mit Mehl ausgestäubte Gugelhupf-Form, stellt das Ganze in einen nicht vorgeheizten Ofen und backt es bei 180°C für 55 -70 Minuten, so lange bis die Backprobe funktioniert.

Sie werden diesen lukullischen Bergamottenkuchen lieben, glauben Sie mir. Wenn Sie, Ihre Familie oder Ihre Freundinnen und Freude ein Stück davon essen, achten Sie darauf, ob sie Ihnen nicht auch widerfährt, jene kindliche Freude, dieses emphatisch-ekstatische Geschmacksglück. Und falls Sie diesem Gefühl auf die Spur kommen: Halten Sie es fest und feiern es. Sie müssen mir nur eines versprechen: Bitte halten Sie dieses Rezept geheim.

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